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UNBROKEN

11.01.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmPlakat Unbroken~1

Ab 15. Jänner 2015 in den österreichischen Kinos
UNBROKEN
USA / 2014
Regie: Angelina Jolie
Mit: Jack O’Connell, Takamasa Ishihara, Domhnall Gleeson u.a.

Es wurde schon des öfteren festgestellt: Es gibt Schicksale, die würde man keinem Drehbuchautor glauben. Wenn die Betroffenen den Wahnsinn überlebt haben, schreiben sie meist Memoiren oder werden Gegenstand bewundernder Biographien. Und dann wird oft noch ein Film daraus. Selten hat man so viele „Bio-Pics“ auf der Leinwand gesehen wie derzeit…

Schlimm allerdings, wenn ein dramatisches Schicksal ein langer, aber letztlich einförmiger Film wird, bei dem man sich fragt, ob man ihn wirklich sehen möchte. Das passierte Regisseurin Angela Jolie. Sie bereitet ihre zweite (oder dritte) Karriere vor – dritte, wenn man zu jener der Schauspielerin noch die des Medien-Stars mit einem Stall von Kindern hinzuzählt. Aber die Ambitionen hören nimmer auf, sie will Regie führen und hat mit ihrer ersten diesbezüglichen Arbeit, „In the Land of Blood and Honey“ (damals eine tragische Geschichte aus dem Balkan-Krieg), schon gezeigt, dass sie sich harte, anspruchsvolle Themen hernimmt, die auch eine Menge handwerklichen Könnens benötigen. Solches hat sie im ersten Film bewiesen, und mit „Unbroken“ tut sie es wieder. Und trotzdem – es sind zweieinviertel verdammt mühsame Stunden.

Erzählt wird das Schicksal von Louis Zamperini, seines Zeichens amerikanischer Langstreckenläufer, der mehr erlebt und erlitten hat, als ein Mensch normalerweise ertragen kann. Der Film beginnt mit ihm und einer Handvoll Kameraden, die während des Zweiten Weltkrieges im Pazifik einen Bomber gegen japanische Ziele fliegen. Vor hier aus finden die ersten Rückblenden statt: Louis, der 1917 in New York geborene Sohn italienischer Einwanderer, der es den Eltern nie recht machen konnte und auch zu keinen großen Hoffnungen Anlass gab. Gezeigt wird, wie sein älterer Bruder sich seiner annimmt und sein Talent für das Laufen entdeckt, das er in Kalifornien, wohin die Familie übersiedelte, so weit verbesserte, dass er als 19jähriger 1936 für Amerika bei den Olympischen Spielen in Berlin teilnahm. Dieses Ereignis bleibt bei Angelina Jolie (obwohl man es weit effektvoller hätte ausschmücken können) am Rand, auch Hitler kommt nicht vor, tatsächlich führt die Rahmenhandlung immer wieder in das Flugzeug der jungen amerikanischen Soldaten, die schließlich abstürzen und im Ozean landen.

Dort überleben drei von ihnen auf zwei Schlauchbooten, und ihr Schicksal (nicht so spannend wie „Life of Pi“, wo es ja auch um lange Wochen am Ozean ging, allerdings mit einem Tiger…) wird bis zur Unerträglichkeit tragisch ausgewalzt, einer der drei stirbt, die beiden anderen werden nach eineinhalb Monaten (eine halbe Stunde im Film, die sich ungefähr so lang anfühlt wie Wochen), in denen sie rohen Fisch gegessen und Regenwasser getrunken haben, „gerettet“, um in eine Hölle der noch schlimmeren Art zu geraten.

Es ist schaurig souverän, wie die Szenen im japanischen Kriegsgefangenenlager ausgemalt werden, man duckt sich unter den körperlichen und seelischen Foltern, bewundert die Durchhaltekraft des Helden… und weiß nicht, warum man selbst so etwas ertragen soll, indem man gezwungen ist, es sich anzusehen. Tatsächlich wurde Zampieri als etwas „Besonderes“, der Olympia-Sportler, erkannt, als solcher sowohl für ausgesuchte Quälereien wie als Aushängeschild ausgesucht: Doch für die japanische Propaganda gab er sich, nachdem er in einer Radioübertragung nach Hause melden durfte, wie gut es ihm ging (!), nicht her: Wieder zurück ins Lager, alles ebenso schlimm wie zuvor…

Nun, man weiß, wie der Krieg ausging, Zampieri hatte unter schaurigen Umständen überlebt, und sein Küssen des amerikanischen Bodens, nachdem er aus dem Flugzeug gestiegen ist, hat ergreifende Momente. Vor allem, weil man weiß, dass nun das Ende (des Films) naht. Der historische Louis Zampieri hat bis Mitte 2014 gelebt, am Ende ist das „Original“ in historischen Aufnahmen zu sehen.

Interessant auch, dass Zampieri zu jenen Weltkriegs-Veteranen zählte, die später nach Japan zurückkehrten, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten – es ist ihm wohl nicht so gut gelungen wie jenem Eric Lomax, dessen Schicksal in „The Railway Man“ (mit Colin Firth) erzählt wird, einen Film, den wir wohl nur in der Videothek finden und der dieses Thema überzeugend ausspannt. Lomax hat seinen persönlichen Folterer auch gefunden, während von Zampieri berichtet wird, dass seine persönliche Nemesis, Mutsushiro Watanabe, die späte Konfrontation mit ihm verweigert hat…

Es ist ein Epos, und man möchte kaum glauben, dass immerhin die Coen-Brüder, Joel und Ethan, das Drehbuch geschrieben haben, gibt es von ihnen doch Beweise, wie spannend und spritzig sie Filme gestalten können. Zumindest erstere Eigenschaft hätte man ersehnt, aber weder das Drehbuch noch die solide, düstere, bedeutungsschwere Regie von Angelina Jolie geben dem bewundernswerten Schicksal von Zampieri jene Leinwand-Qualitäten, die man sich wünschen würde.

Jack O’Connell, erst Mitte 20, vordringlich Fernseh-Serien-Star, ist in seiner ersten großen Filmrolle außerordentlich überzeugend, in den Lagerszenen abgemagert bis zum Skelett, glaubwürdig in seiner Entschlossenheit, einfach zu überleben – und das noch „ungebrochen“ von allem, wie der Filmtitel verrät. Spannender ist dennoch die Figur seines Folterers, Takamasa Ishihara (auch Miyavi genannt, ein berühmter japanischer Rock-Musiker) mit einem fast mädchenhaften Gesicht, aber zu abgründigen Machtspielen mit hilflosen Menschen lustvoll-sadistisch entschlossen – hier offenbart sich das Grauen in seiner eigentlichen Kraft. Rundum eine passende Besetzung (wobei Domhnall Gleeson als sein Leidensgenosse am Meer und im Lager eindrucksvoll ist), ohne allzu ausgefeilte Figuren und ohne Starnamen. Schließlich ist jener der Regisseurin nicht zu toppen und sichert dem Film auf jeden Fall sein Interesse. Nun, das Schicksal von Zampieri verdient es natürlich. Wenn es nicht so mühselige Kinostunden wären…

Renate Wagner

 

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