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TICINO MUSICA-FESTIVAL/ Locarno und Lugano: IL BARBIERE DI SIVIGLIA

01.08.2021 | Oper international

TICINO MUSICA-FESTIVAL am 22. bzw. 23.7.2021

Das TICINO MUSICA FESTIVAL leistet sich außer seinen Instrumentalmeisterklassen (wir haben am  darüber berichtet) auch ein eigenes Opernstudio, benannt nach dem verstorbenen italienischschweizerischen Dirigenten Silvio Varvisio. Geleitet wird es von Umberto Finazzi, immerhin Dozent an einer so „unbedeutenden“ Institution wie der Accademia della Scala.

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Il Barbiere di Siviglia im Bahnhof von Lugano. Foto: Robert Quitta

Traditionsgemäss zeigen die Absolventen des Workshops dann ihr Können in einer „ausgewachsenen“ szenischen Produktion. Heuer war das der ebenso beliebte wie unverwüstliche „Barbiere di Siviglia“.

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Il Barbiere di Siviglia im Bahnhof von Lugano. Foto: Robert Quitta

Von den fünf verschiedenen Spielorten erregte einer besonders die Aufmerksamkeit: die Stazione (der Bahnhof) von Lugano. Der künstlerische Leiter des Ticino Musica Festivals, Gabor Meszaros, war nämlich letztes Jahr, bevor er einen Zug bestieg, davon Zeuge geworden, wie ein x-beliebiger Passant eines der von den Schweizer Bundesbahnen zur Verfügung gestellten Klaviere improvisierend bespielte. Und er war von der exzellenten Akustik des Bahnhofs so angetan, dass er beschloss, eine der Aufführungen des Opernstudio-Barbiers daselbst stattfinden zu lassen. Gesagt, getan.

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Il Barbiere di Siviglia im Bahnhof von Lugano. Foto: Robert Quitta

Und so sehr man die Idee von Meszaros selbst nachvollziehen kann (und es hat ja auch durchaus schon ähnliche ortsspezifische Opernprojekte gegeben – zuletzt z.B. das Rheingold auf dem Parkdeck der Deutschen Oper Berlin), so sehr muss man bedauernd feststellen, dass sich die ganze Geschichte hier nicht wirklich ausging.

Ja, die Diskrepanz zwischen Kunst und Alltag, Musik und Geräuschen, edelsten Absichten und banalsten Umständen ist zwar ein beliebter und fruchtbarer Topos, besonders in der Avantgarde des 20. Jahrhunderts…aber diesen Grundkonflikt muss man eben auch besonders g e s t a l t e n.

Hier war es leider eben eher so, dass eine fertige Opera buffa-Inszenierung einfach irgendwie in die Bahnhofshalle gestellt wurde, so dass man vor lauter vorbeifahrenden Bussen, abgefertigten Zügen und desinteressierten, handytelephonierenden Passanten gar nicht mitbekam, worum es da eigentlich ging…

LOCARNO

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Il Barbiere di Siviglia im Teatro Paravento in Locarno. Foto: Teatro Paravento

Da war man schon sehr froh, dass man am nächsten Tag dieselbe Inszenierung im zauberhaften Garten des Teatro Paravento in Locarno auf einer ganz normalen Pawlatschenbühne zu Gesicht bekam. Und feststellen konnte, dass es in dieser Produktion doch tatsächlich so etwas wie eine erkennbare Regie, ein witziges Bühnenbild, bunte Kostüme, nette Einfälle und ihre Rollen mit großer Verve sowohl gesanglich als auch schauspielerisch gestaltende Sängerinnen gab.

Der Cast in Locarno war ein total anderer als der in Lugano, und die Intelligenz des Regisseurs (Daniele Piscopo) erwies sich dadurch, dass er diesem vollkommen verschiedenen Ensemble den Freiraum liess, ihre Rollen auch zumindest ein wenig verschieden zu gestalten.

In Erinnerung bleiben werden die beiden Almavivas (Paolo Nevi und Manuel Caputo), eine Rosina (Erica Zulikha Benato), ein Figaro (Gustavo Castillo) und ein Don Basilio (Stefano Paradiso).

Bedauernswert hingegen die beiden koreanischen Darsteller (als ein Figaro und ein Don Bartolo, lasst uns ihre Namen gnädig verschweigen). Über ihre Gesangskunst kann man reden, aber ein mimisches Gen (so sehr sie sich auch bemühten) scheint bei ihnen (und vielen ihrer Landsleute) offenbar nicht vorhanden zu sein. Es war eine Qual, ihnen zuzusehen. Verantwortungsvolle Lehrer sollten ihnen eine Konzertkarriere nahelegen.

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Il Barbiere di Siviglia im Teatro Paravento in Locarno. Foto: Teatro Paravento

Hervorragend hingegen das sehr klein (12 Elemente) besetzte Ensemble Opera Ticino Musica unter Sándor Károlyi.

Robert Quitta, Lugano/Locarno

 

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