TTT – Wertewandel + Theaterreform: Dekadentes Musiktheater – verdorben – verloren – vergaloppiert, auch ruiniert?
Zwangsvorstellung – Karl Valentin https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Valentin
„Woher diese leeren Theater? Nur durch das Ausbleiben des Publikums. Schuld daran – nur der Staat. Warum wird kein Theaterzwang eingeführt? Wenn jeder Mensch in das Theater gehen muss, wird die Sache gleich anders. Warum ist der Schulzwang eingeführt? Kein Schüler würde eine Schule besuchen, wenn er nicht müsste. Beim Theater, wenn es auch nicht leicht ist, würde sich das unschwer ebenfalls doch vielleicht einführen lassen. Der gute Wille und die Pflicht bringen alles zustande. Ist das Theater nicht auch Schule, Fragezeichen!“
weiter https://www.projekt-gutenberg.org/valentin/brillant/chap030.html
So ein Theater! Karl Valentin & Liesl Karlstadt (1934) 11,40 Min.
https://www.youtube.com/watch?v=zt7hRNq9j3k
Betrachtet man in dieser Reihe insistierte inszenatorische Untugenden der Dekonstruktionen und Überschreibungen, erhebt sich die Metapher vom Wein in alten Schläuchen: mag nach einem halben Jahrhundert überkommenes „Regietheater“ auch kein „neuer Wein“ sein, unterstelle ich Neues als Kulturentwurzelung relativierend:
Solche Konzepte assoziieren neue, schale, unzugängliche Inhalte, behauptete moderne, neuzeitlich Veränderungen/ Deutungen (Wein) gegen eine über Jahrhunderte gewachsene Ethik, Kultur (alte Schläuche), die nun verdirbt, weil dekonstruiert, überschrieben, damit simplifiziert, trivialisiert. Das kann nur an obskuren Ausrichtungen der Ausrichter liegen, an den „Grautvornix“ aktueller Musiktheater-Regie-Kader, Intendanten und so manchem „Kritiker“, vornehmlich etablierter Printmedien.
Mit dieser Betrachtung wird in keiner Weise museale Werkpflege beschworen. Angemahnt werden basale Beachtung gewachsener Werte. Humane Werte sind grundsätzliches Fundament zivilisierter Gesellschaften und Moral. Hier hat langjähriger Wertewandel zur Dekadenz auch Auswirkungen auf Publikumsfrequenzen. Solche Anmaßungen ruinieren Sinnlichkeit und komplexe Kulturpflege in Musiktheatern. So ist suizide Dekadenz.
Infantile naive Gewaltphantasien, unwahre Klischees, z. B. Gummi-Penis und koitale Übungen, ausgelaugte sexistische Trash – Plattitüden und Entgleisungen, Damengesäße in Tangas/Strings, Verrichtung vom Körpersäfte – Austausch, „Pimmel des Tenors“, Penis-Amputation, Migrantin erhält Kopfschuss, Pegida-Anhänger, junge Männer nackt in mäßiger Softporno-Manier agieren homoerotisch und dergleichen viel mehr.
Schmuddel – Milieus im Hochkultur – Tempel ohne Pep, Niveau – Torpedos transportieren Musiktheater zu unfreiwilliger Lachnummer, da diese Themen kaum noch „einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken“ und müdes Aufstöhnen, Achselzucken, Belächeln wecken. Dramaturgische Brisanz sieht anders aus, mglw. schielt man ja doch auf voyeuristische Momente für Verklemmte.
Bibel, Matthäus 9,17: „Auch gießt man nicht neuen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißen die Schläuche, der Wein wird verschüttet, und die Schläuche sind verdorben.“ Gleichnis, dass auch niemand einen Lappen von einem neuen Kleid zum Flicken eines alten Kleides nehmen würde, da man sonst auch das neue Kleid zerreiße und der Lappen vom Neuen nicht zum Alten passe. Dem folgt als weiteres Gleichnis, dass niemand neuen Wein in alte Schläuche fülle. Denn sonst werde der neue, sprudelnde Wein die alten Weinschläuchne zerreißen, er werde verschüttet und die Schläuche verderben.“
Dekadenz: anmaßende Abkehr von gewachsenem Konsens in Gesellschaften und Kulturen, Verfall, Niedergang, Verkommenheit. Nach Rousseau “Fäulnisprodukt einer verderblichen Zivilisation!”
Ebensolche Dekadenz transformiert überlagernde, bizarr glanzlose Darstellungen von Absonderlichkeiten in szenischen Dekonstruktionen, Überschreibungen.
Sachstand Entgleisungen: offensichtlich unbegabt und unausgebildet, immer mal Hineingestolperte (im besten Fall noch aus fremden Medien oder bildender Kunst) in behaupteter Aura eines Musiktheater – Inszenators, untergraben Offenlegung eigener Inkompetenz indem z. B. ohne Umschweife Filmwerk, Kino, Videoinstallation auf der Theaterbühne eingerichtet wird – unterlassen damit über weite Strecken intendierte Sichtungen /Umsetzungen im ureigenen Metier des Theaters, der Bühnenpräsenz und nehmen die Leinwand als Derivat lebendiger Theatralik, verlassen das eigene Metier, geben damit Bühnenkunst und Alleinstellungsmerkmal auf.
