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TODESFÄLLE – STAND AUGUST 2019

04.08.2019 | Todestage

TODESFÄLLE – STAND AUGUST 2019

Zusammenstellung der Liste: Walter Nowotny

Boguslaw SCHAEFFER ist am 1.7.2019 in Salzburg verstorben

 Geboren am 6. Juni 1929 in Lemberg; er studierte zunächst in Opole Violine, später an der Staatlichen Musikhochschule Krakau Komposition bei Artur Malawski. Bis 1953 studierte er an der Jagiellonen-Universität Musiktheorie bei Zdzislaw Jachimecki. 1952-57 war er Musikredakteur beim Polnischen Rundfunk in Krakau, danach unterrichtete er 1954-58 an der Jagiellonen-Universität Musikwissenschaft. 1963-98 war Schaeffer Lehrer, ab 1989 Professor für Komposition an der Musikhochschule Krakau. Daneben gab er 1967-73 die Zeitschrift Forum Musicum heraus. 1986 erhielt er eine Gastprofessur, 1989 eine ordentliche Professur am Mozarteum in Salzburg, die er bis 2002 innehatte. Neben mehr als 400 Kompositionen verfasste Schaeffer auch Bücher zur Musiktheorie und -geschichte des 20. Jahrhunderts sowie etwa dreißig Theaterstücke.

 

Michael COLGRASS ist am 2.7.2019 in Toronto verstorben

 Geboren am 22. April 1932 in Chicago; er sammelte 1944-49 erste professionelle musikalische Erfahrungen als Jazz-Schlagzeuger. 1954 schloss er ein Studium an der University of Illinois ab, das auch Kurse bei Darius Milhaud (Aspen Festival) und Lukas Foss (Tanglewood) umfasste. Anschließend spielte er knapp zwei Jahre als Schlagzeuger des Seventh Army Symphony Orchestra in Stuttgart, dann für elf Jahre bei verschiedenen Ensembles in New York, darunter den New Yorker Philharmonikern, mit Dizzy Gillespie und mit dem Columbia Symphony Orchestra in der Aufnahmereihe Stravinsky Conducts Stravinsky. In diese Phase fielen weitere Kompositionsstudien bei Wallingford Riegger und Ben Weber, außerdem musikalische Zusammenarbeiten u. a. mit Gunther Schuller (Perceptions, 1961), Orchestra U.S.A., John Cage, Elliott Carter und Edgar Varèse, für die er die Perkussionistengruppe organisierte (und selbst mitspielte). Michael Colgrass, gefördert unter anderem durch zwei Guggenheim-Stipendien, erhielt Kompositionsaufträge zahlreicher, vorwiegend amerikanischer Orchester und Ensembles, darunter den New Yorker Philharmonikern und dem Boston Symphony Orchestra. 1978 gewann er mit der Komposition Déjà vu für Schlagzeug und Orchester den Pulitzer Prize of Music. Der später in Toronto anässige Michael Colgrass war auch musikpädagogisch aktiv. 2010 erschienen seine autobiographischen Erinnerungen Adventures of an American Composer. Das kompositorische Werk von Colgrass umfasst Bühnenwerke (darunter Virgil’s Dream, 1967), Vokalwerke und Instrumentalwerke unterschiedlicher Besetzung, vielfach mit Schlagzeug, bei deren Uraufführungen er teils selbst als Solist mitwirkte. Die in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren entstandenen Kompositionen nutzen serielle Techniken, beeinflusst durch seine Lehrer Riegger und Weber. Mitte der 1960er-Jahre löste sich Colgrass vom Serialismus. Viele seiner Werke zeigen Einflüsse des Jazz, in späteren Arbeiten dient auch musikalisches Material früherer Komponisten als Ausgangspunkt für thematische Verarbeitungen, etwa in den Orchesterwerken Letter from Mozart (1976) und The Schubert Birds (1989).

 

William DOOLEY ist am 2.7.2019 verstorben


Als Figaro-Graf an der Met

 Geboren am 9. September 1932 in Modesto (Kalifornien); 1950-54 studierte er an der Eastman School of Music in Rochester bei Lucy Lee Callund und kam dann für zwei Jahre als Soldat nach München. Hier wurde er Schüler der Pädagoginnen Viktoria Prestel und Hedwig Fichtmüller. 1957 debütierte er am Stadttheater von Heidelberg als Posa im »Don Carlos« von Verdi, begann dabei aber gleichzeitig eine erfolgreiche Karriere als Konzert- und Liedersänger. 1959-62 war er am Stadttheater von Bielefeld engagiert. 1962 folgte er einem Ruf an die Deutsche Oper Berlin, an der seine Karriere den Höhepunkt erreichte, und wo er eine Vielzahl von großen Baritonpartien sang. 1964 wirkte er bei den Festspielen von Salzburg als Titelheld in »Lucio Silla« von Mozart, 1966 als Escamillo in »Carmen« und am 6.8.1966 in der Uraufführung der Oper »Die Bassariden« von H.W. Henze (als Hauptmann und Adonis) mit. 1964 wurde er Mitglied der Metropolitan Oper New York (Debüt als Titelheld im »Eugen Onegin« von Tschaikowsky). Er blieb an diesem Haus während 14 Spielzeiten engagiert und trat dort bis 1977 in 26 verschiedenen Partien in insgesamt 188 Vorstellungen auf:  als Heerrufer und als Telramund im »Lohengrin«, in den vier dämonischen Rollen in »Hoffmanns Erzählungen«, als Graf in »Le nozze di Figaro«, als Jochanaan in »Salome« von R. Strauss, in der Titelrolle von A. Bergs »Wozzeck«, als Mandryka in »Arabella« von R. Strauss, als Großinquisitor im »Don Carlos« von Verdi, als Don Pizarro im »Fidelio«, als Geisterbote in der »Frau ohne Schatten« von R. Strauss, als Orest in »Elektra« von R. Strauss, als Escamillo, als Scarpia in »Tosca«, als Sprecher in der »Zauberflöte«, als Fliegender Holländer, als Amonasro in »Aida«, als Musiklehrer in »Ariadne auf Naxos« von R. Strauss, als Amfortas im »Parsifal«, als Kurwenal in »Tristan und Isolde«, als Faninal im »Rosenkavalier«, als Gunther in der »Götterdämmerung«, als Rangoni in »Boris Godunow«, als Donner im »Rheingold« und als Marquis de la Force in »Dialogues des Carmélites« von Fr. Poulenc. In Europa wie in Nordamerika setzte er seine große Karriere als Konzertsänger fort. Seit 1967 trat er oft an der Königlichen Oper Kopenhagen auf. 1977-82 gastierte er in insgesamt 19 Vorstellungen an der Staatsoper von Wien (als Amfortas, als Sprecher in der »Zauberflöte«, als Jochanaan, als Kurwenal, als Faninal, als Don Pizarro und als Fliegender Holländer). Er sang in zahlreichen Uraufführungen zeitgenössischer Opernwerke: 1963 an der Deutschen Oper Berlin in der »Orestie« von Darius Milhaud (den Apollo) und 1964 in »Cortez« von Roger Sessions (den Montezuma), 1965 in »Der Traum des Liu-Tung« von Isang Yun (Uraufführung in der Akademie der Künste Berlin), 1976 an der Deutschen Oper Berlin in »Der Tempelbrand« von Toshiro Mayuzumi, 1979 in Hamburg in »Jakob Lenz« von W. Rihm (den Oberlin), 1984 an der Deutschen Oper Berlin in A. Reimanns »Gespenstersonate«, 1989 in Los Angeles in »Los Alamos« von Marc Neikrug. 1987 gastierte er an der Deutschen Oper Berlin, 1991 an der Oper von Santa Fé als Tiresias in »Oedipus« von W. Rihm. Weitere Bühnenpartien: Kothner in »Die Meistersinger von Nürnberg«, Macbeth von Verdi, Dr. Schön in »Lulu« von A. Berg, Baron d´Houdoux in »Neues vom Tage« von P. Hindemith, Gorjantschikow in Janáceks »Aus einem Totenhaus«, Nick Shadow in »The Rake´s Progress« von Strawinsky, Major Mary in »Die Soldaten« von B.A. Zimmermann.

