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TOULOUSE: 52. CONCOURS INTERNATIONAL DE CHANT. Int. Gesangswettbewerb – Semifinale und Finale

10.09.2019 | Konzert/Liederabende

TOULOUSE: 52. Concours International de Chant (Int. Gesangswettbewerb) Semifinale und Finale am 5.-7. September 2019


Capitole de Toulouse. Foto: Klaus Billand

Alle drei Jahre, nach engeren Zeitabständen von 1-2 Jahren früher, findet in Toulouse der international renommierte Concours International de Chant statt, also der Internationale Gesangswettbewerb zur Entdeckung junger Talente des lyrischen Gesangs. Es war bereits die 52. Ausgabe seit dem Beginn 1954. Der Veranstalter ist immer das ehrwürdige Théatre du Capitole, die Oper von Toulouse. Die Jury ist stets von exzellentem internationalem Niveau. Große Stimme gingen aus diesem Wettbewerb hervor, wie Viorica Cortez, José Van Dam und Dmitri Hvorostovsky. Mária Temesi, die bekannte Wagner-Sängerin aus Ungarn und im Merker oft besprochen sowie interviewt, erreichte hier 1980 den 3. Platz.


Die diesjährigen Preisträger. Foto: Frédéric Maligne

  1. Die Jury

Unter dem Vorsitz der Mezzosopranistin Béatriz Uria-Monzon setzte sich die Jury aus folgenden Personen zusammen:

Liudmila Talikova, Theaterdirektorin des Moskauer Bolschoi-Theaters; Olivier Descotes, Generaldirektor des Rossini-Festivals Pesaro; Paolo Pinamonti, Künstlerischer Direktor des Teatro San Carlo von Neapel; Christian Schirm, Künstlerischer Direktor der Akademie der Nationaloper Paris; Peter Theiler, Intendant der Semperoper Dresden; Eric Vigié, Direktor der Oper von Lausanne; und Christophe Ghristi, Künstlerischer Direktor des Théatre du Capitole und Hausherr sowie Gastgeber.

  1. Die Sänger und Sängerinnen

22 Sängerinnen und Sänger standen im Halbfinale, aus 13 Ländern, und zwar über alle Erdteile inklusive Afrika verteilt. Darunter befanden sich allein fünf Südkoreaner und fünf Franzosen. Des weiteren waren Venezuela, Brasilien, die Demokratische Republik Kongo, Japan, China, Australien, die USA, die Ukraine, die Schweiz, Belgien und Armenien vertreten. Bemerkenswert also, dass sich unter den Halbfinalisten, aus denen zehn Finalisten hervorgingen, keine Deutschen, Österreicher, Engländer, Spanier und Italiener befanden. Das lässt doch tief blicken in die Mängel der Nachwuchsförderung in diesen europäischen Ländern, in denen gerade die Oper eine so bedeutende Rolle im Kulturleben spielt, ja auch ihren Ursprung und ersten Entwicklungen erlebt hat. Übrigens hat noch nie ein Deutscher diesen Wettbewerb gewonnen.

  1. Das Halbfinale

Im Halbfinale fielen mir besonders Olga Syniakova mit einer Arie der Donna Elvira aus „Don Giovanni“ auf. Sie ließ einen leuchtenden Mezzo hören, mit guten Piani, einer charaktervollen Tiefe, Dramatik im Vortrag und dazu passender Mimik. Sie kam ins Finale.

