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TUNESIEN/ El Jem und Carthago: AIDA

06.07.2018 | Oper


Publikum in Carthago. Foto: Robert Quitta

TUNESIEN/ El Jem und Carthago : AIDA

am 30.6. und 5.7.

In der westsizilianischen Hafenstadt Trapani gibt es seit nunmehr 70 Jahren ein kleines, aber feines Opernfestival. Luglio Musicale Trapanese genannt, findet es jeden Sommer (aber nicht nur im Juli, sondern auch im August) unter den jahrhundertealten Mammutbäumen der Villa Regina Margherita statt, sich in erster Linie den gängigen und populären italienischen Opern widmend.

Einst sehr renommiert, verkam es dann mit der Zeit aufgrund der Nachlässigkeit städtischer Kulturbeamter. Vor drei Jahren hat nun Giovanni de Santis, der Enkel des Gründers, das Ruder übernommen.Trotz profunden musikalischen Wissens eher ein Managertyp, rührt er in der  altehrwürdigen Institution seither mächtig um. Zuerst hat er die Finanzen saniert, dann hat er mit ein paar Tausend Euro das lange leerstehende und mit Taubendreck bedeckte Theater im Musikkonservatorium wieder (für die Wintersaison) bespielbar gemacht, und jetzt geht er – trotz heftiger Anfeindungen von Neidern daheim – auf internationalen Expansionskurs.

Nach zweijahrelangen Verhandlungen hat soeben das erste Gastspiel des „Luglio“ in Tunesien mit großem Erfolg bei Kritik und Publikum stattgefunden. Wobei „Gastspiel“ vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck ist, denn um jeden Anschein von kulturellem Neokolonialismus zu vermeiden, waren die Tunesier von Anfang an in die Produktion miteingebunden : mit ihren Werkstätten, ihren Technikern, ihren Choristen und ihren Orchestermusikern.


„Aida in El Jem. Foto: Robert Quitta

Gegeben wurde – naheliegenderweise – eine Neuinszenierung der bei Freiluftaufführungen so allseits beliebten „Aida“, und zwar zweimal: zuerst im römischen Amphitheater von El.Jem, und dann im römischen Theater von Carthago.

El Jem ist ein faszinierender Ort. Denn mitten in einer kleinen Stadt in der Fast-Wüste steht da dieses enorme Ding, dieses gigantische Trumm, dieses einstmals drittgrößte Amphitheater im Römischen Reich. Schon allein für sich sehr faszinierend(kein Wunder, dass etliche Szenen des „Galadiators“ hier gedreht wurden). Dazu kam dann noch das quirlige arabische Dorfleben rundherum, die Rufe des Muezzin zum Abendgebet (ganz kurz vor der Ouverture) und der aufgehende Mond über den Ruinen der Stützbögen.

Somit war der Abend eigentlich schon gerettet, noch bevor er begonnen hatte. Daran konnte auch die (besonders im ersten Teil) nichtendenwollende Unruhe in der Arena nichts ändern. Völlig enfesselte und rücksichtslose Photographen und Kameraleute, die sich um die besten Plätze – während der Aufführung ! – direkt vor der in der Mitte des Amphitheaters aufgebauten Bühne balgten, Platzanweiserinnen und Platzanweiser, die gemütlichst – auch auf der Spielfläche ! – herumspazierten, als fände rund um sie überhaupt nichts statt, usw.,usf…


Aida in El Jem. Foto: Robert Quitta

Große Bewunderung für den Dirigenten Andrea Certa, dass er nicht gleich wieder abgebrochen hat. Aber cool wie er war, ignorierte er diese ganzen Ablenkungen und führte souverän und präzise durch den Abend. Er hatte auch hervorragende Protagonisten ausgesucht: Dario Prola war ein höhensicherer und viriler Radames (sein nackter Oberkörper machte auch schon einiges her), Maite Alberola eine stimmkräftige und empathische Aida, Giuseppe Garra ein hinterhältiger und zerstörerischer Amonasro. Nicht ganz so überzeugend die Amneris von Daniela Diakova, die mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.

Raffaele di Florio hatte eine sehr praktikable und interessante Inszenierung mit einer gewissen, aber nicht allzu grossen Dosis Ägyptomania auf die Beine gestellt. Durchaus ansehbar und achtbar, auch wenn er auf gewisse Mätzchen hätte verzichten können: wie z.B. auf eine Amneris, die sich nach dem Nilakt ihre Perücke herunterreisst und einen kahlgeschorenen Schädel präsentiert…oder auf eine Aida, die sich, kaum in der Gruft angekommen, die Pulsadern aufschneidet …

Aber sei’s drum: Alles in allem genommener war das ein wunderbarer und denkwürdiger Abend, dessen künstlerische Qualität weit über das bei dieser Art von Freiluftspektakeln zu erwartende Niveau hinausging.

Eine Woche darauf gab es diese Aida auch noch einmal im römischen Theater von Carthago. Eigentlich war alles, technisch, musikalisch und gesanglich, weil eingespielter, viel besser. aber irgendwie fehlten der Mond und die Löwenkäfige ,die Muezzinrufe und das Gewurl, fehlte ein wenig der ganz spezielle Zauber…


Der Mond über der Arena. Foto: Robert Quitta

Egal. Man kann nur hoffen, dass diese sizilianisch-tunesische Zusammenarbeit nächsten Sommer aufgrund des großen Erfolges fortgesetzt wird …und dass sich diese „Médithéâtres“ genannte Initiative auch noch ausgeweitet. Denn der konstruktiv größenwahnsinnige Giovanni de Santis möchte auch andere Mittelmeerländer mit antiken Theatern mit an Bord holen!

Wir trauen ihm das zu und freuen uns darauf…

 

Robert Quitta, Tunesien


Publikum in Carthago. Foto: Robert Quitta

 

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