Auf RCA sang er den Telramund in einer vollständigen Aufnahme des »Lohengrin«, auf Harmonia mundi in »Jakob Lenz« von Wolfgang Rihm.

 

William Benjamin RAY ist am 3.7.2019 in Baltimore (Maryland) verstorben

 Geboren am 10. April 1925 in Lexington (Kentucky); er sollte nach dem Wunsch der Familie eigentlich Rechtsanwalt werden, besuchte aber stattdessen ein Konservatorium und nahm nebenher auch noch Schauspielunterricht. Aufgrund des allgegenwärtigen Rassismus in den Vereinigten Staaten der 1950er Jahre ist er frühzeitig einer Einladung eines Talentsuchers, der ihn an einem Theater in Cleveland singen hörte, nach Europa gegangen. Bald gelang es ihm nach seinem Debüt als Amonasro in einer Aufführung von Verdis Aida unter der Leitung von Georg Solti Verpflichtungen an bedeutenden Opernbühnen (Wien, Hamburg, Mailand, London, Brüssel, Frankfurt am Main sowie am Cuvilliès-Theater in München) zu erlangen und wurde auch als Schauspieler verpflichtet. In deutschen Fernsehspielen der 1960er und frühen 1970er Jahren wurde der farbige Sänger immer dann eingesetzt, wenn es galt, Schwarze und „Exoten“ zu besetzen. Während seiner Jahre in Deutschland lebte Ray in Leonberg bei Stuttgart. 1982 kehrte er in die USA zurück, um ab dem September desselben Jahres am Peabody Conservatory of Music der John Hopkins University in Baltimore zu unterrichten. 1992 zog er sich zurück, wurde aber sogleich von der Howard University gebeten, dort weiter zu unterrichten. Bis zu seinem endgültigen Rückzug 2002 leitete Ray die dortige Stimmabteilung 2007 wurde William Ray von der National-Opera-Associations-Einrichtung „Lift Every Voice“ mit dem Legacy Award ausgezeichnet, ein Preis, mit dem die künstlerischen Beiträge schwarzer US-Amerikaner im Opernsektor gewürdigt werden sollen. 2009 erhielt der Sänger schließlich Arts Council of Anne Arundel County (Maryland) den Annie Award im Bereich Performing Arts. Der mit einer Sängerin verheiratete William Ray hatte zwei Söhne.

 

Siegfried STROHBACH ist am 11.7.2019 in Hannover verstorben

 Geboren am 27. November 1929 in Schirgiswalde (Oberlausitz); er galt in seinem Heimatstädtchen schon als Dreijähriger mit seiner Ziehharmonika als „musikalisches Wunderkind“. Mit fünf Jahren erhielt er den ersten professionellen Klavierunterricht. Von 1939 bis Kriegsende 1945 war er Schüler des Musischen Gymnasiums in Frankfurt am Main zunächst mit dem Hauptfach Klavier, später erhielt er auch Kompositionsunterricht bei Kurt Thomas. Nach dem Kriege setzte er sein Studium privat fort: Komposition und Dirigieren bei Kurt Thomas. Klavier bei August Leopolder. 1947-49 arbeitete er als Korrepetitor an den Städtischen Bühnen in Frankfurt. 1949 übersiedelte er nach Hannover und studierte dort Gesang bei Paul Gümmer. Als Chorleiter übernahm er mehrere Laienchöre in und um Hannover. In diese Zeit fallen auch seine ersten Kompositionserfolge, (Uraufführung der Kammeroper Die Wette, Fünf Trinklieder nach alten Texten, Marmottenlieder, geistliche Chormusik, Sololieder und Klaviermusik,) wodurch erste Kontakte zu Verlagen entstanden (Breitkopf & Härtel). 1951-53 war er als Schauspielkapellmeister am Niedersächsischen Staatstheater Hannover tätig. 1953 gründete er den „Propsteichor Hannover“, noch im selben Jahr auch das „Collegium Cantorum Hannover“, ein halbprofessionelles Ensemble, das durch viele Rundfunksendungen und Konzerte bekannt wurde, und das Strohbach bis 1982 leitete. 1953-66 unterrichtete er als Musiklehrer an der St.-Ursula-Schule in Hannover und war zugleich freier Mitarbeiter bei der Landesbühne Niedersachsen. In den Jahren 1951 bis 1993 entstanden so etwa 40 Schauspielmusiken. 1966 wurde er als Dozent für Tonsatz an die Hochschule für Musik und Theater Hannover berufen, wo er 1973 zum Professor ernannt wurde. Hier unterrichtete er bis zum Ruhestand 1994. Neben seiner Hochschultätigkeit war er Kapellmeister der Landesbühne Hannover, musikalischer Leiter bei den Festwochen „Musik und Theater in Herrenhausen“, mit Konzerten und Opernaufführungen (Monteverdi, Mozart, vor allem aber Händel). 1994 wurde er mit dem Niedersächsischen Kunstpreis ausgezeichnet. Bis 1996 konzertierte Siegfried Strohbach im In- und Ausland als Dirigent (Oper, Chor, Orchester). Als langjähriger Klavier- und Orgel-Begleiter des Mädchenchors Hannover bereiste er fast alle europäischen Länder, Japan und Brasilien. Als Cembalist im Kammermusikkreis Ferdinand Conrad konzertierte er u. a. in Südafrika. Ab 1996 widmete sich Strohbach nur noch seiner kompositorischen Arbeit. Sein umfangreiches Werkverzeichnis umfasst neben einer Kammeroper, Kammermusik und Sololiedern vor allem Chormusik aller Sparten und Größenordnungen, von geistlichen und weltlichen Kantaten mit großem Orchester, über Messen, Psalmvertonungen, Motetten, Chorliederzyklen, bis hin zu einfachen Volksliedsätzen.

