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Tim Theo Tinn‘s Einlassungen: „Plädoyer zur Kraft surrealer Inszenierungen“ Teil 3  

Pandemie: Misere mit Chancen? Visionen oder Empörung retour?

11.12.2020 | Themen Kultur

Tim Theo Tinn‘s Einlassungen: „Plädoyer zur Kraft surrealer Inszenierungen“ Teil 3  

Pandemie: Misere mit Chancen? Visionen oder Empörung retour?

Warum fordernde Zeiten nicht ertragen werden! Es wird nun mal so, wie es vorher nicht war! Relevanz surrealer Werkimmanenz!

  „Phantasmen möglicher Zukunft oder tagesaktueller Morast“?

Turn1

J.M.W. Turner: „Licht und Farbe – Der Morgen nach der Sintflut“

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse), Trash – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen.

Bebilderung und Reproduktion heutigen Alltags gem. Konsenswelt erscheint blödsinnig. So kann Theater keine Initialzündung geben, da die alltägliche Konsenswelt hinreichend bekannt ist und Inszenierungen sich so im alltäglichen Morast bewegen. Warum soll man sich im Theater mit einer unfertigen Welt im Alltagstrott beschäftigen, wenn doch die Möglichkeit zum Phantasma besteht. Theater nach TTT bedeutet Affekte und Assoziationen (nach Eisenstein). Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind und ästhetisch künstlerische Überhöhungen.

Weitergesponnener Faden von Verdis/Boitos Welttheater (Theatrum mundi) und Natur des Menschen (Conditio humana) nach Einlassungen zur Münchener Falstaff -Neuinszenierung.

(https://onlinemerker.com/muenchen-bayerische-staatsoper-falstaff-verdi-neuproduktion-stream/)

Bemängelt wurden unsubstantiierte Allerwelt-Themen in erdschwerer Konsenswelt unrelevanter Thematik, statt literaturwissenschaftlicher hochkomplexer Bedeutung zu folgen. Dem genialen Wurf zweier Koryphäen des Weltverständnisses im überbordenden Gleichnis kann bei simpelster dramaturgischer Sichtung nur eine über dem Alltag erhobene Deutung gerecht werden, da die tatsächliche Substanz über alle Zeiten und Individuen Gültigkeit hat und in aktueller Pandemie Bedeutung haben sollte.

Beschwerend kommt ein zermalmendes Schlussbild jenseits der Vorgabe dazu, indem die gesamte Bayerische Staatsoper sich als jammervolles Opfer aktueller Pandemie selbstmitleidig in Agonie bejammert.

 Zitat: „Falstaff“ von Verdi/Boito wird unterschlagen, Inszenierung bricht zusammen: Unisono – „Gejaule“ zur Covid 19 Pandemie. Schweigende Versammlung der Beteiligten auf der Bühne.“

 Fabio Luisi, hochqualifizierter Dirigent, nannte so etwas banal und billig.

Erschütternd sind auch Rezensionen der prominenten Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks.

SZ  3.12.  …beglückend Unerwartetes, … Finale ist … der stärkste Moment

BR 3.12. Das Beste kommt bekanntlich …zum Schluss, …. um zu zeigen, wie weh es tut, wenn die Kunst nicht mehr da ist. (Ja wo ist sie denn? Was hat denn die Rezensentin gesehen? Die Kunst ist da, ist immerdar, derzeit nur woanders! Nur derzeit?)

Das sind erstaunlich unbeleckte und kenntnisfreie Kommentare von Massenpublikationen. So erklärt sich deren schwindendes Publikum.

Erfreuliche theaterimmenente Sicht dagegen von Markus Hinterhäuser (Intendant Salzburger Festspiele): …“ohne vorauseilenden Pessimismus“, und nach Robert Musil „Wenn es einen Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann.“ D.h.: Dem Blick aus erdschwerer Gegenwart, Alltäglichkeit muss eine Aussicht jenseits, darüber entgegengesetzt werden. Das ist surreale Werkimmanenz.

Die Haltung der BSTO ist rückwärtsgewandt. Gem. Sandkastenspiel will man retour in postpandemische Saturiertheit. Vorwärtsgewandten Möglichkeitssinn (Visionen) verweigert man, aber: Es wird nun mal so, wie es vorher nicht gewesen ist! 

Aber in dieses „Horn stoßen“ derzeit Theater allerorten!

Dabei ist diese Verweigerung der Einsicht in fordernden Zeiten durchaus ein menschlicher Zug. Man glaubt zu verlieren, an Niederlage, nur weil man nicht gewinnen kann. Dabei ist das kein Naturgesetz!

Roberto Alagna (Tenor) am 12.12.2020 im Weltinterview:

„… und es wird immer schwerer: Agenten, Intendanten und Dirigenten brauchen Superlative …“

Antike Homer (Ilias): „Immer besser sein und andere übertreffen!“, olympische Devise schneller, höher, stärker (citius, altius, fortius) bestimmen das „moderne“ Leben und Ansprüche steigen fortwährend. Daran wurde bisher allgemein Leben, sein Wert und Qualität bemessen.

Das Ganze erinnert mal wieder an den Dunning-Kruger-Effekt: Warum sich Halbwissende für besonders klug halten! https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2020/06/dunning-kruger-effekt-warum-sich-halbwissende-fuer-besonders-klug-halten

Man glaubt also zu verlieren, wenn man nicht erhält, was man will. Chance auf dieses „Glück“ kontrolliert menschliche Überzeugungen. Demut mit entwickelten Fähigkeiten Umstände, Fehlschläge, Forderndes bewältigen zu können, profundes Verstehen/Transformieren von „Verlieren“, dynamisches Potenzial weicht beschämendem Jammern, trotziger Passivität. Flucht in fremde Medienwelten (Streamen) beschleunigt nur den Verderb tradierter Theaterstrukturen.