Ebenso beeindruckte mich der Venezolaner Andrés Esteban Sulbarán Oicatá, Tenor, mit der Arie des Alfredo Germont aus „La traviata“ „Lunga da lei…“ mit lyrischem Timbre, guter Klangfülle und beeindruckender Höhe. Auch er kam ins Finale. Ich fand auch den Franzosen Julien Henric, Tenor, mit der Arie des Pylade aus „Iphigenie en Tauride“ von Gluck gut, mit einer klaren Barockstimme und einem bestens konturierten Tenor, allerdings etwas enger als Sulbarán Oicatá. Er kam nicht ins Finale. Sehr gut gefiel mir Maria Sardaryan aus Armenien mit der Arie der Linda aus „Linda di Chamonix“ „Oh tradai troppo…“ mit einer zwar etwas kleinen, aber wohl klingenden Stimme, ideal für Belcanto, bei guter Resonanz und Technik, und mit einer blendenden Höhe. Sie kam nicht ins Finale.

Jacob Scharfman aus den USA sang den Wolfram-Monolog aus „Tannhäuser“ und beeindruckte mit perfekter Diktion seines eher hellen Baritons bei guter Phrasierung. Er kam ins Finale.

Besonders sehens- und hörenswert war dann der Vortrag von Josy Santos aus Brasilien, mit einem charaktervollen, leuchtenden Mezzo und schönem Timbre sowie einer enormen stimmlichen Kraft. Für mich sofort eine der wahrscheinlichen Ersten. Sie kam natürlich ins Finale.

Blaise Malaba aus der Demokratischen Republik Kongo gefiel mir ebenfalls gut, denn er wartete mit einem kraftvollen Bass mit der Arie des Banco aus „Macbeth“ auf, „Studia il passo…“ Seine Stimme verfügt über viel Farbe, gute Tiefe wie ansprechende Höhe. Auch seine Piani konnten mich überzeugen. Er kam ins Finale.

  1. Das Finale

Mit Blaise Malaba begann auch das Finale am 7. September im Théatre du Capitole mit dem Orchestre nacional du Capitole unter der Leitung von Pierre Dumoussaud. Alle 10 Teilnehmer hatte zwei Arien zu singen. Bei guter Musikalität und Phrasierung des kantablen Basses von Malaba fiel mir nun bei beiden Vorträgen seine doch etwas begrenzte Resonanz auf.

Nach ihm machte Josy Santos mit der Arie zu „Lilias Pastias“ aus dem 2. Akt der „Carmen“ nicht nur die darstellerische Show einer brasilianischen Carmen, sondern überzeugte auch mit erstklassiger Technik, einem guten Stimmansatz und perfekter Diktion. Im Rahmen eines facettenreiches Vortrags zeigte sie im zweiten Vortrag gute Attacke und einnehmende Mimik sowie eine Superhöhe. Für mich eine der besten!

Jacob Scharfman folgte wieder mit dem Wolfram-Monolog, und es wurde nun klar, dass er keine Wagnerstimme hat. Dafür fehlt es bei zwar sehr guter Diktion doch an Tiefe und auch Volumen. Sie ist eher und wohl sehr gut für das italienische und französichen Fach geeignet. Ich sprach mit ihm beim anschließenden Empfang, und er sah das genauso.

Dann kann Andrés Esteban Sulbarán Oicatá aus Venezuela mit seinem hoch ansetzenden Tenor bei gutem baritonalem Unterbau, bester Diktion und schöner klangvoller Höhe, bei der er auch noch ansprechende Attacke zeigte. Mit der zweiten Arie des Romeo konnte er sehr überzeugen. Seine Stimme erschien mir allerdings doch etwas klein.

Olga Syniakova folgte mit zwei großartigen Arien, in denen sie sowohl eine gute Tiefe wie auch eine Superhöhe offenbarte. Hinzu kommt eine voluminöser und ausdrucksvoller Klang ihres Mezzo bei sehr guter emotionaler Darstellung und viel Resonanz. Im zweiten Teil legte sie auch eine gute Attacke an den Tag. Für mich ebenfalls eine der Ersten bei den Damen!

