TRAUMWERK – Eine Betrachtung der Zeit; Continuu Records CD
Musik und Poesie aus dem 17. und 21. Jahrhundert
„Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen. Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen. Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“ Andreas Gryphius
Veröffentlichung: Frühjahr 2018
Albrecht Dürer mit seinen Gedanken zu Traumwerken stand Pate für den Titel des spannenden genreübergreifenden Albums, deren Schöpfer die ästhetischen, epochalen und konventionellen Grenzen zugunsten der Dramaturgie und des musikalischen Narrativs auflösen wollen. In welche Schublade passt (samt einem graphisch innovativ gestalteten CD-Buch) dieses Hörabenteuer, das Musik und Poesie aus dem 17. und 21. Jahrhundert miteinander verbindet? Auf jeden Fall werden nicht verschiedene Werke bezugslos aneinandergereiht, sondern eine ganze Geschichte in sechs Kapiteln erzählt: Exordium, Narratio, Divisio, Confirmatio, Confutatio und Conclusio.
Die Aufnahme nimmt den Zuhörer mit in einen frühbarocken Zeitgeist zwischen Vanitas und Memento mori sowie der musikalischen Gegenwart. Der Mensch und der nur ihm gehörende Moment sollen an die immateriellen Werte des Lebens erinnern. Sieben zeitgenössische Traumwerke von James Dillon (für Cembalo und Violine) werden um barocke kammermusikalische Kompositionen von G. A. Pandolfi Mealli, Johannes Hieronymus Kapsberger, Johann Jacob Froberger ergänzt und in einen unauflösbaren Teppich aus Wort und Musik verwebt.
Vor allem den virtuos eigenwilligen Stücken Pandolfis, der hauptsächlich am Innsbrucker Hof des Erzherzog Ferdinand Karl wirkte, mit vertrackten Fugati und Variationsreihen sowie bizarren Verzierungen verdankt das Album seine besondere Atmosphäre, den ganz eigenen Duft. Hier ist aber unbedingt auch der aus Glasgow stammende James Dillon als moderner Counterpart zu Pandolfi zu nennen. Glissandi und Doppelgriffe kommen in den Miniaturen ebenso vor wie das Spiel in höchsten Lagen, extreme dynamische Kontraste bei fast gleich bleibenden Akkorden und kantilenenhafte Passagen. Ständig wechselnde Taktarten bewirken einen schwebenden Klangeindruck.
Robert Gwisdek leiht seine Sprechstimme Gedanken und Worten von Paul Fleming, Georg Philipp Harsdörffer, Christian Weise, David Schirmer, Martin Opitz, Johann Michael Dilherr und Andreas Gryphius. Die Isländerin Elfa Rún Kristinsdóttir (Violine), Daniel Rosin (Violincello), Andreas Arend(Chitarrone) und Elina Albach (Cembalo & Orgel) bestreiten den instrumentalen Part auf höchstem interpretatorischen und klangtechnischem Niveau. „Nicht die Sterne sind für unser Schicksal zuständig, nicht eine höherstehende Macht für den Verlauf unseres Lebens verantwortlich, sondern erst wenn man selbst sein ja dazu spricht, lässt der Himmel dich wohl zur Ruh.“ Mögen diese Worte Christian Weises als programmatischer Leuchtstab ebenso intensiv wirken wie die Musik das ihrige tut. Außergewöhnlich gut!
Dr. Ingobert Waltenberger