 

Eberhard KUMMER ist am 12.7.2019 in Wien verstorben

 Geboren am 2. August 1940 in Krems an der Donau; er wurde als jüngstes von vier Kindern geboren. Sein Vater war Primarius am dortigen Spital, seine musikalisch begabte Mutter stammte aus einer Künstlerfamilie. 1966 an der Universität Wien zum Dr. jur. promoviert, war er 1976-89 Rektoratsdirektor der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, danach Ministerialrat im Wissenschaftsministerium. Parallel dazu entfaltete er als voll ausgebildeter Bassbariton eine vielseitige Konzerttätigkeit mit Liedgesang, Kantaten, Messen und Opern. Mit der Zeit spezialisierte er sich auf die Musik des Mittelalters, besonders auf Ependichtung und Lieddichtung aus dem oberdeutsch-österreichischen Kulturraum seit dem 12. Jahrhundert. Vor allem dadurch ist er international bekannt geworden. Bei seinen Auftritten begleitete er sich mit Drehleier, Schoßharfe oder Gitarre. In jüngster Zeit befasste er sich mit der musikalischen Wiedererweckung der Trossinger Leier. Die Beschäftigung mit diesem archaischen Instrument ist eine Folge seiner früheren Auseinandersetzung mit der Musik der Antike (Aufführung der kompletten Osyddee, antike Epen) und dient als Voraussetzung für seine zu erwartenden Interpretationen der Oden des Horaz. Eberhard Kummer trat in Europa, den USA und Afrika, bei Kongressen und wissenschaftlichen Veranstaltungen sowie an Universitäten auf. Kummer ist mehrfach in Radio- und Fernsehsendungen im ORF aufgetreten und sein Schaffen schlägt sich in einer umfangreichen Diskografie nieder. Eberhard Kummer – leidenschaftlicher Bergsteiger – war mit der Altistin Elisabeth Guy-Kummer verheiratet. Er hat vier erwachsene Kinder.

Neben Eberhard Kummers Schaffen als klassischer Lied- und Opernsänger gibt es in seinem Schaffen seit mehr als drei Jahrzehnten drei Schwerpunkte:

Interpretation des historischen Volkslieds in Österreich und Bayern: Bereits in den frühen 1970er-Jahren nahm Eberhard Kummer für den ORF (Radio Wien, Karl Grell) zahlreiche Werke aus den Kremser Alben und andere Wienerlieder auf, die in Wien kaum mehr rezipiert worden waren. 1975 erschienen die Alt-Wiener Volkslieder zunächst auf Langspielplatten, in der Folge auch auf CDs. Diese in Konzerten und Einspielungen präsentierten Vertonungen belebten die Volksmusik-Szene. Ferner beschäftigte sich Kummer mit volkstümlichen Balladen und Moritaten, die zum typischen Liedgut der Bordunmusik zählen. Er trug damit zur Wiederbelebung des Bänkelsanges und der Moritaten bei, wie sie im Wien des 18. und 19. Jahrhunderts weit verbreitet waren.

Drehleier-Renaissance: Die Wiedererweckung des Drehleierspiels beziehungsweise der Zentraleuropäischen Variante der Bordunmusik ist untrennbar mit dem Namen Eberhard Kummer verbunden. Ende der 1970er Jahre erhielt er durch Zufall eine (ungarische) Drehleier, ein Instrument, das um diese Zeit in Österreich fast vergessen war. Er begann sie zu spielen und als Begleitinstrument einzusetzen und eignete sich die französische Kurbeltechnik aus der Corrette-Schule an. Kummer war damals der erste in Österreich, der die Schnarre als rhythmusgebendes Element wieder einsetzte und den sogenannten Viererschlag beherrschte. Seine Technik inspirierte viele jüngere Musiker und seine Erfahrungen beeinflussten die Instrumentenbauer, zum Beispiel Arnold Lobisser, den Gründer der maßgeblichen Instrumentenbauschule in Hallstatt. Inzwischen gibt es in Österreich rund 300 Drehleierspieler.

Lieddichtung, höfische Reimpaar-Epik und Heldenepik aus dem hohen und späten Mittelalter: Diese Bereiche bilden einen besonderen Schwerpunkt Kummers. Versepik wurde und wird noch bis heute in vielen Kulturen singend vorgetragen, Überlieferungen im europäischen Raum reichen in die Antike zurück (Homer, Rhapsoden). Zu einem Zeitpunkt, da diese Praxis in Mitteleuropa nahezu ausgestorben war, begann Kummer, in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftern, historische Aufführungspraktiken für Sangversepik zu studieren und anzuwenden. So hat sich nach anfänglicher Skepsis und Desinteresse der Fachwissenschaften die Erkenntnis durchgesetzt, dass die alten Epen sich erst durch gesungene Interpretation voll erschließen. Die verwendeten Melodien sind teils überliefert, teils rekonstruierbar, etwa der Hildebrandston, den Kummer u. a. auf das Nibelungenlied und auf die Kudrun anwendet. Bei der ersten und einzigen kompletten Einspielung des gesamten Nibelungenliedes (2006, s. Diskografie) sang Kummer das Epos vor Publikum in fünf Konzerten zu je sechs Stunden. Ebenfalls vollständig dargeboten hat er das Laurin-Epos, sowie auszugsweise Michel Beheims Buch von den Wienern (ibid.) und die Kudrun. Beim Internationalen Mittelalter-Kongress in Kalamazoo, Mich./USA hat er 2008 die strophische Version des Epos von Herzog Ernst vollständig vorgetragen (demnächst auch als Video). Vergleichbare Aufführungen haben außer E. Kummer nur Reinhold Wiedenmann (deutschsprachige Literatur des Mittelalters) und Benjamin Bagby (altenglischer Beowulf) erbracht. Kummer adaptierte auch höfische Reimpaar-Epik für die musikalische Darbietung und hat u. a. Passagen aufgeführt aus dem Parzival des Wolfram von Eschnebach, dem Tristan des Gottfried von Straßburg sowie dem satirischen Epos Der Ring des Heinrich Wittenwiler aufgeführt und teilweise eingespielt. Zahlreich sind Kummers Einspielungen deutschsprachiger Lieder des Mittelalters und der Frühen Neuzeit; darunter sind Werke u. a. von dem Kürenberger, Walther von der Vogelweide, Neidhart, Mönch von Salzburg, Hugo von Montfort, Oswald von Wolkenstein, HansSachs. In jüngster Zeit befasste sich Kummer mit einem originalgetreuen Nachbau der Trossinger Leier und der musikalischen Wiedererweckung dieses Instrumentes.

