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TTT – Sekundärtext zu: Literarisches Sentiment … 10 & 11, Gottfried Benn (1886 – 1956) & Andreas Gryphius (1616 – 1664) (nächste Folge) „Wie das Hässliche in die Kunst kam“

17.01.2024 | Themen Kultur

TTT – Sekundärtext zu: Literarisches Sentiment … 10 & 11, Gottfried Benn (1886 – 1956) & Andreas Gryphius (1616 – 1664) (nächste Folge)

„Wie das Hässliche in die Kunst kam“

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Schön hässlich

„Denn es ist kein Liebender, der die Geliebte nicht vergöttert, sie sei so schief, wie sie will, so krumm, wie sie kann; ein talgiges Galgengesicht oder eine runde, platte Schießscheibe, oder dumm, dürr, dürftig, schief und schäbig wie eine Vogelscheuche, hohläugig, hühneräugig, schielt wie ein Huhn in der Sonne und blinzelt wie eine Katze vorm Ofen; Titten wie Quitten oder gar keine. Ums kurz zu machen: ein Kuhfladen im Backofen.“
Robert Burton Anatomie der Melancholie

https://kbvollmarblog.wordpress.com/2013/01/11/wie-das-hassliche-in-die-kunst-kam/

„Im Barock (zwischen 1600 und ca. 1750) erlebten die „Vanitas“ – Darstellungen („Eitelkeit“, „Nichtigkeit“) große Beliebtheit. Speziell die Darstellung der Frau Welt war verbreitet, die vorne dem damaligen Schönheitsideal entsprach und hinten von Geschwüren und Gewürm zerfressen wurde.

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Ein Bild, das vor der Eitelkeit warnt wie in dem Gedicht von Andreas Gryphius (1616 – 1664) „Alles ist eitel“. Die Abbildung des Krankheitssymptoms wird moralisch eingesetzt, was in den folgenden Jahrhunderten nie verschwinden sollte und in den sozialdarwinistischen Ansichten des späten 19. Jh. und den Ideen von der Rassenhygiene des 20. Jh. seinen Höhepunkt fand.“

Es ist alles eitel“, Sonett / Barock aus der Zeit des „Dreijßigjährigen Krieges“, 1637

 Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

 Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein,
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

 Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
Ach! Was ist alles dies, was wir für köstlich achten,

 Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;

Als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t.
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!

 

Zusammengestellt von Tim Theo Tinn 17. Jan. 2024

 

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