Auszüge aus „Zahme Xenien“ 1827, Johann Wolfgang von Goethe https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wolfgang_von_Goethe
Und so will ich ein für allemal
Keine Bestien in dem Göttersaal!
Die leidigen Elefantenrüssel,
Das umgeschlungene Schlangengenüssel,
Tief Urschildkröt‘ im Weltensumpf,
Viel Königsköpf auf einem Rumpf,
Die müssen uns zur Verzweiflung bringen,
Wird sie nicht reiner Ost verschlingen.
Seit sechzig Jahren seh ich gröblich irren
Und irre derb mit drein;
Da Labyrinthe nun das Labyrinth verwirren,
Wo soll euch Ariadne sein?
Was ich sagen wollt,
Verbietet mir keine Zensur!
Sagt verständig immer nur,
Was jedem frommt,
Was ihr und andere sollt
Da kommt
Ich versichr‘ euch, so viel zur Sprache,
Was uns beschäftigt auf lange Tage.
Nichts schmerzlicher kann den Menschen geschehn,
Als das Absurde verkörpert zu sehn.
Auch diese will ich nicht verschonen,
Die tollen Höhl‘-Exkavationen,
Das düstre Troglodytengewühl,
Mit Schnauz und Rüssel ein albern Spiel;
Verrückte Zieratbrauerei,
Es ist eine saubre Bauerei.
Nehme sie niemand zum Exempel,
Die Elefanten- und Fratzentempel.
Mit heiligen Grillen treiben sie Spott,
Man fühlt weder Natur noch Gott.
Nun soll am Nil ich mir gefallen,
Hundsköpfige Götter heißen groß:
O wär ich doch aus meinen Hallen
Auch Isis und Osiris los!
Ihr guten Dichter ihr,
Seid nur in Zeiten zahm!
Sie machen Shakespeare
Auch noch am Ende lahm.
Die folgenden Texte sind komplex, gehen über Kontext s. o. hinaus! Auszüge reichen zum Thema.
Dekadenz – Bedeutung des Begriffs
https://www.juraforum.de/lexikon/dekadenz … Dekadenz so vielseitig verwendet, wie die Haltungen einzelner Menschen oder einzelner Gruppen von Menschen der Welt gegenüberstehen. Allgemein wird gegenwärtig unter Dekadenz vor allem das bis zur Lächerlichkeit überzogene Nachäffen von Zivilisationsüberschuss verstanden. … Aber der Ausdruck Dekadenz grenzt nicht nur an Perversität, sondern auch an Kitsch. In der Ästhetik des Hässlichen wird dann nicht nur die Fäkalien-Kunst als dekadent betrachtet, sondern allgemein auch die häufigen Entgleisungen im Genre des sog. Regie-Theaters.
Ein paar Gedanken zu Dekadenz
https://blogs.nmz.de/badblog/2022/06/17/ein-paar-gedanken-zu-dekadenz/ … in dem Moment in dem eine selbstreferentielle „Szene“ entsteht, die nur noch um sich selbst kreist und von der nur noch wenige bis keine neue Impulse mehr ausgehen, wird Musik „dekadent“. … Stillstand kann durch starke künstlerische Impulse überwunden werden, die alles bisherige in Frage stellen. Die Oper zum Beispiel brauchte immer wieder Persönlichkeiten wie Gluck, Mozart, Verdi oder Wagner,… Am Anfang jedes neuen Entwurfs gibt es interessante Pioniere und Bilderstürmer, die etwas vollkommen Verrücktes wagen. Danach kommen die Opportunisten, die sich quasi schon ins gemachte Bett setzen. Wenn die Opportunisten überhandnehmen, setzt die Dekadenz ein. Zu denken, dass immer alles so bleiben soll wie es ist, DAS ist das eigentlich Dekadente.
Dekadente Zeiten?
https://kultur-online.net/inhalt/dekadente-zeiten Aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen könnte man behaupten, wir leben in einer prosperierenden Zeit mit hoher Entwicklungsgeschwindigkeit (wohin?), aber gleichzeitig zeigen sich … Rückentwicklungen oder Degenerationen bzw. Verfallserscheinungen. … Keine Verantwortung von niemandem bzw. allgemeine Kollektivverantwortung ohne Folgen für Einzelne. Freiheit überall, außer im Wesentlichen, im Einzelnen. … im Kulturbereich … Scharmützel und Gefechte … mit staatlicher und privater Kulturförderung länger am Leben gehalten. Dort liest und hört und sieht man verwegenes Regietheater in seinen Modernisierungsbemühungen, …
Tim Theo Tinn 17. Febr. 2023