Fritz Spengler, Frauke Burg (Foto: Theater Trier)
TRIER / Theater:
A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM von Benjamin Britten
Premiere: 24. September 2016
Auch das Theater Trier, geleitet von dem Vorarlberger Karl M. Sibelius, verbeugte sich mit seiner Premiere zu Saisonbeginn vor dem Jahresregenten Shakespeare. Man wählte „A Midsummernight’s Dream“ von Benjamin Britten, ein Werk, dessen Reiz und Schwierigkeiten sich die Waage halten. Mit beidem setzte sich Regisseur Sam Brown auf seine Art auseinander.
Mit dem Reiz hatten er und sein Ausstatter Simon Holdsworth wenig am Hut, man entschied sich – was natürlich durchaus ein Ansatz ist – ausschließlich für die düstere Seite des Geschehens. Dann ist ein Zauberwald, wo die Verwirrung der Gefühle toben soll, durchaus kein Wald mehr, sondern kahles Gestänge, das nur entfernt an karge, kahle Baumstämme erinnert, auf einem ansteigenden Erdwall, der auf der anderen Seite wieder abfällt. Auf diese Art bietet nicht einmal die Drehbühne, die reichlich eingesetzt wird, Abwechslung. Erst am Ende, wenn das Hochzeitsfest ansteht, gibt es ein paar Tische und Girlanden.
In welcher Welt befindet man sich? Die jungen Leute laufen in heutigen Shirts, Hosen, Röcken herum, die Handwerker erinnern an eine Art Kanalräumerpartie. Oberon könnte einerseits teils als Herodes durchgehen, trägt aber zu undefinierbarem Glitzergewand eine typische, wenn auch ebenfalls glitzernde Diktatorenmütze, während Titana im Look einer Südsee-Insulanerin erscheint. Wenn am Ende Theseus und Hippolyta erscheinen, tun sie es in einer Art exzentrischem Party-Look. Kurz, Loren Elstein schuf für die Kostüme das, was man gut und gern als „Fetzenkarneval“ bezeichnen könnte. Das Geschehen wird damit zwar vage „heutig“, aber doch nie wirklich verortet.
Heutig also, ganz ohne Zauber und Magie. Bei Sam Brown bleiben von der Geschichte eigentlich nur Beziehungskämpfe in der heute üblichen, undisziplinierten Art und Weise des Verhaltens. Da braucht es auch keinen Puck als Wunderwesen. In Gestalt von Paul Hess ist er ein gestandener, wenn auch faszinierend beweglicher Mann, der sich schwingend durch das Geschehen turnt, mehr Tänzer als Darsteller, gelegentlich gefährlich irrlichternd. Wobei besonders das starke choreographische Element des Abends (Hannes Langolf) zu betonen ist, das der kahle Raum braucht: Die Protagonisten müssen ihn schließlich nicht zuletzt mit ihren Bewegungen für das Publikum „füllen“. Die Company Susanne Linke hatte da noch einige ihrer Tänzer beigesteuert.
Die Verlebendigung des Abends gelingt den vier verliebten jungen Leuten besonders gut, die am Premierenabend allerdings vom Quartett zum Quintett erweitert wurden: Als der Intendant vor der Premiere vor den Vorhang trat, musste man das Schlimmste befürchten, das für das Theater auch eingetreten war, als sich die Sängerin der Hermia am Premierentag „stimmlos“ meldete. Um eine lange Geschichte (die für das Haus mit unendlichem Streß verbunden gewesen sein muss) kurz zu machen – man fand eine Hermia in London, flog sie via Luxemburg ein und so stand Clare Presland am Rand der Bühne und sang den Part so ausdrucksvoll, dass sie immer wieder die Blicke auf sich zog: Ulrike Malotta, die auf der Bühne tapfer spielte, umarmte ihre Retterin beim Schlussapplaus voll Dankbarkeit.
Blieben Eva Maria Amann als Helena, Benjamin Popson als Lysander und Bonko Karadjov als Demetrius, die sich gebärdeten wie schlecht erzogene junge Leute von heute und allesamt Stimmen hören ließen, die zu Hoffnungen berechtigen.
Weniger glücklich wurde man mit dem ersten fürstlichen Paar: Der Countertenor Fritz Spengler klang als Oberon so schwach, dass die Diskrepanz zwischen imposanter Erscheinung und – sagen wir es freundlich – mangelnder Kraft schlechtweg befremdete. Die Titania der Frauke Burg, die sich darstellerisch recht possierlich mit ihrem Zettel / Esel abgab, hatte zwar ausreichendes Stimmmaterial, bot aber auch nicht die gesangliche Erfüllung ihrer Rolle. Theseus und Hippolyta, die bei Britten nicht allzu viel Raum bekommen, waren mit László Lukács und Bernadette Flaitz zufrieden stellend besetzt.
Sie alle sangen auf Englisch (mit Übertiteln, die – Weiß auf Beige – trotz ihrer Größe wegen schwachen Kontrasts nicht gut zu lesen waren), während man die Handwerker, Leute sehr, sehr aus dem Volke, Deutsch singen und fast noch grobschlächtiger agieren ließ als üblich. Freilich, Don Lee hat den (sonst nicht vorhandenen) Zauber des zum Esel verwandelten und entsprechend verwirrten Zettel ganz wunderbar heraus gearbeitet, und auch die anderen – Lukas Schmid als Quenz, Rouwen Huther als Flaut, Eui-Hyun Park als Schnock, Wolfram Winter als Schnauz und Carsten Emmerich als Schlucker ließen nichts zu wünschen übrig. Sie waren besonders komisch, als sie zu Anfang ihrer „Show“ für die Hochzeit wie eine tanzende Männergruppe aus der englischen Music-Hall-Tradition agierten.
Besonders positiv fiel an diesem Abend Philharmonisches Orchester Trier unter GMD Victor Puhl auf, die Brittens vielschichtige Partitur poetisch zum Klingen brachten – auf der Bühne sah das anders aus. Dort hatte man den Opernchor reichlich mit dem Kinderchor des Hauses versetzt, was die anwesenden Verwandten in der fest ausverkauften Premiere in besonderes Entzücken versetzte. Aber der Jubel schloß natürlich auch alle anderen ein, und der ausländische Besucher stellt fest, dass er ein solch enthusiastisches Publikum bei sich zuhause selten findet.
Renate Wagner