Eberhard Kummer als Lehrer: Kummer hat bei zahlreichen Lehrveranstaltungen an Universitäten Österreichs (Universitäten Salzburg und Graz) sowie vieler anderer Länder innerhalb und außerhalb Europas mitgewirkt. Seit 2006 hielt er in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Ältere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bamberg Seminare zur Aufführung mittelalterlicher Lieder. Im Sommersemester 2008 widmete er sich zusammen mit S. Hartmann (Universität Würzburg) der Lieddichtung Oswalds von Wolkenstein. Im Wintersemester 2008/09 stand das Oeuvre Neidharts im Mittelpunkt. Auch an Schulen in Österreich (u. a. durch den Kulturservice Tirol bereits seit 27 Jahren durchgehend), in Deutschland und in Südtirol brachte er Kindern und Jugendlichen altes Lied- und Epengut mit Harfe und Drehleier nahe. Seit Beginn der 1980er Jahre führte Kummer zahlreiche Kurse für das Drehleierspiel und das Singen zur Drehleier durch.

 Robert ORTH ist am 12.7.2019 in Libertyville (Illinois) verstorben


Als Don Alfonso

 Geboren am 21. Januar 1947 in Chicago; Biographie des amerikanischen Baritons auf Englisch: https://www.operanews.com/Opera_News_Magazine/2019/7/News/Robert_Orth,_72,_American_Baritone_Who_Championed_New_American_Operas,_has_Died.html

 

Joseph ROULEAU ist am 12.7.2019 in Montréal verstorben

 Geboren am 28. Februar 1929 in Matane (Quebec, Canada); zuerst Studium der Wirtschaftswissenschaften, dann Ausbildung der Stimme am Konservatorium von Montreal und bei Pauline Donalda. Weitere Studien bei Martial Singher in New York, bei Mario Basiola und Rachaele Mori in Mailand. 1955 fand sein Debüt in Montreal als König Philipp in Verdis »Don Carlos« statt. Er gastierte bereits 1956 an der Oper von New Orleans, nachdem er einen dort ausgeschriebenen Gesangwettbewerb gewonnen hatte. Der Künstler hatte seitdem eine erfolgreiche Karriere und unternahm weltweite Gastspielreisen. So sang er am Teatro Colón von Buenos Aires, an der Grand Opéra Paris (Debüt 1960 als Raimondo in »Lucia di Lammermoor«; bis 1975 u.a. Gurnemanz wie Titurel in »Parsifal«, Titelheld in Massenets »Don Quichotte«, Crespel in »Hoffmanns Erzählungen« und Abimelech in »Samson et Dalila« von Saint-Saens), am Théâtre de la Monnaie in Brüssel, an der Deutschen Oper Berlin, in Amsterdam, München, Budapest, Monte Carlo, Rom, bei den Festspielen von Aldeburgh und Edinburgh, am Bolschoi Theater Moskau, an den Opern von Leningrad und Kiew und am Grand Théâtre in Genf (1971 Oroveso in »Norma«). In Nordamerika war er in Boston, Chicago, an der New York City Opera und an den führenden kanadischen Theatern zu hören. Seit 1957 war er als ständiger Gast an der Londoner Covent Garden Oper verpflichtet, an der er in nahezu 1000 Vorstellungen aufgetreten ist. Hier wirkte er 1957 in der Premiere von »Les Troyens« von Berlioz mit, 1961 als Raimondo in »Lucia di Lammermoor«, 1965 als Fiesco in »Simon Boccanegra« von Verdi, 1979 in der Uraufführung der Oper »Therese« von John Tavener. 1967 sang er in Toronto in der Uraufführung der Oper »Louis Riel« von Harry Somers. 1962-77 gastierte er oft bei der Scottish Opera in Glasgow (Arkel in »Pelléas et Mélisande«, Mephisto im »Faust« von Gounod, Titelrolle in »Boris Godunow«, Narbal in »Les Troyens«, Komtur in »Don Giovanni«, Lodovico in Verdis »Otello« und Pogner in »Die Meistersinger von Nürnberg«). Ständig an französischen Opernhäusern zu Gast. Er unternahm drei Russland-Tourneen, bei denen die Kritik ihn mit dem unvergessenen Fedor Schaljapin verglich. 1984 debütierte er als Großinquisitor in Verdis »Don Carlos« an der Metropolitan Oper New York, an der er 1985 auch als Gremin in »Eugen Onegin« und als Ramfis in »Aida« auftrat. 1985 hörte man ihn an der Oper von New Orleans als Colline in »La Bohème«. Noch 1989 sang er in Vancouver den Trulove in »The Rake’s Progress« von Strawinsky, 1990 in Montreal in »Adriana Lecouvreur« von Cilea, in Philadelphia den Don Marco in »The Saint of Bleecker Street« von Menotti. Seine weiteren großen Partien waren der Sarastro in der »Zauberflöte«, der Mephisto in den Opern von Berlioz und Boito, der Dosifej in Mussorgskys »Chowanschtschina«, der Osmin in der »Entführung aus dem Serail« und der Daland in »Der fliegende Holländer«. Weitere Bühnenpartien: der Basilio im »Barbier von Sevilla«, der Conte Rodolfo in »La Sonnambula« von Bellini, der Sparafucile im »Rigoletto« und der Papst Clemens in »Benvenuto Cellini« von H. Berlioz. Neben seinem Wirken auf der Bühne auch im Konzertsaal und beim Tonfilm erfolgreich. Seinen Wohnsitz nahm er in der englischen Grafschaft Kent.  – Seine schwere, dunkle Bass-Stimme wurde durch ein eminentes Darstellungsvermögen vortrefflich ergänzt.

Schallplatten: Pathé-Marconi, Decca (»Semiramide« von Rossini, »Hamlet« von A. Thomas), HMV (Sullivan-Operette »Ruddigore«), Voce (»Don Carlos« von Verdi in französischer Sprache), HRE (»Lucia di Lammermoor« in der Rolle des Raimondo), BJR (»Marie-Magdeleine« von Massenet), Thorn-Video (Großinquisitor im »Don Carlos«).

 

Oskar LAGGER ist am 14.7.2019 in Sitten (Wallis) verstorben

 Geboren am 11. Februar 1934 in Münster (Wallis); er studierte an der Pariser Sorbonne Musikwissenschaft und bildete sich in Paris in den Fächern Komposition, Orgelspiel, Gesang (bei Fanny Malnory-Marseillac) und Déclamation lyrique (bei René Alix) aus. Weitere Studien bei Karl Strupp in Wien sowie in Meisterkursen bei Jakob Stämpfli und Paul Lohmann. In den Jahren 1962-86 war er Musiklehrer am Deutschen Lehrerseminar in Sion (Wallis) und zugleich Maître de Chapelle an der dortigen Kathedrale. 1968-71 war er Mitglied des »Ensemble Vocal de Lausanne«, seit 1972 Direktor des »Choeur Pro Arte« Sion. Seit 1972 unterrichtete er am Konservatorium von Sion, seit 1982 war er dessen Direktor. Neben dieser umfangreichen Tätigkeit wurde er als Konzertsolist bekannt. Als Oratorien- wie als Liedersänger kam er zu einer Karriere auf internationaler Ebene mit Auftritten in der Schweiz (Zürich, Bern, Lausanne, Genf, Neuchâtel, Sion), in Paris, Nizza und Tours, in Bordeaux, Lyon und Monte Carlo, in Wien, Innsbruck und Kassel, in Venedig und Mailand, in Johannesburg, Kapstadt und Pretoria.

