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TRAUN/OÖ: „SOLO PARA TI“ – Konzert in der „Spinnerei“ im Kultur Park Traun

09.10.2021 | Konzert/Liederabende

Traun: „SOLO PARA TI“ – Konzert in der „Spinnerei“ im Kultur Park Traun, 08. 10.2021

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Carin Costa Latin Band. Foto: privat

Lateinamerikanische Suite mit Kompositionen und Arrangements von Andreas Neubauer

Carin Cosa Latin Band und das Modern Symphonic Orchestra unter Ingo Ingensand

Zwar ist Andreas Neubauer von Beruf Lehrer an der Musikschule Linz, u. a. für Improvisation, jedoch ist er in vielerlei musikalischen Sätteln unterwegs, von der Filmmusik über Jazz bis zur Oper. Teils mit seiner ebenso hochmusikalischen Verwandtschaft konzertiert er seit Jahrzehnten in verschiedenen Genres und höchst unterschiedlichen Besetzungen.

In diesem Fall geht es um die jazzig-lateinamerikanische Band seiner Schwester, die für dieses Projekt um ein kleines Symphonieorchester mit gut 30 Mitgliedern verstärkt wurde. Das geht in die Richtung der 1990 beim Digitalpionier TELARC erschienene Platte „Fiesta“, Cincinnati Pops Orchestra unter Erich Kunzel. Nur wurde damals in Ohio sorgfältig drauf geachtet, daß die Arrangements im konservativ-kommerziellen Rahmen blieben, plus ein paar gut verkäufliche Effekte im Rahmen der auf Klangbrillanz gebürsteten Firmenphilosophie. Andreas Neubauer aber muß sich nicht an solche Beschränkungen halten, und deshalb ist das musikalische Bild an diesem Abend wesentlich bunter, jazziger, unkonventioneller als auf „Fiesta“ – und insgesamt ist das alles so unterhaltsam, daß sich die alte Kritikerbosheit („als ich um 9 auf die Uhr sah, war es ¾ 8“) in ihr Gegenteil verkehrt: eigentlich soll die um 8 Uhr begonnene Veranstaltung zwei Stunden dauern, aber als wir zum Ende aus dem Saal spazieren, wundern wir uns sehr, daß es tatsächlich schon 11 ist.

Lateinamerikanische Musik steht natürlich für Tanz – Cha-cha-cha, Bossa Nova, Samba, Merengue, Tango. Deshalb hat Andreas Neubauer für das Konzert den Überbegriff einer Suite gewählt. Er moderiert auch den Abend mit Charme und trockenem Witz, und im übrigen sitzt er am Klavier und läßt großartige Soli hören.

Den Beginn markiert eine Komposition von Richard Adler und Jerry Ross, „Whatever Lola Wants“, als Solo-Ansage von Carin Cosa.  Es folgt, nach Erklärung der Tücken dieses Rhythmus, die erste Eigenkomposition, „Bolero Dos“, effektvoll von den Pauken grundiert. Nach einem vor allem vokal sehr fein strukturierten „Sway“ (Pablo Ruiz) hören wir ein hochkomplexes Arrangement, das Bruckners Siebte“ (genaugenommen deren ersten Satz) mit „Night and Day“ (Cole Porter) verwebt. Naja, die (freilich komisch gemeinte und viel kürzere) Nummer von Victor Borge, in der Beethovens Mondscheinsonate fast unmerklich in das nämliche Werk von Cole Porter hinübergleitet, funktioniert besser. Außerdem geraten hier die hohen Streicher mitunter an ihre Grenzen – eher überraschend, denn bei anderen Stücken, die oft bösartig schnelle Läufe verlangen, funktioniert alles tadellos.  „Drive my Car“ (Paul McCartney) klingt in Neubauers Latin-Arrangement frischer als das Original. Für das anschließende „Bésame Mucho“ (Consuelo Velásquez) kreiert das Orchester zuerst einmal per Gemurmel die Atmosphäre eines nicht ganz noblen Beisls in Mexico City, bevor die Musik beginnt – auch hier sehr elaboriert arrangiert, mit überraschenden Wendungen und Färbungen, aber alles schlußendlich aus einem Guß. Zur Pause hin leitet die Musik über in „Cuenta me“ von Al Castellanos.

