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Tomasz KONIECZNY im Gespräch mit dem Staatsoperndirektor /Studiobühne Walfischgasse

28.04.2018 | Sänger


Tomasz Konieczny, Dominique Meyer: Foto: Klaus Billand

WIEN/Agrana Studiobühne Walfischgasse : KÜNSTLERGESPRÄCH  TOMASZ  KONIECZNY am 25. April 2018

Gleich zu Beginn fragt Staatsoperndirektor Dominique Meyer den polnischen Bassbariton Thomasz Konieczny auf der Agrana Studiobühne, ob er denn wisse, wie viel Mal er bereits an der Staatsoper aufgetreten sei. Meyer bestätigt 150 Auftritte  und meint dazu, das würde schon für die Einreichung des Antrags auf den Kammersänger-Titel reichen. Dann konzertiert man sich lange auf das Thema „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner, in dessen Wiener Version der Sänger bekanntlich zuletzt immer wieder den Wotan gegeben hat. Zunächst überrascht Meyer hier aber mit der Ansage, dass der Wotan auch den Gunther („Götterdämmerung“) singen sollte und er sich Konieczny in dieser Partie gut vorstellen könne. Der Gunther war übrigens dessen erste Rolle im „Ring“, und zwar in einer konzertanten Version. Dominique Meyer hält den Gunther für das Gegenteil des Wotan, der vor allem durch seine „starke Persönlichkeit“ auffalle.

Man kommt sodann auf das erfolgreiche Gastspiel der Wiener Staatsoper in Japan zu sprechen, in dem Konieczny auch den Wotan sang, immerhin in drei „Walküre“-Aufführungen hintereinander. Zwar ist der Sänger auch als Alberich erfolgreich. Er hat aber noch vor dem Alberich mit dem Wotan bei Ádám Fischer in Mannheim angefangen. Es wurde seine Lieblingspartie wegen des ganzen Spektrums menschlicher Emotionen, aber auch in gewisser Weise als Intrigant in der Rolle des Wanderers im „Siegfried“. Den Alberich hatte Thomas Konieczny schon vor Wien unter Peter Scheider in Dresden gesungen, und er betont, dass er mit seinen Rollen bei jeder Reprise etwas Neues hinzu lerne. Er berichtet weiter, dass er mit den größten Partien immer eingesprungen sei – „Entweder das oder gar nicht!“ Konieczny „und meine Stimme“ wollten aber nicht immer nur die Bösewichte singen. In Wien habe der Staatsoperndirektor schließlich den Wechsel von Alberich zu Wotan zugelassen, der dazu betont, dass man den Sänger in Wien sehr liebe, gerade auch seine Persönlichkeit als Alberich. Meyer meinte dazu ferner, dass es schwer sei, heutzutage einen guten Alberich zu bekommen, und Konieczny ergänzt, dass gerade der „Rheingold“-Alberich eine enorme Herausforderung für den Sänger darstelle. Zwar muss der Telramund technisch gut gestaltet werden, aber man kann ihn „mit Distanz“ machen, und das nimmt dann die Stimme nicht so sehr in Anspruch.

Aber zurück zum Wotan, und man könnte dieses Künstlergespräch fast als ein Alberich-Wotan-Interview bezeichnen. Konieczny meint, dass, wie der „Walküre“-Wotan singt, und um den geht es nun in erster Linie, auch davon abgehängt, wie die Partnerin spielt und singt. Es kann durchaus sein, dass man einmal Angst bekomme und man nicht mehr singen kann; einmal hat er bereits noch vor Wotans Abschied geweint! „Das ist die Magie des Theaters, aber das muss nicht unbedingt auf das Publikum abstrahlen.“ Es gibt so etwas wie eine „Geheimnisvolle Geschichte des Wotan.“  Er muss in bestimmten Momenten sehr tief singen, in anderen wieder sehr hoch. So ist beispielsweise die Szene mit den Walküren vom stimmlichen Anspruch her mit dem Telramund vergleichbar. Konieczny hält den „Rheingold“-Wotan mit seinen kurzen Phrasen für ein Basso cantante. Das sollte möglichst langsam dirigiert werden. Der „Walküre“-Wotan umfasst alle stimmlichen Möglichkeiten und sollte ein Bassbariton sein. Der Wanderer im „Siegfried“ ist fast wie ein Rigoletto! Es sind also für diese Rolle verschiedene Stimmen gefragt, und das zeigt, dass Wagner die Kraftanforderungen des Wotan einzuteilen wusste.

Für den letzten „Ring“ in Wien gab es keine Orchesterprobe. Konieczny sagte aber, dass es für die SängerInnen noch schwieriger sein kann, wenn eine Orchesterprobe abgehalten wird, weil man dann teilweise, oder je nach Anforderung des Dirigenten, auch durchgängig aussingen muss. Das bringt Dominique Meyer sinngemäß zu folgendem bedeutsamen Statement: Vieles hier in Wien sei selbstverständlich. Dass man also den „Ring“, den „Liebestrank“, den „Barbier von Sevilla“ und andere Werke ohne Orchesterprobe machen kann. Aber Orchesterproben hätten auch nicht immer den ersehnten Effekt. Einen Dirigenten wie Christian Thielemann zu holen, ohne Orchesterproben zu machen, sei (für diesen wohl…) eine „Zumutung.“ Man arrangierte durch gewisse Umstellungen dann  sieben Orchsterproben und Thielemann teilte die gewünschten Probeneinheiten selbst ein. Es sei ein „Muster an Vorbereitung“ gewesen. Das sei im Falle Thielemanns auch verständlich, weil er „eine persönliche Sicht auf das Objekt „Ring“ habe. Aber trifft das nicht auch auf andere große Wagner-Dirigenten zu?! Konieczny ergänzt dazu, dass man bei Christian Thielemann ständig auf ihn schauen müsse, dann sei „alles in Ordnung“. Ádám Fischer hingegen müsse nicht ständig mit den Augen beobachtet werden. Und Peter Schneider sei ein fantastischer Begleiter.

