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VERONA/ Arena di Verona: NABUCCO

Erste Nabucco - Vorstellung der Saison

08.07.2018 | Oper

 

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Verona / Arena di Verona: 1. „NABUCCO“-VORSTELLUNG DER SAISON – 7.7.2018

Jede Aufführung in der Arena di Verona lässt erst einmal um das Wetter bangen. Bei der ersten von sechs Vorstellung von „Nabucco“ in dieser Saison beschränkte sich der Regen auf den Nachmittag. Am Abend blitzten dann einzelne Sterne über der Arena und in der Ferne zuckten Blitze in verschiedenen Richtungen, aber es blieb trocken. Ganz und gar nicht trocken ging es aber in der Neuinszenierung von Arnaud Bernard von 2017 zu. Er schuf auch die farbenprächtigen Kostüme. Das Bühnenbild von Alessandro Camera stellt ein größeres einigermaßen repräsentatives Gebäude in den Fokus, vielleicht eine Art Rathaus oder ein relativ bescheidenes Regierungsgebäude aus dem 18./19. Jh., in das die gesamte Handlung verlegt wurde, als die Region erst unter französischer, dann unter habsburgischer Herrschaft stand und sich schließlich aus eigener Kraft befreite.

Schon während der Ouvertüre flammen Feuer in den „Bergen“ , d. h. auf den leeren „Rängen“ hinter der Bühne auf, kommen Soldaten in z. T. farbenprächtigen, später grauen Uniformen aus den „Löchern“ Richtung Bühne, gibt es Kampfhandlungen und Rauchwolken, laute Gewehrsalven und Tote und Verwundete und eine Bevölkerung, die sich um die verwundeten „Helden“ bemüht, Arme in gegenwärtiger Alltagskleindung und reiche Frauen in noblen „Rokoko“- bis Biedermeier Kostümen, vielleicht auch Angehörige oder verliebte Frauen oder mitleidige Bürger, wahrscheinlich von allem etwas.

Dann aber kommen die eigentlichen Sieger hoch zu Ross, auf echten Pferden, weißen „Lipizzanern“ (?) und später auch auf edlen „Braunen“ und die ganz hohen Herren in der Kutsche, gezogen von ebensolchen edlen Rassepferden – eine besondere Attraktion. Danach gehen die „Sieger“ in das „Repräsentationsgebäudes“, vom Balkon verkündet ein Potentat im Outfit von Kaiser Franz Joseph wie ein österreichischer Operetten-Monarch den Sieg. Es wird gejubelt und gefeiert. Dazu wird das Gebäude um 180 Grad gedreht, um erst einen (Rokoko“)-Salon für Abigaille und später den Blick auf die Ränge eines prunkvollen Opernhauses a la Teatro alla Scala freizugeben, wo distinguierte Personen in den Logen ebenso distinguiert applaudieren und das Volk auf der Galerie die Mützen schwenkt.

Es geht immer so weiter mit Sieg und Niederlagen, Jubel und Triumph und letzten Endes immer um dasselbe, nur die Uniformen ändern sich. Von den „Bergen“ kommen immer wieder Soldaten. Es brennen Feuer, Gewehrsalven werden abgefeuert, Fahnen  geschwenkt und wieder herabgerissen und verbrannt und immer so weiter, bis zum Schluss dieser kurzweiligen Handlung voller „Action“ nur noch große italienische Fahnen patriotisch geschwenkt werden. Es sind immer wieder die gleichen großartigen Effekte und schönen Bilder mit hohem Schauwert, die sich bei ständiger Wiederholung auch abnutzen können, wenn da nicht am Ende der Schauplatz, d. h. Außen- und Innenansicht, immer schneller gewechselt würden, bis sich alles wie ein Karussell der Weltgeschichte dreht und die Symbolik dieser Werkinterpretation und Darstellungsweise erklärt.

Die Lichtgestaltung von Paolo Mazzon unterstreicht mit geschickten Beleuchtungseffekten wirksam das Treiben. Die farbenreichen Kostüme, edlen Pferde, Kutschen und an barocken Prunk erinnernde „Innenraumgestaltung“, die auch gegenwärtig bei gewissen Potentaten sehr im Trend liegt, und viel Action mit Kanonenschall und Rauch sind wundervoll anzusehen und mitzuerleben, lenken aber auch von Musik und Gesang ab.

Jordi Bernàcer setzte mit dem Orchester der Arena di Verona zunächst – wie jetzt allgemein üblich – auf starke Kontraste, ließ dann aber den Sägerinnen und Sängen alle Möglichkeiten zur freien Entfaltung, was besonders zweckmäßig war, da alle bei der ersten Vorstellung dieser Saison zunächst noch etwas vorsichtig und verhalten sangen und sich erst im Laufe der Vorstellung immer mehr in ihre Rollen hineinsteigerten, bis es schließlich doch noch zu sehr guten, berührenden Szenen mit edlem Gesang und wohlklingenden Stimmen kam, vor allem bei Susanna Branchini als Abigaille, die u. a. mit sehr feinem Pianissimo und sauberer Chromatisch-Abwärts-Passage bestach, Rafal Siwek als würdigem Zaccaria und Luciano Ganci als Ismaele. Amartushin Enkhbat war der beherrschende Nabucco.

 Es gab keine sensationellen Glanzleistungen wie bei den ganz großen Stars, aber auch keinen Flop. Alle Mitwirkenden wurden ihren Anforderungen durchaus gerecht, Gerádine Chauvet als Fenena, Nicolò Ceriani als Hohepriester des Baal, Roberto Covatta als Abdallo und Elisabetta Zizzo als Anna. Unbedingt erwähnenswert sind auch ein sehr schönes Cello-Solo und ein Flöten-Solo im Orchester, die bei der frappierenden Akustik der Arena voll zur Geltung kamen.

Der Chor der Arena di Verona sang den berühmten Gefangenenchor „Va, pensiero“, der für viele Besucher das Non plus Ultra darstellt, ebenfalls relativ leise und zurückhaltend und auch bei der Wiederholung, die bei der bewundernswerten Disziplin des Publikums, das ohne unpassenden vorzeitigen Applaus auskam, traditionsgemäß gesungen wurde, nur wenig leidenschaftlicher.

Wer nicht die ursprüngliche Handlung kennt und die originale vorchristliche Zeit als Ort der Handlung erwartete, konnte es für eine Oper (oder sogar Operette) um einen historischen Stoff aus der jüngeren Geschichte Norditaliens mit der Musik von Giuseppe Verdi halten. Es gab diesbezüglich keine Widersprüche und schien bis zum gewissen Grade sogar gerechtfertigt. Nur mit dem von der Regie vorgeschriebenen Verhalten der handelnden Personen in anderer als der ursprünglichen Umgebung konnte man in dieser Neukonzeption manchmal Probleme haben. Ungeachtet dessen war es eine sehenswerte Inszenierung und hörenswerte Aufführung mit großer Publikumswirksamkeit. Bei Open-Air-Veranstaltungen ist man ohnehin großzügiger, da kann es etwas lockerer zugehen, gelten weniger strenge Maßstäbe. In die Arena passt die Inszenierung gut und dürfte für die nächsten Jahre viel (auch weniger anspruchsvolles) Publikum anziehen.

Ingrid Gerk

 

 

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