Tschechische Republik: Bunter Herbst am „Alten Vater“, 19.10.2013
von Ursula Wiegand
Herbststimmung im Altvatergebirge. Foto: Ursula Wiegand
Buntes Herbstlaub leuchtet im Altvatergebirge, doch der 1.491 m hohe Alte, auf tschechisch Pradĕd, ist oben fast kahl. Verständlich, streckt er doch seinen Kopf über die dortige Baumgrenze hinaus. Dennoch lockt Tschechiens höchster Berg ständig Spaziergänger und Wanderer an, zumal der 162 m hohe Aussichtsturm auf dem Gipfel bei klarem Wetter eine großartige Rundumsicht bietet.
Altvatergebirge, Wandertour Weiße Opava. Foto: Ursula Wiegand
Spannender sind jedoch die Wanderpfade, die zu Altvaters Füßen entlang der Bílá Opava, der Weißen Oppa(va), hinunter nach Karlova Studánka führen. Wer die linke, 7 km lange Variante wählt und dort dann die gelb gekennzeichnete Abzweigung nimmt, balanciert, kraxelt und rutscht alsbald auf feuchtem Gestein am wild rauschenden Fluss entlang.
Altvatergebirge, die Weiße Opava. Foto: Ursula Wiegand
In wenigen Wochen wird Altvaters Bergwelt (Jeseníky-Gebirge) zur Wintersportregion. Das Hotel Ovčárna (auf 1.300 m) unterhalb des Pradĕd ist für Januar und Februar bereits ausgebucht. (www.ovcarna.volareza.cz) Da es im Naturschutzgebiet liegt, gibt es nur Schlepplifte und keine Schneekanonen. Der Schnee reicht eh bis in den Mai.
Karlova Studánka (Bad Karlsbrunn), Musikpavillon. Foto: Ursula Wiegand
Karlova Studánka (Bad Karlsbrunn) hüllt sich noch in ein fröhliches Herbstgewand, ein hübscher Kontrast zu den meist tiefdunklen Gebäuden. Wegen seiner Heilquellen entwickelte der Deutschritterorden die Ansiedlung ab 1780 zu einem Kurort, der seine Blütezeit im 19. Jahrhundert erlebte. Durch die Verbindung von Holzbau und Klassizismus entstand hier eine besondere Architektur. Als Perle gilt der Musikpavillon mit Theatersaal, errichtet 1837.
Karlova Studánka, das Schlesische Haus von 1913. Foto: Ursula Wiegand
Sehen lassen sich kann sich auch das Schlesische Haus (jetzt: Slezský Dúm), erbaut 1913 unter dem Habsburger Erzherzog Eugen von Österreich, und fast ebenso stattlich wirkt das Hauptkurgebäude von 1931.
Diese und weitere Informationen bietet ein bebilderter Prospekt in bestem Deutsch. Solche Info-Materialien gibt es in dieser Gegend fast überall, außerdem Broschüren mit Wander- und Ausflugstipps. Selbst die früheren deutschen Ortsnamen sind nicht mehr tabu. Immerhin war dieses Gebiet von 1742-1918 das Herzogtum Österreichisch-Schlesien mit der Hauptstadt Troppau, gehörte zur Böhmischen Krone und war die Heimat der Sudetendeutschen. Jetzt spricht man von Mähren-Schlesien.
Karlova Studanká (Bad Karlsbrunn), Trinkpavillon Pitný. Foto: Ursula Wiegand
Inzwischen bildet es zusammen mit polnischen Landstrichen die Euroregion Pradĕd. Dass die EU die Modernisierung und Tourismus-Entwicklung fördert, mag zur Entspannung beigetragen haben. Überall werden wir freundlich empfangen und auch etwas neugierig beguckt, als wir das Heilwasser im Trinkpavillon Pitný probieren. Einheimische und Patienten füllen es sich in große Flaschen ab. Eine Kur in diesem Traditionsort steht bei den Tschechen nach wie vor hoch im Kurs.
