(Dezember 2016/ Renate Publig)
Valentina Naforniţa © Dragosh Cojcaru
Es ist erst fünf Jahre her, dass die junge Sopranistin Valentina Naforniţa den BBC Singers of the World Contest in Cardiff gewonnen hat. Seither erfreut sie das Publikum in vielen unterschiedlichen Opern, so war sie bei den letzten Salzburger Festspielen als Zerlina zu hören, und hier in Wien sehr erfolgreich als Norina in Donizettis Don Pasquale. In den kommenden Tagen ist sie auf Konzerttournee mit dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich unter Alfred Eschwé. Was es für eine Künstlerin bedeutet, zu Silvester zu singen und wie sie selbst ihre Traumkarriere erlebt, erzählt die sympathische Sängerin im folgenden Interview.
Der Verlauf Ihrer Karriere liest sich wie der Stoff, aus dem Träume gemacht werden: Gleich nach Ihrem Studienabschluss gewannen Sie zwei Gesangswettbewerbe, einer davon der berühmte BBC Singers of the World Contest in Cardiff, Danach erhielten Sie sofort eine Stelle als Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Was jedoch so wunderbar klingt, scheint gleichzeitig eine enorme Herausforderung zu sein: Keine Gelegenheit, die Karriere auf kleineren Bühnen zu beginnen, die weniger im Rampenlicht stehen. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Was da mit mir geschehen ist, war tatsächlich eine Herausforderung für mich als junge Sängerin. Und um dies gut zu überstehen, muss man sich seiner Sache ganz sicher sein. Auf kleineren Bühnen kann man testen, ob dieser Beruf für einen geeignet ist, und wenn etwas nicht gleich klappt, versucht man’s vielleicht an einem anderen Haus. Die Chance, die ich hier bekommen habe, war natürlich unglaublich, aber es bedeutete sehr viel Arbeit. Viele Rollen, die ich neu einstudierte – zu Beginn kleinere Rollen, was den Start erleichterte. Meine erste Rolle war die Papagena, die ja auch einige Sätze sprechen muss, also lag mein Fokus an der Arbeit an den Dialogen. Das machte sehr viel Spaß! Doch im 2. Jahr sang ich bereits Musetta! Als junge Sängerin hat man noch nicht die Erfahrung, man ist noch unbekümmerter, was sehr hilfreich ist! Man macht sich weniger Gedanken, sondern ist fokussiert auf die neue Rolle, auf die Regie. Erst im Laufe der Jahre wird einem bewusst, was es eigentlich bedeutet, auf einer derart berühmten Bühne zu stehen!
Wer berät Sie bei der Auswahl der Rollen?
Hier stehen mir viele wunderbare Coaches beratend zur Seite, dann sind da noch Lehrer, Agenten – aber das Beste ist natürlich, auf die Intuition zu hören. Es ist die Aufgabe der Agenten, die Karriere voranzutreiben, doch muss man selbst im Gefühl haben, ob die Entwicklung im richtigen Tempo oder ob etwas zu übereilt ist. Ich war nun fünf Jahre Ensemblemitglied – mittlerweile habe ich einen Residenzvertrag, der eine größere Flexibilität erlaubt. Im Ensemble kommt man jeden Tag zur Arbeit, man singt unterschiedliche Partien – eine großartige Erfahrung, weil man dadurch auf vielen Ebenen lernt. Ganz besonders schult man das Auswendiglernen! Doch als Künstlerin braucht man einen gewissen Freiraum, um Partien entwickeln zu können und generell um zu reifen. Um einen Rolle in den Körper, ins Muskelgedächtnis zu bekommen, muss man sie setzen lassen!
Sie haben diesen Sprung ins kalte Wasser sehr gut überstanden und wurden nicht nur in größeren Rollen eingesetzt, sondern Sie wechselten beispielsweise von der Papagena zur Pamina, also ins “gehaltvollere” Fach.
Diese Entwicklung ist nicht nur für die Stimme sehr gesund. Hier geht es um unterschiedliche Ebenen: Zunächst die gesangliche, denn es ist natürlich wichtig, die Stimme aufzubauen, von kürzeren, leichteren zu den längeren Partien, um später vielleicht Mimi singen zu können. Doch es hilft auch fürs Rollenverständnis, vor der Pamina die Pagagena gesungen zu haben – man hat ein tieferes Verständnis für die Oper, wenn man sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln erlebt hat. Eine andere Entwicklung war in Le Nozze di Figaro: Ich begann als Barbarina, sang später die Susanna und in ein paar Jahren trete ich vielleicht als Gräfin auf. Als Ensemblemitglied hat man eine ganz besondere Möglichkeit der Entwicklung, denn während ich noch Papagena oder Barbarina gesungen habe, war ich bereits als Cover für Pamina oder Susanna eingesetzt. Dadurch wächst man langsamer in die größere Rolle. Mozart ist generell ein wunderbarer Komponist für die Entwicklung der Stimme!
