TIFLIS (Georgien): INTERNATIONAL THEATRE FESTIVAL/Georgian Showcase
vom 4.- 8.10.2016
Im Rahmen des Internationalen Theaterfestivals von Tbilisi wurde auch heuer wieder ein sogenannter Georgian Showcase präsentiert – eine durchaus beeindruckende, fünftägige (mit bis zu 5 Vorstellungen am Tag auch sehr intensive) Leistungsschau des offenbar äußerst vitalen georgischen Theaters in all seiner Vielfalt.
Die Ausnahme und die Regel. Copyright: Tiflis/ Theater-Festival
Der Papierform nach hätte die georgische Erstaufführung von Bert Brechts Parabel „Die Ausnahme und die Regel“ im Nationaltheater eigentlich den Höhepunkt des Showcases bilden sollen – aber die sehr popartige und plakative Inszenierung des Hausherren Robert Sturua liess einen dann letztlich ebenso kalt wie das sich doch sehr überlebt habende Stück selbst.
Right Left With Heels. Copyright: Tiflis/ Theater-Festival
Da war die Produktion Right Left With Heels des jungen polnischen Regisseurs Wojtek Faruga schon viel interessanter. Er erzählt die Geschichte vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart – aus der Perspektive zweier in Auschwitz hergestellter schwarzer Stöckelschuhe. Das wirkt genauso abgefahren wie es klingt – zumal Feruga den Text auch noch im Stil einer Fernsehrealityshow präsentiert. Nicht ganz verständlich, aber sicherlich ungewöhnlich.
„Begalut“. Copyright: Tiflis/ Theater-Festival
In die Kategorie „Liebenswerte Altertümer“ fielen zwei weitere Abende: Begalut und Der Diamant des Marschalls De Fante. Begalut basiert auf Kurzgeschichten von Sholem Aleichim – und kommt ganz ohne Worte aus. Irgendwie putzig.
„Der Diamant“. Prometheus. Copyright: Tiflis/ Theater-Festival
Der Diamant wiederum ist die neueste Schöpfung der georgischen Puppenspielerlegende Rezo Gabriadze. Sehr poetisch.
König Lear. Copyright: Tiflis/ Theater-Festival
Ebenfalls altertümlich, aber weniger liebenswert der König Lear mit dem berühmten Zurab Getsadze , eine Inszenierung, die leider an in erster Linie an Schulaufführungen in der englischen Provinz denken liess.
In die ganz alte georgische Urzeit entführte das Stück Gastgeber und Gast (das – grösser kann der Kontrast nicht sein – in einem zerbröckelnden Betontheater in einer noch von den Sowjets errichteten Fabrikssatellitenstadt gegeben wurde). Versuche, das Theater zu archaisieren und zu ritualisieren, sind ja an sich immer lobenswert. Hier wirkte das Ganze aufgrund des vielen verwendeten schwarzen Leders, der ausgiebig zur Schau gestellten nackten männlichen Oberkörper und der nicht enden wollenden Fesselungsszenen dann doch eher wie die Mitternachtseinlage in einer Schwulendisco.
Prometheus. Copyright: Tiflis/ Theater-Festival
So kam es, dass letztlich nur “ PROMETHEUS – 25 Jahre Unabhängigkeit “ einhellige Zustimmung (ja eigentlich sogar Begeisterungsstürme ) seitens der ausländischen Festivalbeobachter erhielt. Prometheus soll ja der Legende zufolge sein lebernässiges Martyrium gerade am höchsten Berg des Landes, dem Fünftausender Kazbeghi, erlitten haben .Und der junge georgische Regisseur Data Tavadze schafft es mithilfe der genialen Texte seines Dramaturgen Davit Gabunia, diesen Menschheitsmythos in eine enge Verbindung mit der Alltagsrealität der junge, erst seit 25 Jahren unabhängigen georgischen Nation zu bringen. Dabei bedingungslos unterstützt vom ohne Ausnahme hervorragenden Ensemble des Royal District Theatres. Grossartig.Wenn es in der Theaterwelt mit rechten Dingen zuginge, müsste dieser georgische Prometheus im nächsten Jahr auf allen wichtigen europäischen Festivals zu sehen sein …
Prometheus. Copyright: Tiflis/ Theater-Festival
Robert Quitta, Tiflis