Der Franzose Valentin Thill folgte bei offenbar großer Musikalität mit einem verklärten Vortrag und weichem Tonansatz, mit schönem Timbre und guter Höhe. Seine Stimme erscheint mir bestens geeignet für das französische Fach. Im zweiten Teil konnte er auch die Leuchtkraft seines Tenors als Lenski aus „Eugen und Onegin“ ebenso wie eine beeindruckende Tiefe bei „Olga!“ unter Beweis stellen, und dabei ist sein Tenor schön baritonal unterlegt. Für mich bei den Männern einer der Ersten!

Der Bariton Daeho Kim aus Südkorea sang seinen ersten Vortrag etwas blass und mit steifer Haltung, mit einem jedoch sehr kraftvollen Bariton. Kim verfügt über eine raumfüllende Stimme für die Bühne. Im zweiten Vortrag ging es mit der Emotionalität und Mimik bedeutend besser, und es zeigte sich auch eine gute Diktion.

Die Australierin Anna Dowsley kam dann mit starkem Ausdruck ihres schön timbrierten Mezzos, mit viel Charakter, ebenso guter Tiefe wie Höhe und bester Diktion. Ihre Charlotte-Arie aus „Werther“ im zweiten Teil sang sie gefühlvoll und überzeugend emotional. Hier kam auch ein beeindruckendes Piano auf „Tout seule“, aber dann auch wieder eine große Attacke. Für mich eine der Ersten bei den Damen.

Lotte Verstaen folgte mit einem kräftigen und klangvollen Mezzo sowie einem äußerst sympathischen Vortrag des Orlofsky aus der „Fledermaus“ im zweiten Teil, beide mit großer mimischer Souveränität gesungen und dargestellt. Dennoch nicht auf meiner short list.

Zum Schluss kam die fulminant auftretende Schweizerin Marie Lys mit einer zwar relativ leichten Stimme aber enormer Koloraturkunst und blendenden Höhen bei bester Diktion. Sie beeindruckte auch durch feine Technik und Stimmführung. Ihre Conigonde aus „Candide“ von Bernstein hatte es in sich. Man hörte schon die Königin der Nacht! Mit beiden Vorträgen bestätigte sie meinen Eindruck, ganz weit nach vorn zu kommen.

  1. Die Entscheidungen

Sechs der zehn Finalisten wurden von der Jury ausgezeichnet:

Erster Hauptpreis

Frauenstimme: nicht vergeben

Männerstimme: Andrés Esteban SULBARÁN OICATÁ – Tenor – geb. 10.10.90 – Venezuela


Sieger bei den Herren: Tenor Andrés Esteban Sulbarán Oicatá. Foto: Frédéric Maligne

Preisgeld: 5000 €

Zweiter Hauptpreis


Die Brasilianerin Josy Santos aus Sao Paulo. Hauptpreis bei den Damen. Foto: Frédéric Maligne

Frauenstimme: Josy SANTOS – Mezzosopran – Brasilien – geb. 18.09.88

Männerstimme: Valentin THILL – Tenor – Frankreich – geb. 13.10.93

Preisgeld: 3000 €

 Dritter Preis

Frauenstimme (ex-aequo):


Anna Dowsley. Foto: Frédéric Maligne

Anna DOWSLEY – Mezzosopran – Australien – geboren am 17.09.1987

Lotte VERSTAEN – Mezzosopran – Belgien – geboren am 20.04.96

Männerstimme: Daeho KIM – Bariton – Südkorea – geboren am 25/01/88

Preisgeld 1000 €

Am Ende des Finales wurde das Publikum aufgefordert, für die Vergabe eines „Publikumspreises“ zu stimmen. Dieser ging an Marie LYS – Sopran – Schweiz – geb. 24/06/88

Abschließend ist festzuhalten, dass der 52. Concours International de Chant sich durch ein sehr hohes Niveau der Semifinalisten und Finalisten auszeichnete, von denen bei richtigem Management und harter Arbeit bei behutsamer Entwicklung der Stimme sicher einige weit kommen können. Ich wünsche ihnen dazu alles Gute!                                    

Klaus Billand

 

 

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