Andererseits sangen Sie in Mailand sehr bald die Gilda in Verdis Rigoletto, eine sehr hohe Partie, reich an Koloraturen. Was singen Sie am liebsten?
Betrachtet man den Notentext der Gilda genauer, stellt man fest, dass viele der Koloraturen, die man heute hört, in Wahrheit Kadenzen sind, die im Original nicht in dieser Form notiert sind. An der Scala mit Riccardo Muti hielten wir uns ans Original, welches noch genügend Koloraturen enthält, doch wir fügten nichts hinzu. Das Problem daran ist, dass die Zuhörer die Version hören wollen, die sie gewohnt sind. Und obwohl auch vor mir einige Sängerinnen die Originalversion mit weniger Koloraturen gesungen haben, sind die Rezensionen in unserer Zeit oft schärfer, damit muss man umzugehen lernen. Man kann es nicht allen Recht machen! Doch ich singe die Gilda sehr gerne, überhaupt ist auch Verdi sehr gut für meine Stimme.
Beim Wettbewerb in Cardiff trat ich mit sehr unterschiedliche Arien an, mit Julietta, aber auch Rusalka und die Arie aus Korngolds Die tote Stadt. Darum geht es letzten Endes bei Wettbewerben! Doch natürlich dachte ich nicht daran, die kompletten Partien zu singen. Während des Wettbewerbs meinte Marilyn Horne, ich sollte mich verstärkt dem Belcanto widmen, das wäre für meine Stimme ideal. Und ich singe die Norina oder die Adina wirklich sehr gerne!
Sie beherrschen nicht nur eine Stilvielfalt, sondern verfügen darüber hinaus über einen großen Stimmumfang, so hat die Partie der Zerlina eine wesentlich tiefere Tessitur als die der Gilda oder der Norina. Natürlich singen Sie diese Partie nicht direkt hintereinander; dennoch: Wie schwierig ist dieser Wechsel zwischen derart unterschiedlichen Tessituren?
Die Zerlina ist in der Zwischenzeit tatsächlich eine Herausforderung, weil sie für mich ziemlich tief liegt. Doch auch Susanna ist, von ein paar Spitzentönen abgesehen, keine sehr hohe Partie. Es wird gerne übersehen, wie viele tiefen Töne beispielsweise die Rosenarie enthält! Doch es ist sehr gesund für die Stimme, die Mittellage zu trainieren, denn dadurch bekommt die Stimme in der höheren Lage viel mehr Kraft! Und letzten Endes gibt es in vielen Partien tiefere Stellen. Beispielsweise liegt die Passage im 2. Akt von Don Pasquale, wo Norina Pasquale anschreit, recht tief, und an dieser Stelle spielt das volle Orchester. Klarerweise schadet es nicht, diese Passage kraftvoll zu singen. Da hilft es sehr, wenn man diese Lage mit Partien trainiert hat, die konstant tiefer liegen. Und natürlich wechselt man nicht knapp hintereinander, sondern man versucht, den Auftrittskalender so zu gestalten, dass genügend Zeit dazwischen liegt.
Valentina Naforniţa als Norina – Wiener Staatsoper © Michael Pohn
Welche Rollen verkörpern Sie am liebsten, humorvolle wie die Norina, oder dramatische wie die Gilda?
Komödie auf die Bühne zu stellen macht viel Spaß, aber besonders gerne singe ich die tragischen Rollen. Die Musik gefällt mir einfach besser, sie liegt mir vielleicht auch mehr! Diese Rollen haben schönere Gesangslinien, getragener und nicht so sprunghaft wie die Norina, die natürlich auch sehr schöne Linien hat, beispielsweise die Cavatina zu Beginn. Im Augenblick besteht mein Repertoire eher aus diesen Partien, da wird sich zeigen, was die Zukunft bringt. Und ich freue mich natürlich, dass mich das Publikum gerne in diesen humoristischen Rollen sieht. Bei den letzten Vorstellungen von Don Pasquale konnten wir sogar auf der Bühne das Publikum lachen hören, und das ist ein wunderbares Gefühl, wenn es gelingt, dass die Zuhörer für ein paar Stunden ihren Alltag und ihre Sorgen vergessen können. Das ist der eigentlich Grund, warum ich Sängerin geworden bin!