Schallplatten: Evasion, Erato (Madrigale von Monteverdi).

 

Willy DIRTL ist am 17.7.2019 in Kitzbühel verstorben

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 Geboren am 4. März 1931 in Leopoldsdorf (Niederösterreich); er war 1954-70 Erster Solotänzer des Wiener Staatsopernballetts. 1992 wurde er zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt. Zwei Jahrzehnte war das Wiener Staatsopernballett geprägt vom Charisma der „Wiener Tanzlegende“ Willy Dirtl. International gesehen, konnte kaum ein anderer Tänzer seiner Generation ein derart weit gespanntes Rollenrepertoire aufweisen wie das „Naturtalent“ Willy Dirtl. Beispiel für seine Vielseitigkeit ist jene herausragende Premiere, die das Wiener Staatsopernballett im November 1955 anlässlich der Wiedereröffnung des Hauses am Ring darbot. In seiner unnachahmlichen Weise verkörperte Willy Dirtl an diesem Abend zweimal den tragischen Helden: Zum einen den Herzog Albrecht in Gordon Hamiltons Fassung des romantischen Balletts Giselle, zum anderen die Titelfigur in Erika Hankas Ausdrucksballett Der Mohr von Venedig. Nach Erika Hankas Tod konnten die Ballettchefs Dimitrije Parlić, Aurel von Milloss und Wazlaw Orlikowsky von Dirtls außerordentlichen Fähigkeiten künstlerisch profitieren. Willy Dirtl trat 1948 in das Staatsopernballett ein, bereits zwei Jahre später feierte er mit dem Prinzen in Der Feuervogel seinen Durchbruch. 1951 zum Solotänzer und schon drei Jahre später zum Ersten Solotänzer ernannt, begeisterte er sein Publikum mit einem Rollenrepertoire, in dem alle Facetten des Balletts seiner Zeit vertreten waren. Die Skala reichte von griechischen Helden bis zu Wiener Vorstadttypen. Genannt seien Jüngling in Das Rondo vom Goldenen Kalb, Goldener Sklave in Scheherazade, Daphnis in Daphnis und Chloe, Tiger in Abraxas, Titelrolle in Don Juan, Sedlmeier in Hotel Sacher, Joseph in Josephs Legende, Titelrolle in Joan von Zarissa, Can-Can-Tänzer in Der Zauberladen, Titelrolle in Geist der Rose, Titelrolle in Der wunderbare Mandarin, Perseus in Medusa, Odysseus in Homerische Symphonie, Mohr in Petruschka, Boas in Ruth, Tancred in Le Combat, Tybalt in Romeo und Julia, Mars und Uranus in Die Planeten, Titelrolle in Marsyas, Prinz Désiré in Dornröschen, Prometheus in Die Geschöpfe des Prometheus, Pulcinella in Salade, Müller in Der Dreispitz, Mensch in Einöde, Basil in Don Quixote und Titelrolle in Der Pagodenprinz. Lange Zeit Wunschkandidat Romola Nijinskis für die geplante Verfilmung des Lebens ihres Mannes Wazlaw Nijinski, trat Willy Dirtl später als Choreograph zahlreicher Spielfilme sowie des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker in Erscheinung. An der Seite von Werner Krauß agierte er in dem Fernsehfilm Das verräterische Herz. Ein Bühnenunfall zwang Willy Dirtl, 1970 seine Karriere zu beenden. Seinen Platz als einer der prominentesten Wiener Tänzer des 20. Jahrhunderts aber hatte er sich zu diesem Zeitpunkt längst gesichert.

 

Tom MARTINSEN ist am 17.7.2019 verstorben

 Geboren 1957 in Hamar; der norwegische Sänger sang bereits mit acht Jahren in einem Kinderchor. Nach seinem Abitur studierte er an der Musikhochschule in Oslo und an der Opernhochschule in Stockholm. Gesangsunterricht hatte er u.a. bei Nicolai Gedda, Tito Gobbi und Peter Pears. 1981 debütierte Tom Martinsen als Ferrando (»Così fan tutte«) an der Königlichen Oper in Stockholm. Nach ersten Engagements an den Opernhäusern in Stockholm (1981-85), Koblenz (1985-88) und Gelsenkirchen gab er 1991 sein Debüt an der Semperoper Dresden als Hoffmann in »Hoffmanns Erzählungen«. Zunächst als ständiger Gast und später als Mitglied des Solistenensembles der Semperoper trat er in zahlreichen Partien wie Narraboth (»Salome«), Basilio (»Le nozze di Figaro«), Walther von der Vogelweide (»Tannhäuser«), Erster Edler (»Lohengrin«), Ismaele (»Nabucco«), Willy der Prokurist (»Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny«), Howard Boucher in der Europäischen Erstaufführung »Dead Man Walking«, Tamino, Erster Geharnischter und Monostatos (»Die Zauberflöte«), Bob Boles (»Peter Grimes«), Mime (»Das Rheingold«), Lord Hamilton (»R. Hot bzw. Die Hitze«), Kavalier in »Cardillac« und Wolfgang in »Mathis der Maler« auf. Darüber hinaus gastierte er u.a. in Wiesbaden, München, Oslo, Lissabon, Chemnitz, Erfurt, Krefeld/Mönchengladbach und Bern sowie bei den Sommerfestspielen in Wien und Salzburg. Konzerte gab er u.a. mit der Stuttgarter Philharmonie, den Bamberger Symphonikern, den Istanbuler Symphonikern, der Tschechischen Philharmonie und der Dresdner Philharmonie. In der Saison 2013/14 war Tom Martinsen an der Semperoper u.a. in »Prinz Bussel« sowie als Ruger Aspeck in der Neuproduktion von Richard Straussʼ »Feuersnot« zu erleben. 2014/15 sang er u.a. in der Deutschen Erstaufführung von Peter Ronnefelds »Nachtausgabe« und übernahm Partien wie Besenbinder in der Neuinszenierung von Humperdincks »Königskinder«, Spoletta (»Tosca«) und Dancairo (»Carmen«). In der Spielzeit 2016/17 interpretierte er u.a. die Partien Schulmeister (»Das schlaue Füchslein«), Dr. Blind (»Die Fledermaus«) sowie Partien in »Salome«, »Doktor Faust«, »Die Passagierin«, »Lucia di Lammermoor«, »La forza del destino« und »Oedipus Rex«/»Il prigioniero«. Neben weiteren Rollen war Tom Martinsen in der Spielzeit 2018/19 auch in der Neuproduktion von »Satyricon« als Trimalchio zu erleben. Von seinen Bühnenpartien sind noch der Baron im »Wildschütz« von Lortzing, der Graf Almaviva im »Barbier von Sevilla« wie der Lindoro in »La Cenerentola« von Rossini, der Fenton in Verdis »Falstaff«, der Nemorino in »L‘Elisir d’amore«, der Rodolfo in Puccinis »La Bohème«, der Hans in Smetanas »Die verkaufte Braut« und der Fritz in »L‘Amico Fritz« von Mascagni zu nennen. 1998 sang er an der Staatsoper Dresden in szenischen Aufführungen des Oratoriums »Belsazar« von Händel die Titelrolle. 1999 hörte man ihn am Staatstheater von Kiel als Hoffmann in »Hoffmanns Erzählungen«. Er übernahm auch Rollen in zeitgenössischen Opern wie »Drömmen om Thérèse« von Werle, »Die beiden Fiedler« von Davis und »Siddharta« von Per Nørgaard. Er ist zu Beginn seiner Karriere auch unter dem Namen Tom Børge Martinsen aufgetreten.

