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UGLY

26.02.2018 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 2. März 2018
UGLY
Österreich, Ukraine / 2017
Drehbuch und Regie: Juri Rechinsky
Mit: Maria Hofstätter, Angela Gregovic, Dmitriy Bogdan, Raimund Wallisch u.a.

Mit Ulrich Seidl und Franz Novotny als Produzenten hat Juri Rechinsky für seinen ersten Spielfilm starke Unterstützung. (Bekannt war er mit der Dokumentation „Sick Fuck People“ über rauschgiftsüchtige Obdachlose in Odessa geworden.) Österreich schickte den Film zur Uraufführung zum International Film Festival Rotterdam, später wurde er bei der Diagonale in Graz gezeigt – jetzt kommt er in die Kinos. Zweifellos für ein Randpublikum, ein Seidl-Publikum, obwohl der Regisseur (geboren 1986 in Turkmenistan, nach anderen Aussagen in der Ukraine, aufgewachsen in Kiew, lebt in Österreich) deutlich mehr Empathie mitbringt. Dennoch – ein im höchsten Maße deprimierender Film ist es dennoch…

Der Titel ist „Ugly“, was so viel wie „hässlich“ bedeutet, aber er hätte eben so gut „Pain“ lauten können, denn Schmerz ist das durchgehende Motiv der beiden Geschichten, die Rechinsky hier parallel erzählt. Den Ton schlägt er gleich an: Eine Frau sitzt in der Badewanne, das Wasser, das aus der Brause kommt (man sieht nicht, wer sie hält), ist jedenfalls eiskalt (oder brennheiß?), denn sie schreit in Schmerz und Entsetzen, geht in Weinen über… Was hier genau geschieht und warum, erfährt man nicht. Um die Klarheit der Erzählung geht es gar nicht so sehr, viel mehr um die kreierte Atmosphäre, die mit sehr starken Bildern und sehr nachdrücklicher Musik (immer wieder lässt es Anton Baibakov dramatisch aufbrausen) arbeitet. Und mit Geschichten, die so trostlos und depressiv sind, dass man immer tiefer im Kinosessel versinkt…

Schnee weht über den Boden, ein Auto fährt über eine verschneite Landstraße, und dann liegt eine junge Frau in der Notaufnahme eines Krankenhauses (den dazwischen liegenden Unfall sieht man nicht). Langsam erst lernt man die Protagonisten der Geschichte kennen – die junge Frau ist die Österreicherin Hanna (gespielt von der schönen Serbin Angela Gregovic), die mit ihrem ukrainischen Freund Jura (gespielt von dem Russen Dmitriy Bogdan) Englisch spricht… später, wenn sie sprechen kann. Anfangs liegt sie einige Zeit wie komatös im Krankenbett in einem trostlosen ukrainischen Krankenhaus, schreit vor Schmerzen, während der Mann sich nicht zu helfen weiß. Es sind Bilder des Entsetzens und der Trostlosigkeit, die der Regisseur ohne Unterlass auf den Zuschauer einprasseln lässt.

Und es wird gar nicht besser, wenn sich die Handlung in eine großzügige, helle Wohnung in Österreich verlegt, wo man begreift, dass Martha die Mutter von Hanna ist (in einer Rückblende sieht man eine Party im Haus der Mutter, die heftig tanzt – die zurückhaltende Tochter spielt dann Klavier, sie sei eine sehr begabte Pianistin, heißt es). Auftritt Maria Hofstätter, die ratlos in ihrer Küche sitzt und völlig klar macht, dass sie sich im Leben nicht mehr auskennt – ein Jahr lang hat die Schauspielerin, wie der Regisseur in einem Interview erzählte, Alzheimer-Kranke studiert, um nun ihrerseits diese immer erschütternde Studie eines Menschen auf die Leinwand zu bringen, der sich selbst in der Welt sucht – und beides nicht mehr begreift. Raimund Wallisch ist ihr als Gefährte Josef zur Seite, der ihr ehrlich helfen will – aber wenn er die Nerven verliert, dann schimpft er sie zusammen wie ein kleines Kind oder auch einen Hund, die sich schlecht benommen haben…

Die Szenen, die nun zwischen der Ukraine und Wien hin- und herspringen, erzählen mit Variationen in beiden Fällen dieselbe Geschichte, die eine Krankengeschichte der Frauen ist, begleitet von der Verzweiflung der Männer. Nur einmal, wenn Jura zu seiner Familie geht, gibt es längere Dialoge – diesmal auf Ukrainisch oder Russisch (das Wort „prawda“ fällt, ist das in beiden Sprachen zuhause?), und da wirft Jura der Mutter, dem Vater verzweifelt seinen Nihilismus entgegen, es gibt keine Gefühle, es gibt nur den Menschen als Fleisch und Begierde, das Leben ist ein Chaos, mehr sagt er nicht. Was die anschließende Szene mit einem erschossenen Wildschwein bedeutet, hat der Regisseur nicht klar gemacht – wie so vieles andere auch nicht.

Der Film endet „mittendrin“ sozusagen, er kann immer weitergehen, bildet sich die Mutter die Rückkehr der Tochter und deren Ankündigung der Schwangerschaft nur ein? Was bleibt? Die Verlorenheit der Maria Hofstätter greift ans Herz, die Traurigkeit des Ganzen desgleichen, viele eindrucksvolle Bilder, für die es bei der Diagonale den Preis für „Bildgestaltung“ gab – sprich Auszeichnung für die Kameramänner Wolfgang Thaler und Sebastian Thaler. Im Wind heftig bewegte Kornfelder, eine Feuersbrunst, der einsame Neusiedler See, das mögen zwar althergebrachte Motive sein, aber sie machen für den Film bildlich Effekt.

Produzent Franz Novotny greift verbal hoch, wenn er meint, „UGLY ist einer der Funken, die die erloschene Flamme der Humanität entzünden helfen. Oder auch nicht“, denn als Humanitätsgeschichte hat man dieses Elendsdrama nicht begriffen. Auch die scharfe Antithese, man könne diesen Film „nur lieben oder hassen, dazwischen gibt’s nichts“, scheint zu dramatisch. Man kann ihn auch einfach respektieren. Und sich vorstellen, dass Juri Rechinsky in weiteren Werken weiter kommt, wenn er seine Erzählungen dramaturgisch genauer umreißt… nur die Impressionen trauriger Bilder zu liefern, ist ein Stadium, das ein Weitergehen erfordert.

Renate Wagner

 

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