Nach der Pause ein Hauptstück: „Tango de Guerra“, von Andreas Neubauer auf einen Text der nicaraguanischen Dichterin, Romanautorin und Politikerin Gioconda Belli: spannende, auf die Angst des heraufziehend Krieges verweisende Tangoklänge, mit Seitenblicken auf den „Tango nuevo“ eines Astor Piazzolla, die dann, bei Ausbruch der Kämpfe, in einen gehetzten Samba wechseln. Höchst beeindruckend, musikalisch wie emotionell!

Es folgen zwei weitere Neubauer-Kompositionen: „Solo Para Ti“ (Text Celia Heinzl) und „Doubts“ (Nicole Wegerer-Jeschke), bevor die insgesamt drei Sängerinnen mit „The Shadow of Your Smile“ von Johnny Mandel Herausragendes in a-capella leisten (fast a capella, weil Andreas Neubauer doch einige wenige Akzente am Klavier beisteuert, aber sogar noch weniger als es seinerzeit Count Basie zu tun pflegte) – präzise close harmonies, dabei mit oft komplexesten Akkordführungen, die auch Gruppen wie Singers Unlimited oder Manhattan Transfer an ihre Grenzen gebracht hätten, dazwischen „Mundperkussion“ wie bei Al Jarreau.

Eine weitere Vertonung nach Gioconda Belli, „Estar Como“, setzt noch einmal einen gefühlvollen Akzent, bevor mit Jorge Bens mehrfachem Welthit „Mas Que Nada“ in (doch etwas zu zurückhaltender) Samba-Atmosphäre das Finale erklingt.

Natürlich gibt es auch eine Zugabe, mit der sich alle Solisten noch einmal glanzvoll präsentieren können – ein allerdings ausgeprägt lyrisch aufgefaßtes „Tico-Tico“ (Zequinha de Abreu); da hätte, zu guter Letzt, doch mehr Tempo, mehr Knalligkeit dem Publikum (noch) mehr Applaus abgetrotzt… Denn: an Originalität und Wertigkeit des Abends konnten zu diesem Zeitpunkt ohnedies keine Zweifel mehr bestehen; dem hätte ein Griff in die Effektlade keinen Abbruch getan!

Bei einigen Nummern konnte man Tamara Krinner als Schattentänzerin sehen; verglichen mit den originellen Arrangements waren ihre Auftritte konventionell und gebrach es ihnen, bei den vorzüglichen musikalischen Leistungen und der emotionsgeladenen Musik, an der dramaturgischen Notwendigkeit.

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Andreas Neubauer, Ingo Ingensand. Foto: privat

Unter der präzisen, schwungvollen Leitung von Ingo Ingensand musizierten u. a. Christian Wirth, Violine, als Konzertmeister (der auch den Streichercorpus  zusammengestellt hatte); eine sehr gute Holzbläsergruppe – namentlich die Oboen und die Soloklarinette beeindruckten, herausragend: Charly Schmid an Tenor- und Sopransaxophon, denen er atemberaubende Soli, zwischen Be-Bop und free, entlockte; vom Blech seien Fred Banglmayer (Trompete) und Christina Baumfried (Posaune) besonders hervorgehoben; neben zwei Streicher-Bässen gab es auch einen virtuos gespielten e-Bass, in den Händen von Gerald Kiesewetter; und natürlich jede Menge perfekt präzise Perkussion – oft am lautesten die Pauken von Otto Rötzer.

Schließlich seien die Protagonistinnen genannt – Carin Cosa hatte zwar die führende Gesangsrolle inne, die sie mit Struktur und Emotion ausstattete, jedoch nutzten auch ihre Kolleginnen Coretta Kurth und Miriam Fuchsberger ihre nicht wenigen Gelegenheiten, um mit ähnlichen Qualitäten zu  brillieren.

Dieses Programm wird am Samstag, 9. 10. 2021, um 20 Uhr im selben Saal noch einmal aufgeführt, es gibt noch Karten.

Petra und Helmut Huber

 

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