Um bei Gilda zu bleiben: Diese Rolle entspricht nicht mehr ganz dem modernen Frauenbild von heute. Wie ist Ihr Zugang, diese Partie zu porträtieren?
Nun, ich komme aus Glodeni, einem kleinen Dorf in Moldawien, und wuchs in einer sehr einfachen Familie, und ich wurde daher ein bisschen wie Gilda erzogen. Denn bei aller Einfachheit war meiner Mutter wichtig, dass wir Mädchen elegant sind, ladylike. Sie wollte beispielsweise nicht, dass wir Jeans trugen, sondern Kleider. Damals verstand ich das nicht, doch heute bin ich sehr froh darüber! Ich bin gar nicht so modern, wie es vielleicht scheinen mag. Als Sängerin muss man natürlich ziemlich tough sein, um Pläne zu verfolgen, aber tief in mir drin bin ich das verträumte Mädchen, das für die Liebe lebt. (lacht)
Im Silvesterkonzert singen Sie mit dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich eine Arie aus seiner der Operette “Giuditta”, und auch beim Opernball haben Sie ein Stück aus der Lustigen Witwe gesungen. Liegt Ihnen dieses Genre?
Dieses Repertoire wird selten von mir verlangt. Die Adele in der Fledermaus habe ich gesungen, aber sonst bleibt es eher bei einzelnen Arien in Konzerten. Auch bei dieser Konzerttour – wir machen insgesamt acht Konzerte – werde ich eine Arie aus der Fledermaus singen, und es ehrt mich besonders, diese Musik einem Wiener Publikum zu präsentieren.
Nun singen Sie zu Silvester und an den darauffolgenden Tagen. Wie schwierig ist es, als Sängerin diszipliniert zu sein, besonders bei derartigen Festen?
Das schwierigste an dem Beruf ist es, oft so weit weg zu sein von der Familie, von den eigenen Traditionen, das wird einem während des Jahreswechsels besonders bewusst. Auf der anderen Seite, wenn man am Silvesterabend auf der Bühne steht, ist man auf das Singen konzentriert, dadurch bleibt ohnehin keine Zeit um darüber nachzudenken, dass man gerne daheim wäre. Und man spürt natürlich diese ganz eigene Stimmung im Publikum, wir versuchen, ihnen unsere Freude zu vermitteln, das überträgt sich dann meistens gegenseitig. An Silvester zu singen ist wirklich etwas ganz Besonderes!
Wie feiert man Silvester in Moldawien?
Wir haben viele Traditionen, es gibt sehr viel zu essen und zu trinken – wir haben sehr guten Wein! Und zu Silvester ist es üblich, dass Kinder Masken aufsetzen, Lieder singen und Gedichte aufsagen. Dafür bekommen sie natürlich kleine Geschenke!
Welchen Rollen oder welches Repertoire möchten Sie in Ihrer Zukunft singen?
Eine meiner Traumpartien ist die Mimi, aber auch ganz besonders die Liù. Sie hat zwei wunderschöne Arien, und ich möchte gerne dieses tragische, starke Mädchen porträtieren. Oder Micaela in Bizets Carmen. Wie schon gesagt: Ich mag diese romantischen, tragischen Figuren, sowohl, sie zu gestalten, als auch die wunderbare Musik zu singen, mit denen die Komponisten sie zum Leben erwecken.
Es gibt auch viele Mozart-Partien, die ich gerne irgendwann machen möchte. Die Gräfin, Fiordiligi – ach, es gibt so vieles, was ich gerne singen möchte!
Und was machen Sie gerne, wenn Sie nicht auf der Bühne stehen?
Natürlich verbringe ich gerne Zeit mit meiner Familie, leider sehen wir sehen uns nicht so oft. Ich liebe es, in die Oper zu gehen und bei einer Vorstellung zuzuhören; zu beobachten, was anderes SängerInnen machen – und hier in Wien hat man Gelegenheit, so viele unglaubliche Stimmen zu erleben! Außerdem lese ich gerne, wenn ich dafür Zeit finde. Und ich gehe gern mit meinem Hund spazieren. Ich lebe in Kottingbrunn, einer Gegend, die sich wunderbar eignet zum Radfahren oder zum Spazierengehen!
Frau Naforniţa, vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Konzerte und fürs Neue Jahr!