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Unvergessliche Momente: „TRISTAN UND ISOLDE“ (Erinnerungen von Gerhard Hoffmann)

17.05.2020 | Themen Kultur

Unvergessliche Momente: „TRISTAN UND ISOLDE“

Folgend dem Ruf der Heft-Chefredakteurin  ich schwelgte in Erinnerungen an wunderbare unvergessliche Opern-Momente insbesondere meiner Richard Wagner-Favoritin Tristan und Isolde während der letzten 60 Jahrzehnte. Wenn ich so bedenke was haben wir „alten Hasen“ in Sachen Oper so alles Mögliche und Unmögliche erlebt und somit starte ich mit bewusst „erlebten“ Momenten, nachdem mir Fortuna sowie die Götter der Musen die Wege zu Wagners Wonnen, den Mythen und Schicksalsfäden wiesen, deren Gründe so unerschöpflich auf wunderbare Weise beschaffen sind.

Am Nationaltheater Mannheim sammelte ich u.a. meine ersten Wagner-Erfahrungen und erlebte während der legendären Horst-Stein-Zeit am Hause unvergleichliche Interpreten, nachdrücklich den Werdegang von Jean Cox vom lyrischen Mozart-Tenor zum Wagner-Recken. Noch immer habe ich das Bild der an Neu-Bayreuth orientierten Inszenierung des Teams Hans Schüler/Paul Walter vor Augen, war fortan vom  Tristan-Virus  hoffnungslos infiziert. Cox hatte immensen Verschleiß an Isolden und zog u.a. Elisabeth Schreiner, Ludmila Dvorakova, Rose Wageman, Ingrid Bjoner, Anna Green, die junge Caterina Ligendza in seinen Bann.

Begeistert hatte mich die erste „moderne“ Inszenierung an der Oper Frankfurt von Nikolaus Lehnhoff, dessen imposante stimmungsvoll illuminierte Plexiglas-Elemente auf leerer Bühne regelrecht faszinierten und natürlich auch die musikalischen Komponente Spas Wenkoff, Daniza Mastilovic unter der Stabführung von Michael Gielen.

Zurück am Nationaltheater sorgte Harry Kupfer für Furore mit seiner beklemmenden Psycho-Analyse der Protagonisten. Zur neuen Tristan-Aera blieb der in der Blüte seiner Jahre verunglückte Wolfgang Fassler unvergesslich, ebenso seine treuen Kurwenals Urs Markus, Robert Lauhöfer, Mikel Dean, die Brangäne Liljana Necjeva, Lioba Braun, Gabriele Schnaut sowie Franz Mazura (Marke) zur ML von Peter Schneider, Jun Märkl.

Bleibende Eindrücke hinterließen ebenso die Produktionen in Bayreuth mit Siegfried Jerusalem, Waltraud Meier sowie die imponierende Version von Marco Arturo Marelli an der Semperoper Dresden mit Wolfgang Schmidt – Luana de Vol.

Neue vortreffliche Interpreten gab es in der „Provinz“ in Trier zu entdecken John Treleaven, Janice Baird welche wenig später in Chemnitz nachhaltig den RING prägten und uns öfters zu Pilgereisen in das Bayreuth des Ostens (Anm. Wolfgang Wagner) animierten.

Gerne erinnere ich mich an die Isolden Deborah Polaski, Gabriele Schnaut, Linda Watson in Leipzig, Hamburg. Ebenso das Liebespaar Thomas Moser-Deborah Voigt unter Christian Thielemann an der Wiener Staatsoper.

Haften in meinem Gedächtnis blieben weniger die regielichen Schandtaten so mancher Banausen, umso mehr jedoch das Debüt des jungen Stefan Vinke. Auch das Gastspiel des Mariinsky Theaters St. Petersburg unter Valery Gergiev zur konzertanten Aufführung mit Leonid Zachozajev (er begegnete mir später in der kuriosen Kasseler Produktion als „nackter“ Tristan wieder), der imposanten Isolde von Larissa Gogolevskaja und Ekaterina Gubanowa als Brangäne im Festspielhaus Baden-Baden.

Beim Blättern meiner drei Tristan-Ordner mit den Programmen und Bildern stellte ich teils entsetzt fest, dass meinem Gedächtnis doch so manche Sänger und abstruse Inszenierungen schwanden und das ist gut so!

Im Gegensatz dagegen war die von unterschwelliger Erotik knisternde Insz. von Annegret Ritzel in Koblenz, zu deren zweimaligem Besuch mich der Bericht unserer Chefredaktion Sieglinde Pfabigan verleitete. Das Debüt von Brigitte Hahn und deren grandioser Isolde lockten uns 2008 nach Hamm.

