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VERDI: LUISA MILLER – Ivan Repusic, Marina Rebeka, Ivan Magri, George Petean, Ante Jerkunica

Münchner Rundfunkorchester unter Ivan Repušić, BR Klassik

18.03.2018 | cd

VERDI: LUISA MILLER – Marina Rebeka, Ivan Magri, George Petean, Ante Jerkunica

Münchner Rundfunkorchester unter Ivan Repušić, BR Klassik

 Veröffentlichung: 30.3.

 

Endlich wieder einmal eine Operngesamtaufnahme des klassischen Repertoires des 19. Jahrhunderts, wo die Leistungen von Chor und Orchester, einige Solisten und eine sorgfältige Produktion an große Opernzeiten anknüpfen. Es handelt sich um eine Live Aufnahme von „Luisa Miller“ aus dem Prinzregententheater vom September 2017. Nicht zuletzt darf eine Verdi-Interpretin von Gnaden entdeckt werden, nämlich die lettische Sopranistin Marina Rebeka, die in Wien am 6. Mai 2018 in Simone Boccanegra (Titelpartie Thomas Hampson) debütieren wird. Im Februar 2018 ist sie an der Pariser Oper für Anna Netrebko in Verdis La Traviata eingesprungen. Die Salzburger Festspielbesucher haben sie sicher noch als Thais in guter Erinnerung. Außerdem ist Rebeka als erste Künstlerin überhaupt Artist in Residence des Münchner Orchesters.

 

Verdis Luisa Miller, seine vierzehnte Oper, ist ja nicht der große Renner auf dem Tonträgermarkt, wenngleich es einige fabelhafte Studio-Einspielungen  dieser Oper auf CD gibt (Anna Moffo, Bergonzi; Fausto Cleva; Caballé, Pavarotti, Milnes; Peter Maag; Domingo, Ricciarelli; Maazel). An solche Zeiten vokaler Wunder und singender Urgesteine kann die vorliegende Aufnahme nicht anknüpfen, vermag aber mit der herausragenden Orchesterleistung und dem engagiert suggestiven Dirigat des hochmusikalischen und passionierten neuen Chefdirigenten des Münchner Rundfunkorchesters Ivan Repušić neue Maßstäbe setzen. Ein echtes Theaterblut dieser Repušić. Er ist seit einem Jahr auch Generalmusikdirektor der Staatsoper Hannover. In München ist er Nachfolger von Ulf Schirmer, dem Intendanten und Generalmusikdirektoren der Oper Leipzig, der das Orchester elf Spielzeiten lang dirigiert hatte. 

 

Die konzertante Luisa Miller stellte sein gelungenes Auftaktkonzert mit dem Orchester dar. Schon die dunkle c-Moll Sinfonia ist ein Kabinettstück an rubinrot durchleuchteter instrumentaler Raffinesse, die die Kadenz für den kontrastreichen dramaturgischen Bogen vorgibt. Faszinierend sind in Luisa Miller die weitgespannten Tableaus und Ensembleszenen besonders der drei Aktfinali, wo Repušić einen enormen Drive und Sog entfalten kann. So offenbart sich auch das Revolutionäre der Partitur, das Gleiten in die meisterliche Spätphase des Komponisten.

 

Die dreiaktige Oper nach der Vorlage von Schillers Kabale und Liebe spielt nach dem Libretto von Salvadore Cammarano abweichend von der literarischen Vorlage in der Bergwelt Tirols. Über Standesgrenzen hinweg kommen sie zueinander: die Soldatentochter Luisa Miller und Rodolfo, der Sohn eines Grafen. Doch Intrigen und ein fataler Schwur führen in die Katastrophe – das Liebespaar trinkt tödliches Gift.

 

Der sizilianische Tenor Ivan Magrì als Rodolfo hat eine gut fokussierte, eher hell timbrierte, kernig virile Stimme, die allerdings stilistisch noch einigen Feinschliff vertragen würde. So penetrant angeschliffen dürfen hohe Töne einfach nicht werden, Schluchzen sollte tunlichst auch vermieden werden, Verdi ist eben kein veristischer Komponist. In der großen Arie „Quando le sere al placido“ gelingen dem Sänger aus Catania wiederum wunderbare Piani, außerdem wirft er sich – positiv vermerkt – mit Leib und Seele in die Sache. George Petean als Miller erbringt bei angenehm samtenen Timbres eine gute, wenngleich kaum memorable Gesangsleistung. Dafür überzeugt Ante Jerkunica in der dankbaren Bassrolle des Wurm. Der kroatische Bassbariton Marko Mimica in der Rolle des Grafen Walter überzeugt mit purer Stimmkraft. Marina Rebekka in der Titelrolle wurde von der Kritik Kälte im Vortrag vorgeworfen. Auf CD ist davon nichts zu spüren. Freilich flutet ihr Sopran nicht frei schwebend wie die besten Vorgängerinnen in dieser Rolle, Moffo oder Caballé. Auf der Habenseite bei Marina Rebeka steht auf jeden Fall ein dramatischer, leuchtkräftiger Sopran, der prächtig timbriert ist und das nötige Metall hat, um auch in den gewaltigen Ensembleszenen mühelos über die “Rampe” zu kommen. Eben ein echter Spinto, keine Belkantistin, die in Fiorituren und Koloraturen eher zu Hause ist als bei wuchtig gesetzt Akuti. Mir gefällt sie insgesamt ganz außerordentlich gut. 

 

Die kleineren Rollen sind mit Judit Kutasi (Federica), Corinna Scheurle (Laura) und Bernard Schneider (Bauer) charaktervoll besetzt. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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