Dann geht es mehr um den Werdegang Thomasz Koniecznys. Er hat in seinem ersten Beruf Schauspieler gelernt, und das ist bei seiner Aktion auf der Opernbühne immer wieder nachzuvollziehen. Er hatte schon als Kind einen Drang zum Theater und bastelte kleine Bühnenmodelle, wie z.B. eine Krippe mit sich drehenden Personen. Als Achtjähriger spielte er schon in der Schule im Theater und kannte schon mit Acht alle Theatervorstellungen in seiner Heimat Stadt Lodz. Damals wurde er einmal gar als Sopran eingestuft, dachte aber niemals daran, Sänger zu werden. Letztlich wollte er Regisseur werden, um so dem Theater nahe zu sein. Er konnte aber mit 18 nicht Regie studieren, da es nur wenige Studienplätze gab und diese bereits vergeben waren. So entschied er sich, Schauspieler zu werden, wobei es 20 Bewerber auf einen Studienplatz gab. Das Schlimmste bei der Aufnahmeprüfung war für ihn ausgerechnet das Fach Gesang. Er hat ein polnisches Volkslied gesungen und erregte damit unter den Prüfern offenbar Aufsehen. Immerhin hatte er schon mit sechs Jahren begonnen, Klavier zu spielen, konnte also Musik lesen. Man schlug ihm sodann vor, die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule zu machen, wo er alle Fächer  mit „sehr gut“ bestand. Das führte dazu, Gesang neben dem Schauspiel zu studieren, und mit 18 bis 20 Jahren war Thomasz Konieczny mit seinen musikalischen Freunden mit Hollywood Songs unterwegs.

Mit 24 bewarb er sich für ein Musikstipendium an der Musikhochschule Dresden, wo er anfing, Gesang intensiver zu studieren, nur um diese Option für sein Weiterkommen ausschließen zu können! Nach drei Monaten bekam er aber von der Oper Leipzig das Angebot, den Quetzal in der „Verkauften Braut“ zu singen. Nun hieß es, „Farbe zu bekennen“, und er bekannte sie! Nach dem Beginn Leipzig brachte ihm dann Ádám Fischer in Mannheim die Wagner-Partien bei. Er fing dort als Pimen an, sang Daland und König Marke. Zu diesem hat Konieczny ein ganz besonderes Verhältnis, denn er hält diese Figur für eine sehr „kompakte Person“ – „ein ganzes Leben passiert in diesen 20 Minuten!“ Und „Es ist berührend, was Wagner in diese Partie hineinschrieb.“ Mal von seinem Schwerpunkt Wagner abgehend würde ihn sehr das italienische Fach interessieren. Neben dem Scarpia, den er ja schön gesungen hat, wäre es ein besonderer Wunsch, den Macbeth und Rigoletto zu verkörpern. Pucchini liegt ihm ebenfalls gut, da er viel Ähnlichkeit mit Wagner und R. Strauss hat.

In den letzten 16 Monaten hatte Konieczny nichts in Wien zu tun und „fühlte sich wie bestraft.“ Er war unterdessen in Toronto, Tokio, München und anderen Häusern unterwegs und freute sich ungemein, als Direktor Meyer ihn wieder für den Wotan und dann auch für den Pizarro einlud. Als Nächstes sind in München „Die Gezeichneten“ von Schreker geplant und dann „eine unbekannte Oper von Schubert“ an der Mailänder Scala, „Fierrabras“. Das will er gern machen. Nach der Scala kommt im Sommer in Bayreuth der Telramund in der diesjährigen Neuinszenierung unter Thielemann. Er sei dann der erste Pole, der dort in einer der Hauptpartien singen wird. Ein interessantes Detail am Schluss: „Wussten Sie schon, welchen Hof tanz Wagner im Finale des „Rheingold“ als Göttertanz geschrieben hat?! Es ist eine Polonaise! Mit dieser ziehen die Götter nach Walhall ein…“

Abschließend meint Dominique Meyer, man solle im Falle Konieczny von der Alberich-„Schublade“ weg kommen. Er sei nicht nur ein Wotan-Liebling in Wien geworden, sondern dem Haus auch sehr treu (Alberich aus der „Götterdämmerung“ lässt nun doch schon wieder grüßen…) und ein Sänger mit guter Stimme, viel Einsatz, Herz und Gehirn – „dann kann er auch polnisch sein, das geht auch!“ meint Meyer. (Allgemeine Erheiterung).

Es war zu bedauern, dass dem Publikum nach nur weniger als einer Stunde Gesprächs-Dauer keine Möglichkeit geboten wurde, wenigstens ein paar Fragen an den Sänger zu stellen, oder Kommentare zu machen. Ein Künstlergespräch sollte durchaus nicht ein Dialog sein, wenn es um die Wirkung eines Sängers in seinem Beruf geht – denn diese bezieht sich letztlich immer auf das – ebenfalls oft sehr treue – Publikum…

Klaus Billand

 

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