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VENEZIA/ Teatro La Fenice: MACBETH. Derniere

02.12.2018 | Oper


Teatro La Fenice. Foto: Helmut undPetra Huber

 

Venezia:„MACBETH“–Dernière amTeatro La Fenice, 01. 12.2018

Oper in vier Akten nach der VorlagevonWilliamShakespeare, Libretto vonFrancesco Maria Piave und Andrea Maffei, Musik von GiuseppeVerdi

(Pariser Fassung von 1865, gesungen in Italienisch, mit italienischen und englischen Übertiteln; Premiere am 23. 11. 2018 – 5. Vorstellung dieser Produktion)

Giuseppe Verdi hatte bei der Uraufführung 1847 in Florenz großen Wert auf historische Genauigkeit der Ausstattung gelegt. Der gebürtige Venezianer Damiano Michieletto, der bei dieser Saisoneröffnung des Fenice Regie führte,ist da gegensätzlicher Auffassung: Er ließ sich von Paolo Fantin eine chromglitzernde Stahlumrahmung für die Bühne bauen.

Viele Effekte beruhten auf riesigen Plastikfolien, die entweder als Zwischenvorhänge genutzt werden, auch als Projektionsflächen für Schattenspiele, oder als wiederholt und damit ermüdend anschwellender von der Decke hängender Hexenkessel. Immer wieder wurden diese Plastikflächen auch heruntergerissen, als Leichenhüllen verwendet oder dergleichen: es ist stark zu hoffen, daß diese „compostabili“ sind, denn sonst würde der Folienabfall einer einzigen Vorstellung den Umwelteffekt des italienischen Plastiksackerlverbotes um Wochen zurückwerfen… ferner dürfte das Regieteam zu viel „CSI“ gesehen haben, denn es scheint der Auffassung zu sein, daß Blut weiß sein müsse (siehe der in dieser Krimiserie gerne gezeigte Blutnachweis mit Luminol): schon nach dem ersten Mord ist der sonst dunkelgraue bis schwarze Titel“held“ ziemlich weißscheckig; die Erscheinung des toten Duncan überschüttet sich mit etwas, das wie weiße Latexfarbe aussieht (nicht ohne zuvor seinen schönen schwarzen Anzug abgelegt zu haben, den wollte man wohl nicht mutwillig versauen). Die Familie Macduff wird mit Plastikfolie überzogen und der selben Pampe übergossen wie sie sich zuvor der tote König über den Kopf geleert hat.

Der Wald von Birnam besteht aus roten Schaukeln an langen verzinkten Ketten, die mitunter – von Lady Macbeth, Macbeth selbst und einigen Erscheinungen – auchals solche genutzt werden; Malcolm wird im Finale sogar darauf vielleicht 4 m hoch gehievt.

Die Bekleidung (Carla Teti) ergeht sich in grauen und schwarzen Businessanzügen von der Stange, nur Gattin und Kinder von Macduff dürfen bunter sein. Die Hexen waren in beige melierten Kitteln gekleidet, die Augen hinter Gazemasken versteckt, weißblonde Perücken aufgesetzt. Ihr Tanz im 3. Akt – den Parisern und ihrem Bestemm auf einer Balletteinlage verdanken wir jedenfalls gute Musik des Maestros aus Roncole – ist aber weder zauberisch noch zauberhaft, eher ein müdes Herumwabern („movimenticoreografici“: Chiara Vecchi). Nur drei Kinder als Erscheinungen (Solistinnen der Piccoli CantoriVeneziani einstudiert von Diana D’Alessio undElena Rossi) bringen mit ihren roten Kleidern etwas Farbe ins düstere Spiel.

Auch das Licht (Fabio Barettin) ist nicht immer der Szenerie dienlich: gleich beim ersten Auftritt der Lady ist ein spot so eingestellt, daß er durch einen kurz verwendeten Puppenkasten, vor dem sie kniet, ihr Gesicht dann und wann mit einem unguten Schlagschatten versieht.

GÄNZLICH anders ist die Aufführung musikalisch ausgefallen: Myung-Whun Chung am Pult führt ein auch in den oft so anspruchsvollen Bläserläufen absolut präzises, dabeisamtig-klangschönesOrchestra del Teatro La Fenice, dasdie wunderbare Akustik des Hauses perfekt nutzt. Auch die Koordination mit der Bühne ist in allen Aspekten makellos, und die vielen dramatischen Ausbrüche und Effekte funktionieren auf die hunderstel Sekunde.

Die Solisten stehen dieser perfekten Vorgabe keinen Millimeter nach: als Macbethwurde der internationale Spitzen-Bariton mit Verdi-Schwerpunkt Luca Salsigeholt, der seinem Ruf an dem Abend alle Ehre machte: prachtvolles Timbre, immenser Druck, vom Pianissimo bis in die höchsten Lautstärken selbstverständlich sauberster Ansatz und Intonation, erstklassige Artikulation und dazu noch – soweit ihm das die Regie gönnte – auch schauspielerisch auf Draht.

Seine Domina und partner in crime Lady Macbeth ist die gebürtige Südkoreanerin VittoriaYeo, die seit etwa 6 Jahren ausgehend von Parma eine solide Karriere in Europa verfolgt (auch in Salzburg war sie schon zu hören) und hier während der Probenphase eine Kollegin ersetzen mußte; wenn so ein Geschehen ein Klischee für „Entdeckung“ sein soll, dann stimmt das hier vollumfänglich: Frau Yeo legt eine gesanglich und im Schauspiel perfekte Leistung hin, kann trotz manch befremdlicher Regiemomente immer wieder die Stimmung an sich reißen und Text und Melodie (und ihrer Rolle) die Dominanz verleihen, die ihnen zusteht. Ihr Verfall in den Wahnsinn im 4. Akt ist einer der beiden Gänsehautmomente der Aufführung.

Vorzüglich mitprofunder Baßstimme und Bühnenpräsenz auch der Banco von Simon Lim.Die beiden Tenöre dieses Stückes –StefanoSecco als Macduff und Marcello Nardisals Malcom – machen ihre Sache ebenfalls sehr gut (letzterer auch als mutiger Schaukler).

Die kleineren Rollen waren mit Elisabetta Martorana (Hofdame, bzw. Zofe), ArmandoGabba (Arzt), Antonio Casagrande, Emanuele Pedrini und Umberto Imbrendaebenfalls kompetent besetzt.

Der Coro del Teatro La Fenice (Leitung: Claudio Marino Moretti) ist sowohl in Gestalt der Hexen als auch als Volk oder Krieger seiner Aufgabe gewachsen; der zweite (in der Abfolge natürlich erste) Gänsehautmoment ist – nebst Dirigent und Orchester – ihmzu verdanken: das großartig zart-melancholisch und mit feinsten emotionellen Abstufungen vorgetragene „Patria oppressa!“ zu Beginn des 4. Aktes.

Insgesamt haben wir einen zwiespältigen Eindruck aus dem schon so oft aus der Asche wiedererstandenen Phönixtheatermitgenommen: musikalisch blieb absolut kein Wunsch offen;regie/ausstattungsseits wurde jedoch arg daneben gegriffen, mit unverständlichen Symbolen – bishin zur blanken Lächerlichkeit in Momenten, die eigentlich erschütternd oder spannend sein sollten. Das (italienische) Publikum in unserer Umgebung war offensichtlich exakt der selben Meinung. Wobeidann natürlich für Bühnenpersonal, Dirigent und Orchester begeisterter und langer Applaus als Lohn abfiel.


Schlussapplaus. Copyright: Petra und Helmut Huber

 

Petra und Helmut Huber

 

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