Karlova Studánka, Hubertuskapelle, geweiht 1758. Foto: Ursula Wiegand
Bei Brautpaaren ist es die Hubertus-Kapelle, ein schlichtes, gänzlich aus Holz gefertigtes Barockkirchlein von 1758. Auch die gut restaurierten Sitzmöbel und Kniebänke aus Wurzelwerk stammen aus jener Zeit. Der kecke Zwiebelturm trägt noch das Kreuz des Deutschritterordens. „Im Sommer finden hier an jedem Wochenende Trauungen statt,“ strahlt Radka Chudová, die jugendliche Bürgermeisterin des Städtchens.
Malá Morávka (Klein Morau), Berghotel Chata Koprivna. Foto: Ursula Wiegand
Trotz des historischen Charmes von Karlova Studánka fühlen wir uns im Berghotel Chata Koprivná (übersetzt Brennesselbaude) unter augenscheinlich Gesunden passender aufgehoben und trinken statt Heilwasser lieber Pilsener Urquell zum Schnitzelgericht. (www.koprivna.cz, Mail: koprivna@koprivna.cz)
Herbststimmung in Malá Morávka, Altvatergebirge. Foto: Ursula Wiegand
Diese Baude liegt rd. 8 km südlich von Karlova Studánka oberhalb von Malá Morávka (Klein Morau). Im Sommer können die Gäste in den Außenpool springen, im Winter bringt ein kleiner Sessellift die Skiläufer den benachbarten Hang empor. Zurzeit erglüht die hügelige Umgebung in herrlichen Herbstfarben.
Krnov (Jägerndorf), gut restaurierte Häuser. Foto: Ursula Wiegand
Von hier schwärmen wir jeden Tag aus und merken, dass sich auch anderenorts schon vieles getan hat. Straßenzüge in Krnov (Jägerndorf) leuchten in frischen Farben. Bereits im Mai 2002 wurde hier das „Haus der tschechisch-deutschen Verständigung – Haus Europa“ mit einem Informationszentrum der EU eröffnet.
Krnov-Cvilín (Jägerndorf), Wallfahrtskirche der 7 Schmerzen Mariens. Foto: Ursula Wiegand
Noch positiver hat sich die Wende auf der Anhöhe Cvilín oberhalb der Stadt ausgewirkt. Nach schweren Zeiten präsentiert sich dort die barocke, 1727 geweihte Wallfahrtskirche, eine Gründung der Minoriten, in wieder gewonnener Schönheit. Ebenfalls restauriert sind die 13 Empire-Kapellen vom Anfang des 19. Jahrhunderts, die rund ums Gotteshaus einen Kreuzweg bilden.
Allerdings wollte schon Kaiser Josef II (1741-1790) die Kirche abreißen lassen, ließ sie sich aber für 400 Gulden abkaufen. Im 2. Weltkrieg wurde sie zerstört, danach wieder aufgebaut und 1947 neu geweiht. Nur 3 Jahre später, in der „Aktion K“, hat man die Ordensbrüder in KZs verschleppt. Erst 1994 erhielten sie ihr lädiertes Gotteshaus zurück.
Krnov-Cvilín, Wallfahrtskirche der 7 Schmerzen Mariens, Altar. Foto: Ursula Wiegand
Den Namen „7 Schmerzen Mariens“, verdankt die Kirche zwei Altarbildern, auf denen 7 Pfeile das Herz der Madonna durchbohren. Der Maler Heinrich Tauber hatte damit eigenen Kummer über seine schwerkranke Tochter Barbara zum Ausdruck gebracht,“ weiß Pater Josef Goryl, der seit 9 Jahren hier tätig ist. Die Gemälde überstanden die Notzeiten in Krnovs Pfarrkirche St. Martin. Laut Pater Josef mühten sich früher bis zu 40.000 Menschen die Anhöhe hinauf, nun gibt es wieder 12 – 13 Wallfahrten pro Jahr.
Krnov-Cvilín, im Glockenstuhl der Wallfahrtskirche. Foto: Ursula Wiegand
Da im Gotteshaus gerade eine Trauung stattfindet, steigen wir mit Josef Červen, Küster und Mann für alles, hinauf in den Glockenturm. Drunten liegt Krnov im Morgennebel. Auf der Gegenseite blicken wir über einen See. Das andere Ufer gehört schon zu Polen.