Eine meiner optisch schönsten Tristan-Versionen sollte ich jedoch mehrmals in Dessau begegnen zur Inszenierung von Johannes Felsenstein und den überwältigenden Bühnenbildern eines wahrhaftigen Könners Stefan Rieckhoff. Diese Produktion mit großartigen Solisten wie Richard Decker, Iordanka Derilova wurde den Göttern sei Dank, auf DVD konserviert (Arthaus-Music) und sei jedem Wagner-Fan wärmstens empfohlen.

Nels widerwärtiges Panoptikum an der Oper Frankfurt blieb lediglich wegen der Sänger Frank van Aken, John Treleaven, der beeindruckenden Catherine Foster (auch in Weimar)  und dem Dirigat von Sebastian Weigle in guter Erinnerung.

Noch losch das Licht nicht aus …. ?  Oder zu Brangänes Worten Weh, ach wehe dies zu dulden – war so manche regielich unverantwortliche Profanierung bereits am nächsten Morgen vergessen zum Leidwesen oft trefflicher solistischer  Leistungen. Nicht so indessen die naturrealistische herrliche Optik (Gerd Heinz-Rudolf Rischer) am Theater Meiningen mit dem stimmimposanten Andreas Schager.

Ein ungewöhnlich nachhaltiges Highlight bescherte die Ruhrtriennale in Bochum, imaginär- tiefenpsychologischen Figuren-Konstellation auf leerer Bühne schuf Willy Decker. Licht- und Videoadaptionen ließen das Paar gleich löse von der Welt mich los … sphärisch in  unendlichem Kosmos entschweben und verlieh dem jähen Abbruch der Liebesekstase den Hauch eines Strindberg-Dramas. Untermalt von einmalig musikalischer Suggestion durch Kirill Petrenko mit dem prächtigen Vokal-Duo Christian Franz-Anja Kampe.

Nach Kupfer, dieser soeben gelobten Produktion sollte sodann die „Dritte“ meiner absolut besten und nachhaltigsten Tristan-Inszenierungen durch Monique Wagemakers in Nürnberg folgen. Auch Sieglinde Pfabigan war begeistert! Ein intensiv-faszinierendes, tiefbewegendes Psychom menschlicher Emotionen breitete die großartige Regisseurin aus, dass es einem regelrecht den Atem verschlug und wie ich´s bis dato nicht mehr erleben durfte.

Vier der sechs Aufführungen besuchte ich natürlich auch der phantastischen Sänger wegen: Vincent Wolfsteiner mit seinem phänomenalen Tristan-Debüt, den herrlichen Isolden Lioba Braun / Claudia Iten, der hervorragenden Brangäne Alexandra Petersamer und den  Herren Jochen Kupfer (Kurwenal), Guido Jentjens-Randall Jakobsh (Marke) unter der Stabführung von Markus Bosch.

Ein szenisches Missverständnis bot sich in Kaiserslautern jedoch mit vortrefflichen Interpreten: Yamina Mamaar als fulminante Isolde, Janice Dixon (Brangäne) und dem interessanten Tristan-Debütanten Neal Cooper.

Justin Brown mit dem Badischen Staatsorchester sorgte in Karlsruhe für Furore, weniger dagegen die szenische Irrelevanz, doch hinterließen die Sänger Erin Caves – Heidi Melton für bleibende Eindrücke – wie ebenso kurz vor der Pandemie Stefan Vinke und Annemarie Kremer.

Robert Künzli (Tristan) und Tobias Schabel (Marke) begeisterten in Hannover, in ebenso prächtiger Vokalise präsentierten sich Peter Weinius und Andreas Bauer Kanabas zu denselben Partien in Kassel. In jüngster Zeit wartete Sebastian Weigle mit einer prächtigen musikalischen Produktion in Frankfurt auf und Vincent Wolfsteiner imponierte wiederum als gereifter Tristan.

Eine wahre Tristan-Renaissance stand mir 2020 bevor, jedoch ließ Corona jene Hoffnungen auf Neuinszenierungen in Wiesbaden, Mannheim wie Seifenblasen platzen. Mögen sich die Wogen bald glätten, die Häuser im Herbst wieder öffnen und die Erl-Produktion am 30.09. in Füssen über die Bühne gehen. Bleiben wir zuversichtlich ganz besonders der Wirtschaft und allen unseren geliebten Künstlern wegen … und gesund!

Gerhard Hoffmann

 

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