Turn2
„Sturz der Giganten“ G. Romano 1532/34 – extremer Illusionismus

„Gute Situation, schlechte Situation; schlechte Situation, gute Situation.“ Zen-Meister Seung Sahn: „Wenn alles gut läuft, sind wir oft tief in unserem Erfolg versunken und blenden den Rest der Realität, jeden und alles aus, was Vergnügen im Weg zu stehen droht. Furchtbarste Situationen im Leben können fruchtbarste Gelegenheiten sein, unser Verständnis für das Leben und Fähigkeiten Mitgefühl zu empfinden vertiefen!“

Somit untergräbt man zukünftige innovative Erfolge, Eröffnung neuer Kosmen und TTT’s Hoffnung auf ein

Verständnis für über der Welt stehende Theaterwelten. So wird nicht einmal Stagnation, sondern Rückschritt, Bankrotterklärung, Untergang eröffnet.

Aus dem Morast solch tradierter Schlussfolgerungen kann man hervortreten: in unserem Innersten sind wir in der Lage den Maßstab für „Erfolg“ anzupassen. Harmonisierung der Bedürfnispyramide zeichnet die Menschheit bei aller Prinzipienlosigkeit in der gesamten Evolution aus.

Verwandeln wir schlechte Begebenheiten, Situationen in ein Verständnis der menschlichen Natur in Mitgefühl, Klarheit: Conditio humana! Verletzlichkeit wird zur Stärke.

Das ist Verdi/Boitos-Falstaff-Blick auf unsere Existenz: authentischer Erfolg ist an unserer Menschlichkeit zu messen – („Tutti gabati“ – alles Gefoppte?)

Authentischer Erfolg liegt an der Qualität unserer Menschlichkeit, unserer Bewusstheit, nicht an Hochs und Tiefs, inneren und äußeren Ereignissen unseres Lebens.

Ist Versagen objektives Erleben oder nur die Distanz zwischen Wollen und Wirklichkeit?

Wollen wird von Sollen, Können etc. überholt, erstickt aber kein menschliches Sein. Abweichende Ergebnisse vom Erwarteten sind kein Versagen, sondern normal in komplexer universaler Welt.

Forderndes wie die aktuelle Pandemie verlangt Entgegnungen und Reaktion im Rahmen der Naturgesetze z. B. mit Möglichkeitssinn/Visionen. Falsch sind idealisierte und unrealistische Annahmen, aber auch Verharren im Weltgeschehen. Wenn man sich infantil in jammernde Hilflosigkeit begibt, ist man Täuschungen im Erdkreis erlegen.

Kann das im Theater anders als in über der Realität stehenden – surrealen – Inszenierungen verinnerlicht werden? Offensichtlich ist das noch unfassbarer Konsens, der real zum Gewinn autarker „Conditio humana“ werden wird.

TTT gibt zu: „Ich habe Surrealismus – Ansteckend? –  Hoffentlich! Anders als beim Fußballspiel erzielt man in der Kunst beim Abseitsspiel die meisten Treffer!“ Hoffentlich hat Dali (1904-89, surrealistischer Maler) damit Recht.

Übrigens: viele meiner Ahnungen vom April/Mai d.J. hier im Feuilleton sind eingetroffen und ich werde auch mit den Börsenkaspereien und Gelddruckerei Recht behalten!

Wir wissen, dass es Dinge gibt, die wir nicht wissen! Es geht was um die Welt!https://onlinemerker.com/tim-theo-tinn-ttt-eroertert-wir-wissen-dass-es-dinge-gibt-die-wir-nicht-wissen-es-geht-was-um-die-welt/

„Flieht Verstand zum „blöden Vieh“?  Pandemie: Theater und sonstige Universen!“  https://onlinemerker.com/tim-theo-tinn-ttt-eroertert-flieht-verstand-zum-bloeden-vieh-pandemie-theater-und-sonstige-universen/

Nun noch zu unwirklicher Realität im Advent (Ankunft). Die Kirche bezeichnet den Advent als eine Zeit „freudiger Erwartung“. Tatsächlich erleben wir diese Zeit als völlig verfremdete „Zuckerbäckerei“, die weit vom tatsächlichen Ursprung entfernt ist.

Ludwig Thoma schreib 1916 in tiefer persönlicher Krise die Weihnachtslegende „Heilige Nacht“ in Abkehr üblicher Verbrämtheit:

Heilige Nacht

So ward der Herr Jesus geboren
Im Stall bei der kalten Nacht.
Die Armen, die haben gefroren,
Den Reichen war’s warm gemacht.

Sein Vater ist Schreiner gewesen,
Die Mutter war eine Magd.
Sie haben kein Geld nicht besessen,
Sie haben sich wohl geplagt.

Kein Wirt hat ins Haus sie genommen;
Sie waren von Herzen froh,
Dass sie noch in Stall sind gekommen.
Sie legten das Kind auf Stroh.

Die Engel, die haben gesungen,
Dass wohl ein Wunder geschehn.
Da kamen die Hirten gesprungen
Und haben es angesehn.

Die Hirten, die will es erbarmen,
Wie elend das Kindlein sei.
Es ist eine G’schicht’ für die Armen,
Kein Reicher war nicht dabei.

 Tim Theo Tinn – 13. Dez. 2020

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse), Trash – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinsstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

 

 

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