Wieder unten bieten Kinder Hochzeitsgebäck an, und auch wir müssen zugreifen. Begeistert werden die frisch Getrauten begrüßt. Ein Gast drückt der Braut eine kleine Säge in die Hand. Sie geht in die Hocke und muss nun einen Draht mit schwerer Kugel am Fuß des Gatten durchtrennen, ihn wohl auf diese Weise entfesseln. Danach viel Applaus.
Zlaté Hory (Zuckmantel), Wallfahrtskirche Maria Hilf. Foto: Ursula Wiegand
Gänzlich neu ist die Wallfahrtskirche Maria Hilf in Zlaté Hory (Zuckmantel), 43 km nordwestlich von Krnov. Der zurückhaltend moderne Bau, konzipiert von Architekt Tomáš Černoušek aus Olmütz, ersetzt das von den Kommunisten 1973 gesprengte Gotteshaus. Den Grundstein hatte Papst Johannes Paul II bereits 1990 geweiht.
Gleich nach der Samtenen Revolution setzten die Wallfahrten wieder ein, 1993 begann der Wiederaufbau der Kirche und wurde ausschließlich mit Spenden finanziert. Hauptorganisator auf deutscher Seite war der 1946 nach Bayern ausgewiesene Adolf Schrenk, seit 1983 Pfarrer von Weilersbach.
Zur Kirchweihe am 23. Sept. 1995 kamen neben dem apostolischen Nuntius Bischöfe aus Polen und Olmütz, natürlich auch Pfarrer Schrenk und 10.000 Gläubige. Seither treffen sich jeden September Pilger aus Tschechien, Polen und Deutschland in Maria Hilf.
Zlaté Hory (Zuckmantel), Wallfahrtskirche Maria Hilf. Foto: Ursula Wiegand
Zwei Kolonnadengänge führen zu der leicht konkaven Kirche, so als breite sie die Arme für Schutzsuchende aus. Tatsächlich wird hier – gemäß einer alten Legende – Maria als Beschützerin des ungeborenen Lebens verehrt. Eltern haben Fotos ihrer Babys an eine Tafel im Vorraum gepinnt, drinnen wird gerade ein Kindchen getauft.
Zlaté Hory (Zuckmantel), mittelalterliche Bergwerksmühlen (Repliken). Foto: Ursula Wiegand
Darüber hinaus war diese Madonna die Patronin der Bergleute, die nahebei nach Gold schürften, war doch das Gebiet um Zlaté Hory (Zuckmantel) einst die „Goldgrube“ Schlesiens. 1385 und 1780 Gramm schwere Goldklumpen wurden im 16. Jahrhundert gefunden, danach nur noch kleine Nuggets, und so wurde der Betrieb 1994 eingestellt. Übrig blieben kilometerlange Stollen. „Die Berge hier sind ein Schweizer Käse,“ lacht Karel Kozluk, Gästeführer mit Diplom.
Zlaté Hory (Zuckmantel), Karel Kozluk beim Goldwaschen. Foto: Ursula Wiegand
In diesem Bergbau-Freilichtmuseum mit nachgebauter Gesteinsmühle versuchen die Besucher ihr Glück beim Goldwaschen. Kozluk demonstriert, wie das geht. Sogar Goldwasch-Weltmeisterschaften werden dort ausgetragen. Bis aus Australien reisen die Teilnehmer an, und schon winzigste Funde zählen.
Zlaté Hory (Zuckmantel), Besucherin beim Goldwaschen. Foto: Ursula Wiegand
Eine junge Frau jauchzt auf, doch es ist keineswegs Gold, was in ihrer Schale glänzt. „Das ist nur Pyrit,“ schmunzelt Kozluk, also Schwefelkies. Spaß macht’s trotzdem, und einen echten Fund müssten wir ohnehin abliefern.
