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VENEDIG/ Teatro La Fenice: WERTHER von Jules Massenet. Premiere

Noioso, mediocre, proprio noioso…

26.01.2019 | Oper

Jules Massenet: Werther – Teatro La Fenice, Venedig, Premiere und besuchte Vorstellung: 25.01.2019

Noioso, mediocre, proprio noioso…

«Langweilig, mittelmässig, wirklich langweilig» so der Kommentar einer Venezianerin die Antwort auf die Frage des Gatten, der sie vom Theater abholt, wie denn der Abend gefallen habe. Sie hatte sich, ergänzt sich, ergänzt sie dann, aber auch etwas anderes vorgestellt…

Nach 21 Jahren zeigt das Fenice wieder Massenets «Werther», als Übernahme aus Bologna in der Regie von Rosetta Cucchi. Das Bühnenbild, das Tiziano Santi für Cucchis Inszenierung geschaffen hat, besticht durch seinen Realismus.

Cucchi geht in ihrer Inszenierung von einem Traum Werthers aus, der schon während der Ouvertüre in seinem roten Sessel und mit einer Schatulle in der Hand auf der Bühne präsent ist. Angesichts der Berichtform des Romans von Goethe, der Massenet und seine Librettisten inspiriert hat, liesse sich in der Figur durchaus der Berichterstatter, also Goethe sehen. Anfänglich sind nur die Umrisse eines Hauses auf einem Vorhang angedeutet, dann sind die Schatten eines sich umarmenden Paares zu sehen (Beleuchtung von Daniele Naldi). Mit Beginn der Oper und dem Auftritt der Kinder (Kolbe Children’s Choir) ist dann das Innere eines modernen Einfamilienhaus zu sehen. Im Erdgeschoss befindet sich das Wohnzimmer mit dem deutlich zu sehenden Bild der toten Mutter, in der ersten Etage hinter einer kleinen Terrasse die Schlafzimmer. Später wird auf der linken Seite der Bühne noch ein Baum sichtbar. Damit ist die Ausstattung für die Aufführung gegeben, die höchstens noch mit wenigen Versatzstücken ergänzt wird. Mit einem aufgeblendeten Kreuz wird die Fassade des Hauses auf dem Vorhang zur Kirche des zweiten Akts. Die Szene auf dem Dorfplatz gerät mit all den sommerlich beige gekleideten Personen und ihren Picknickkörben zu einer Reminiszenz an Glyndebourne. Werthers Studierzimmer im vierten Akt wird von einer zweiten Fassade auf einem Vorhang dargestellt, hinter dem dann ein Bücherregal in Hausform zum Vorschein kommt. In Werthers Schatulle befinden sich Alberts Pistolen, deren eine nun zum Einsatz kommt.

Die Kostüme von Claudia Pernigotti sind in zeitgenössischem Stil gehalten. Werther, der sich im Verlauf der Oper nicht wirklich entwickelt und dauerhaft an seinem Traum einer idealen Liebe krankt, trägt immer dunkle Hosen und ein offenes Hemd. Charlotte trägt im ersten Akt noch eine weinrote Dienstmädchen Uniform, später dann bequeme Kleidung. Die Wahl der Dienstmädchenuniform ist nicht wirklich schlüssig. Zwar wurde sie von ihrer Mutter auf dem Totenbett verpflichtet den Haushalt zu führen, aber sie tut es ja gerne, was Werther als einen ihrer Vorzüge rühmt. Sophie macht ebenfalls eine Entwicklung durch: sie wird vom pubertierenden Teenager in Jeans, der zeigen muss, was er (bzw. sie) hat, zur attraktiven, jungen Frau.

Positiv ist anzumerken, dass die Inszenierung das Geschehen bebildert und so der Musik den notwendigen Raum lässt. Schwachpunkt der Inszenierung ist die Anlage der Figur der Charlotte: Weder Personenführung noch Kostüme helfen dem Eindruck ab, dass es sich bei Charlotte um die Mutter von Sophie handelt.

Sonia Ganassi bewältigt die Partie, mehr aber auch nicht und bekommt entsprechend spärlichen Applaus. Ihrer Interpretation fehlt jede Jugendlichkeit und Frische. In keinem Moment ist sie die junge, begehrliche Frau, die klar werden lässt, warum sich Werther unheilbar in sie verliebt. Das behäbige, matronenhafte dominiert leider auch ihre Interpretation der Rolle. Jean-François Borras, der an Stelle des indisponierten Piero Pretti den Werther gibt, macht von der ersten Sekunde an klar, dass er unsterblich verliebt ist. Als Muttersprachler ist die Diktion perfekt und er lässt auch entsprechend tiefe Vertrautheit mit dem französischen Stil spüren. Armando Gabba leiht dem Bailli seinen sonoren Bariton. Simon Schnorr ist ein absolut rollendeckender Albert. Die Französin Pauline Rouillard ist gleichermassen pubertierender Teenager wie verständnisvolle Schwester und lässt keine Wünsche offen. Christian Collia als Schmidt, William Corrò als Johann, Simona Forni als Käthchen und Safa Korkmaz als Brühlmann ergänzen das Ensemble.

Hervorragend war das Orchestra del Teatro La Fenice unter Leitung des Franzosen Guillaume Tournaire. Hervorragende Soli in allen Gruppen, wunderbar leichter Klang unter Leitung eines Dirigenten, der sein Orchester mit kaum je auf dem Podium gesehenen körperlichen Einsatz regelrecht zu Höchstleistungen anfeuerte. BRAVISSIMI!

Als Nachfolger von Maestro Tournaire im Amt des Chordirektor des Fenice hatte Marino Moretti den Kolbe Children’s Choir und den Coro del Teatro La Fenice vorbereitet

Weitere Aufführungen: 27/01/2019 – 15:30, 29/01/2019 – 19:00, 31/01/2019 – 19:00, 02/02/2019 – 15:30

26.01.2019, Jan Krobot

 

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