Weitere Informationen auf seiner Homepage: http://tommartinsen.de/

 

Hartmut KLUG ist am 24.7.2019 verstorben

 Geboren am 9. September 1928 als Sohn eines Arztes und einer Violinistin im Dresdner Stadtteil Kleinzschachwitz; er beschäftigte sich von Kindheit an mit Musik und bildender Kunst. Ab dem neunten Lebensjahr besuchte er die Akademie für Musik, Theater und Tanz in Dresden. 1943 entschied er sich für eine musikalische Karriere. 1949 schloss Hartmut Klug sein Studium an der Musikhochschule Dresden als Pianist, Komponist und Dirigent ab. Während des Studiums lernte er die Dresdner Tänzerin und Tanzpädagogin Gret Palucca kennen, die ihn als Pianisten 1947–49 mit auf ihre Tournee durch alle Besatzungszonen Deutschlands nahm. 1950 war er freier Mitarbeiter des RIAS Berlin als Komponist, Arrangeur, Repetitor und Aufnahmeassistent. 1951 übernahm er die musikalische Leitung des Folkwang-Tnaztheaters Essen unter Kurt Jooss. Tourneen führten ihn durch Deutschland und Westeuropa. 1953 studierte er Kammermusik und Dirigat am Conservatoire de Paris und schloss mit der Auszeichnung „Premier Prix“ ab. 1954 war er mit dem Tanzpaar Alexander von Swaine – Lisa Czóbel auf Tournee durch Indien, Pakistan, Ceylon, Indonesien, Singapur und Hongkong, später auch durch Syrien, den Libanon und Iran. Unter Ballettmeister Erich Walter nahm Klug 1955 eine Stelle an den Wuppertaler Bühnen an. Bis 1969 war er zunächst als Repetitor und Dirigent tätig, dann als Studienleiter und Kapellmeister für Oper und Operette und als Schauspielkomponist. Ab 1968 leitete er die Opernschule des Bergischen Landeskonservatoriums. Das Konservatorium wurde 1972 in die Staatliche Hochschule für Musik Rheinland (Köln) eingegliedert, heute Hochschule für Musik und Tanz Köln. Von 1974 bis zu seiner Pensionierung 1991 war Klug dort als Professor tätig. Zu Hartmut Klugs umfangreichen Nebentätigkeiten gehören die Leitung von Jugend-Sinfonieorchestern, Laienorchestern, Zupforchesters, Chören und Kammermusikensembles. Ab 1968 war Klug Leiter des Orchestervereins Solingen, in den 1970er Jahren Leiter des Instrumental-Vereins Wuppertal, eines der ältesten deutschen Laienorchester. Von Oktober 1968 bis 1991 leitete Klug das traditionsreiche Zupforchester der Mandolinen-Konzertgesellschaft Wuppertal. Zupfmusik war ihm bis dahin weitgehend fremd gewesen, doch er führte schnell ein abwechslungsreiches Repertoire ein. Dazu gehörte auch Neue Musik wie Mauricio Kagels MUSI (Uraufführung 1972 im Kölner Funkhaus). Ebenso veranstaltete Klug mit dem Orchester eine Reihe von Kinderkonzerten („Sitzkissenkonzerte“). 1982 rief Klug die Coesfelder Orchestertage ins Leben, die er bis 2002 leitete, einen Schauplatz zahlreicher Uraufführungen. Von 2000 bis Mitte 2002 leitete er das Hessische Zupforchester (HZO). Von Mitte 1994 bis Mitte 2016 leitete er das Zupforchester Rheinland-Pfalz (ZORP). Beide Orchester sind Auswahlorchester des Bundes deutscher Zupfmusiker. Wegen seiner Verdienste um die Zupfmusik ernannte ihn der Bund deutscher Zupfmusiker 2003 zum Ehrenmitglied. Über einen Zeitraum von 30 Jahren hielt Klug allgemeinverständliche Vorträge an Volkshochschulen. Schon im Kindergarten entdeckte Hartmut Klug den Scherenschnitt. Er schnitt Motive aus Märchen und der volkstümlichen Kunst. Seit 2002 war er stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Scherenschnittvereins. Er war Mitglied der Europäischen Totentanzvereinigung, einer Gemeinschaft von Forschern, Künstlern und Sammlern, die sich mit dem Thema Totentanz beschäftigen. Klugs Scherenschnitte und Zeichnungen waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Hartmut Klug trat als Schnellzeichner vor Publikum auf, unter anderem als Moderator bei den Kinderkonzerten der Münchner Philharmoniker. Hartmut Klugs Bruder Heinrich Klug (* 1935) ist ebenfalls Musiker. Er war lange Jahre erster Solocellist der Münchner Philharmoniker.

 

Anner BYLSMA ist am 25.7.2019 in Amsterdam verstorben

 Geboren am 17. Februar 1934 in Den Haag; er hieß ursprünglich Anne Bijlsma. Da der weiblich klingende Vorname Anne oft zu Irritationen führte, nannte er sich später Anner. Der Nachname Bijlsma wird international zumeist Bylsma geschrieben. Diese Anpassung der Schreibweise war eine Entscheidung des Marketings, um dem englischsprachigen Publikum die Aussprache zu erleichtern. Anner Bylsma erhielt den ersten Cello-Unterricht von seinem Vater. Er studierte 1950-55 bei Carel van Boonkamp am Koninklijk Conservatorium Den Haag. Zwei Jahre nach Studienabschluss gewann er den Prix d’excellence. Ab dem Jahr 1958 war Anner Bylsma als Solocellist an der Nederlandse Opera in Amsterdam tätig. Im Folgejahr gewann er den Pablo-Casals-Wettbewerb in Mexico. Von 1962 an war er sechs Jahre lang Erster Cellist des Concertgebouw-Orchesters. Im Jahr 1970 wurde er Dozent an den Konservatorien von Amsterdam und Den Haag. Als Gastdozent war er außerdem der Berliner Hochschule der Künste, dem Conservatoire de Paris und der Juilliard School verbunden. Anner Bylsma war nach einer ersten Ehe mit Lucy van Dael mit der Violinistin Vera Beths verheiratet. Mit Vera Beths, dem Bratschisten Jürgen Kussmaul und – bei Bedarf – weiteren Musikern bildete er das Ensemble L’Archibudelli, das Streichermusik auf historischen Instrumenten aufführte. Eine Krankheit veranlasste Bylsma im Jahr 2005, das Cellospiel endgültig aufzugeben. Er gab auch danach noch Meisterkurse, so noch im Jahr 2014, als er 80 Jahre alt geworden war.