Vrbno pod Pradedem, Glashütte Jakub, Glasbläser Petr Glaskovský. Foto: Ursula Wiegand
Andere haben sich einen solideren Job ausgesucht, so der Glasbläser Petr Glaskovský in der Glashütte Jakub in Vrbno pod Pradedem (Würbenthal. Seit 7 Jahren ist er hier, gut 10 km südlich von Zlaté Hory, tätig. Gerade fertigt er eckige Gefäße für einen österreichischen Kunden, macht auch Gläser, Krüge und Vasen in diversen Formen und Größen. Teuer ist das alles nicht und wird zum Transport bruchsicher in eine Pappschachtel verpackt. (www.sklarnajakub.cz)
Vrbno pod Pradedem, Glaskünstlerin Iveta Strnadová. Foto: Ursula Wiegand
Noch verführerischer ist der fantasievolle Glasschmuck, den Iveta Strnadová einige Häuser weiter kreiert. Eigentlich wollte sie sich vor einigen Jahren Inline-Skater leisten. Doch beim Blättern in einer Zeitschrift fiel ihr Blick auf ein Glaskunstwerk. Da machte es Klick im Kopf, und sie legte sich lieber einen Glasschneider zu.
Vrbno pod Pradedem, Glaskünstlerin Iveta Strnadová. Foto: Ursula Wiegand
Außer Schmuckstücken fertigt sie Glastafeln mit floralen Mustern und farbenprächtige Lampenschirme. Kürzlich hat sie die Glasfenster einer Synagoge gestaltet. Die Glasplatten liefert der Vater, ein Glasermeister. Nun zeigt sie eine bläulich schimmernde Scheibe. Auf dem unbearbeiteten Glas zeichnet sich eine Madonna ab, für Iveta ein Zeichen, dass ihr Lebensweg kein Zufall ist. (www.vitraze-sperky.cz)
Město Albrechtice, Jan Metzl auf seinem Golfplatz. Foto: Ursula Wiegand
Auch der 23jährige Student Jan Metzl traut sich was. Zusammen mit Vater und Freunden verwandelt er in Město Albrechtice das Gelände einer früheren Hühnerfarm in einen 9-Loch Golfplatz. Der wird im nächsten Jahr fertig. Dort zu golfen, soll auch für Normalbürger erschwinglich sein.
Einen ebenso großen Sprung hat Tomáš Krmíček aus Brno (Brünn) gewagt. Der Wirtschaftsingenieur und Jurist ist nun Chef der „Penzion Bĕla“ im Urlaubsort Bĕlá pod Pradĕdem (Waldenburg) und serviert vor dem Abendmenü zunächst leckere Ziegenkäsevariationen.
Bela pod Pradedem, Pension Bela, Chef Tomáš Krmíček. Foto: Ursula Wiegand
Ganz neu ist ihm dieser Job nicht, schon als 16jähriger Gymnasiast half er im Gasthaus seiner Eltern. Die hatten zuletzt ein Restaurant plus Weinbar mit 200 Plätzen in Brünn und haben nach 6 Jahren für ihre Kinder dieses Haus in Bĕlá gekauft. Der Vater – Ingenieur mit einem Bauunternehmen – hat es in 5jähriger Arbeit in Stand gesetzt und einen Wellnessbereich angefügt. An den Wochenenden kam Student Tomáš und packte mit an.
Nach der Eröffnung am 12.12.2011 blieben die Eltern noch 9 Monate und unterstützen die jungen Leute. Nach Rezepten der Mutter kocht hier nun Tomáš Schwester, beweist aber auch, dass die gastronomischen Uhren in der Messestadt Brünn schon anders gehen. Die Wildschweinstücken sind superzart, das Dessert ist eine Delikatesse. Es wird das beste und bekömmlichste Essen während unseres Altvater-Ausflugs. (www.penzion-bela.cz)
Burg Sovinec (Eulenburg) von 1320 in Okres Bruntál. Foto: Ursula Wiegand
Nun sind wir fit für die Burg Sovinec (Eulenburg) von 1320 im Okres Bruntál. Ein Prachtbau mit faszinierender Geschichte. Von April bis Oktober wird die Burg für Veranstaltungen genutzt. Bei Nachtführungen durch verwinkelte Gänge können die Besucher das Gruseln lernen.
Infos auf Deutsch unter www.czechtourism.com/de, zum Wandern im Altvatergebiet unter www.czechtourism.com/de/s/jeseniky-walk, zum Kurort Karlova Studánka unter www.czechtourism.com/de/t/karlova-studanka