 

Wolfgang LENZ ist am 26.7.2019 in Eberhausen (Schäftlarn) verstorben

 Geboren am 29. Januar 1942 in Bonn; er studierte zunächst Volkswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Abschluss als Diplomvolkswirt. Danach begann er sein Gesangsstudium an der Münchner Musikhochschule bei Marianne Schech und Hans Hotter. Auf Schechs Betreiben hin, unterstützt durch Hermann Reutter erhielt er ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), das ihm ein Meisterstudium bei Tito Gobbi in Rom ermöglichte. Mit Gobbi blieb er bis zu dessen Tod in Verbindung und wurde unter gesangstechnischer Betreuung. Ergänzend studierte er außerdem bei Mario Del Monaco und Boris Christoff. Sein Opernbühnen-Debüt hatte Lenz zum Spielzeitbeginn 1977/78 am Theater St. Gallen mit der Partie des Jacopo Fiesco in Giuseppe Verdis Simon Boccanegra und wurde dort Ensemblemitglied. Er verkörperte u. a. die Rollen des Méphistophéles in Gounods Faust und in der Titelpartie von Verdis Attila, die eine seiner Glanzrollen wurde. Nach seinem Wechsel ans Staatstheater Darmstadt sang er dort den Grafen Almaviva in Figaros Hochzeit und die Titelrolle in Don Giovanni. Das feste Engagement in Darmstadt führte aber nicht zur Übertragung von sich anbietenden größeren Wunsch-Partien. Daher kündigte er seinen Vertrag und war als Gastsänger an zahlreichen Bühnen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien tätig. Sein Debüt als Heldenbariton mit der Titelpartie in Richard Wagners Der fliegende Holländer beim Festival dei Due Mondi in Spoleto unter der Leitung von Christian Badea wurde von der RAI als Film mitgeschnitten. Es folgten weitere Engagements in Bologna und Venedig. Hieran schloss sich eine Solistenkarriere an mit vor allem Basso cantante- und Heldenbariton-Partien mit Orchestern und Chören sowie auch Liedprogrammen mit Werken von u.a. Schubert, Schumann und Brahms. Ein sich anbahnendes Engagement an die Bayerische Staatsoper München, veranlasst durch Giuseppe Patané, kam durch dessen plötzlichen Tod nicht zustande. Lenz trat an zahlreichen renommierten Bühnen auf, darunter am Staatstheater Wiesbaden, an der Deutschen Oper am Rhein, an der Hamburgischen Staatsoper, an der Opéra national du Rhin, am Teatro Giuseppe Verdi (Triest), am Teatro La Fenice, am Teatro Comunale di Bologna, am Teatro dell’Opera di Roma und an der Israeli Opera Tel Aviv. Außerdem gastierte er bei Festivals wie dem Internationalen Festival von Santander in Spanien und dem Festival Sacra Musicale Umbra in Perugia. Er arbeitete dort mit internationalen Orchestern zusammen wie dem London Symphony Orchestra, dem Boston Symphony Orchestra, dem Detroit Symphony Orchestra, den Bamberger Symphonikern, dem Orchestre Philharmonique de Radio France, dem Gürzenich-Orchester Köln und Dirigenten wie u. a. Gerd Albrecht, Gabriel Chmura, Horst Stein, Antal Doráti, Hans Drewanz, Heinrich Hollreiser, Peter Maag, Lorin Maazel, Riccardo Muti, Giuseppe Patané, Zoltán Peskó und Ulf Schirmer. Gesundheitliche Gründe behinderten ab 2005 sein weiteres Wirken als Sänger, seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte er 2007 im Münchner Künstlerhaus mit Brahms‘ Vier erste Gesänge. Nach Beendigung seiner künstlerischen Laufbahn lebte er in Ebenhausen und sporadisch auch in Rom. Lenz verstarb 2019 als Spätfolge seiner Erkrankung.

 

Johann KRESNIK ist am 27.7.2019 in Klagenfurt verstorben

 Geboren am 12. Dezember 1939 in St. Margarethen (Kärnten) als Sohn eines Bergbauern; seine Mutter heiratete in zweiter Ehe einen Funktionär der steirischen KPÖ, in dessen Grazer Haus die Familie auch lebte. Auch er wurde Mitglied der KPÖ. Seine künstlerische Laufbahn begann Johann Kresnik in Graz, wo er parallel zu einer Werkzeugmacherlehre als Statist an den Vereinigten Bühnen arbeitete und eine Schauspiel- und Tanzausbildung begann. 1959 wurde Kresnik als Gruppentänzer in Graz und ab 1960 nach Bremen engagiert. 1962 ging er an die Bühnen der Stadt Köln, wo er 1964-68 als Solotänzer arbeitete. Aufgrund seiner tänzerischen Leistung durfte er bei George Balanchines New York City Ballet gastieren, als Balanchine seine Nussknacker-Choreographie in Köln einstudierte. Johann Kresnik starb im Alter von 79 Jahren an Herzversagen. Bereits im August 2008 hatte er der Akademie der Künste Berlin sein vierzig Jahre Tanzgeschichte umfassendes persönliches Archiv übertragen. 

Nach eigenen Angaben schien ihm das klassische Ballett aber nicht mehr zeitgemäß. Von Hause aus marxistisch vorgebildet, interessierte er sich vor allem für das radikale Schauspiel der Sechzigerjahre und versuchte, diese offeneren Formen auch auf die Tanzbühne zu bringen. 1967 choreografierte er sein erstes Stück, das sich mit einem Teilbereich seiner späteren Hauptthemen Wahnsinn, Wut, Grenzüberschreitung und Tod beschäftigt: eine Collage aus Texten von Patienten, die an Schizophrenie erkrankt sind: O sela pei. 1968 folgte Paradies? – hier thematisierte Kresnik u. a. das Attentat auf Rudi Dutschke. Im selben Jahr engagierte Kurt Hübner den knapp Dreißigjährigen als Ballettdirektor an das Bremer Theater, wo Kresnik seine Auseinandersetzung mit Imperialismus, Kriegshetze und Tagespolitik einerseits und der Suche nach der adäquaten Form – und einem geeigneten Tanzpersonal – andererseits fortsetzte. Es entstanden u. a. Kriegsanleitung für jedermann, PIGasUS (zusammen mit dem Lyriker Yaak Karsunke) und Schwanensee AG, sowie 1973 das Stück Traktate, wofür Kresnik erstmals die Bezeichnung „choreographisches Theater“ wählte. Er wechselte an das Theater der Stadt Heidelberg, wo er 1980 nach einem Libretto des bekannten Therapeuten Helm Stierlin das Stück Familiendialoge vorstellte. Es war Kresniks Abrechnung mit der Zeit des Nationalsozialismus und ihren späteren psychischen Auswirkungen. Kresnik selbst soll als Dreijähriger die Erschießung seines bei der Wehrmacht dienenden Vaters durch slowenische Partisanen erlebt haben. 1983 folgte Mars (1983), nach der Autobiographie des todkranken Millionärssohns mit dem Pseudonym Fritz Zorn, eine Inszenierung, die durch gewalttätige Bilder und monotone Energieausbrüche charakterisiert ist. Selbstmörder, Mörder, Opfer sind die Themen, die sich durch Kresniks Heidelberger Zeit ziehen. 1988 entstand Macbeth, 1990 Ulrike Meinhof. Im Februar 1992 wurde Frida Kahlo uraufgeführt, ein Stück über Leben und Werk der mexikanischen Malerin. Wendewut brachte Kresnik ein Jahr später auf die Bühne. Darin beschreibt er in Anlehnung an die gleichnamige Erzählung von Günter Gaus die Geschichte einer DDR-Mitläuferin, die im Deutschland der Wendezeit in ihrem Wunsch nach Anpassung an die bundesrepublikanische Gesellschaft scheitert. Mit Beginn der Spielzeit 1994/95 wechselte Johann Kresnik mit seinem Ensemble an die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Hier wurde im Dezember 1994 das choreografische Stück Ernst Jünger uraufgeführt, eine Anti-Kriegs-Revue, in der sich Kresnik kritisch mit dem militaristischen Gedankengut des hundertjährigen Autors auseinandersetzt. Im April 1995 schloss Kresnik seine Trilogie über Wegbereiter, Mitläufer und Begleiter des Nationalsozialismus ab. Nach Nietzsche und Ernst Jünger wählte er das Leben des Schauspielers, Regisseurs und Intendanten Gustaf Gründgens als Vorlage für ein Stück, das, in Koproduktion zwischen der Volksbühne und dem Deutschen Schauspielhaus, in Hamburg uraufgeführt wurde. 2003-08 leitete Johann Kresnik das „Choreografische Theater“ der Stadt Bonn. Mit Hannelore Kohl zeigte er im Dezember 2004 auf der Bühne der ehemaligen Bundeshauptstadt die Lebensgeschichte der Gattin des Bundeskanzlers a. D., Helmut Kohl. Hannelore Kohl ist darin zugleich Opfer und Täterin, die den Aufstieg ihres Ehemanns zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland unterstützt, aber die Auswirkungen der Macht psychisch und physisch nicht verkraftet, bis Spendenaffäre und Wahlniederlage ihres Mannes und ihre Krankheit sie in den Freitod treiben. Im Februar 2006 und im Jänner 2008 hatte Kresnik mit Der Ring des Nibelungen I: Das Rheingold/Die Walküre und Der Ring des Nibelungen II: Götterdämmerung / Siegfried seine beiden letzten Premieren in Bonn. Nach Bonn war er gelegentlich freischaffend als Choreograph und Regisseur für Oper und Schauspiel tätig. Auch sein Werk wirkte nach. Zuletzt wurde im Juli 2019 in Wien mit einer Neueinstudierung seines Balletts Macbeth aus dem Jahr 1988 das Tanzfestival ImPulsTanz eröffnet. Das 2011 gegründete Choreographische Zentrum in Kresniks Geburtsstadt Bleiburg ist nach dem Choreographen benannt. Das Choreographische Zentrum Bleiburg/Pliberk ist eine Plattform für zeitgenössischen Tanz in Kärnten und setzt sich mit dem Werk Kresniks auseinander. Johann Kresnik produzierte seine Stücke an zahlreichen Bühnen, häufig auch in enger Zusammenarbeit mit Librettisten, Komponisten und Bildenden Künstlern. Er gastierte zusammen mit seinem Ensemble bei bedeutenden Festivals in der ganzen Welt. Kresnik wurde mehrfach für seine künstlerische Arbeit ausgezeichnet: 1990 mit dem Theaterpreis Berlin und dem Deutschen Kritikerpreis, 1994 mit dem Berliner Bär (B.Z. Kultupreis), 2019 mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien. Mit seinen Inszenierungen Macbeth, Ulrike Meinhof, Frida Kahlo und Wendewut wurde Kresnik 1988, 1990, 1992 und 1993 jeweils zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

 

Harold PRINCE ist am 31.7.2019 in Reykjavik (Island) verstorben

 Geboren am 30. Januar 1928 in New York; er begann seine Broadwaykarriere als Assistent des legendären Broadwaystars George Abbott. 1962 begann er seine eigenen Shows zu produzieren und zu inszenieren, allerdings zunächst ohne größeren Erfolg. Er wollte schon seine Laufbahn beenden, als ihm 1966 mit Joe Masteroffs, John Kanders und Fre Ebbs Musical Cabaret der Durchbruch gelang. Die Inszenierung gewann acht Tony Awards und erlebte 1165 Vorstellungen bis 1969. Das neue Erfolgsteam Prince, Kander und Ebb versuchte 1968 gleich einen weiteren Erfolg mit dem Musical Zorba nach Alexis Sorbas von Nikos Kazantzakis nachzulegen. Der Erfolg von Cabaret war jedoch nur schwer zu übertreffen. Dennoch erhielt auch diese Inszenierung vier Tony Awards, und Harold Prince war endgültig ein Erfolgsgarant am Broadway. Bereits 1960 arbeitete Prince als Koproduzent mit Stephen Sondheim und Leonard Bernstein bei West Side Story zusammen. 1970 produzierte und inszenierte Prince Sondheims neues Stück Company. Die Produktion sollte sogar zwölf Tony Awards erhalten, und Sondheim wurde bis Anfang der 1980er Jahre der wichtigste Partner für Harold Prince. 1983 inszenierte er Puccinis Turandot an der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Lorin Maazel. Neben der Arbeit mit Sondheim inszenierte und produzierte Prince die Broadwayerfolge Evita und Phanton der Oper des englischen Erfolgskomponisten Andrew Llyod Webber. Harold Prince war verheiratet mit Judy Chaplin, Tochter von Saul Chaplin, einem legendären Broadwayregisseur. Ihre Tochter Daisy war Regisseurin und Sohn Charles ist Dirigent.

 

 

 

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