Thomas Hampson:
LIEBST DU UM SCHÖNHEIT
Gespräche mit Clemens Prokop
192 Seiten, Verlag HENSCHEL Bärenreiter, 2014
Thomas Hampson ist ein unangefochtener Star in den Opernhäusern und Konzertsälen der Welt, er braucht also keinen äußeren Anlass (nächstes Jahr im Juni würde er 60), um ein Buch über seine Person zu rechtfertigen. Wenige Baritone sind so allseits und so vielfältig präsent.
Dem trägt vor allem der Bildteil des Buches von ihm / über ihn Rechnung – im Farbfoto-Teil führt der Weg von einem amüsanten jungen Rossini-Figaro und einem eleganten Giovanni über Wagner und Verdi zum Wozzeck und dem tragisch-pathetischen Athanael in „Thais“.
Die Bilder und auch das Rollenverzeichnis zeigen, dass dieser Thomas Hampson von alter Musik bis zur Moderne ohne weitere Schranken das große Repertoire (ob italienisch oder deutsch, französisch oder slawisch) durchschritten hat – mit sehr viel Erfolg in allen Teilen der Welt.
Das Buch, das mit „Liebst du um Schönheit“ im Titel ein Mahler-Lied zitiert (weil dieser Komponist für ihn so wichtig ist), ist zweigeteilt. Zu Beginn erzählt der am 28. Juni 1955 in Indiana geborene Thomas Hampson unter dem Titel „A Boy from Spokane“ über seine Jugend und seine Anfänge, wobei er bis zu den achtziger Jahren kommt und auch eine leise Neigung zur Beschönigung zeigt: Dass er mit Andrea Herberstein verheiratet ist, wird hoch lobend erwähnt, wie schwierig es ist, wenn die Gattin im Gefängnis sitzt und wenn die Betrugsanschuldigungen sich auch auf Hampson erstreckt haben – kein Wort davon. Überhaupt ist es, alles in allem, ein ungemein „braves“, gewissermaßen politisch korrektes Buch, wo ein Künstler immer das Richtige sagt. Er vergisst auch nie, Kollegen nachdrücklich zu loben – das ist eben üblich und letztlich auch richtig.
Es folgen über 100 Seiten, die Gespräche mit Clemens Prokop aufzeichnen, und das ist natürlich eine mittlerweile bewährte Art für Bücher dieser Art (jüngst auch bei Jochen Kowalski erfolgreich), da chronologisches Aufzählen von Triumphen nicht so viel bringt – zumal es am Ende eine ausführliche Vita mit allen Rollen- und Häuser-Debuts gibt, weiters das Repertoire, die CDs, DVDs mit Hampson, kurz, alles was man an konkretem „Wissen“ gerne nachschlägt.
Mit dem Journalisten kann man dann zu grundlegenden Fragen vordringen – ob es Interpretationen sind oder Alltagserfahrungen. Man könnte sich vorstellen, dass es nicht nur für Hampsons Anhänger interessant ist, hier „aus der Schule“ Geplaudertes zu erfahren, sondern dass auch junge Kollegen eine Menge aus diesen Erkenntnissen schöpfen können.
Man hätte nur gewünscht, der Journalist begäbe sich nicht manchmal unter das Niveau seines Themas und müsste den Leser immer wieder wissen lassen, wann Hampson lacht, bedeutungsvoll schaut, Erregung niederkämpft („Hier wird Hampsons Stimme brüchig“, „Hampsons flache Hand saust donnernd auf die Tischplatte“) und all diese niedlichen, menschelnden Dinge, die eigentlich eher in die bunten Blätter gehören.
Nichtsdestoweniger: man hat jetzt „seinen Hampson“ zuhause. Er fügt sich gut in die Reihe der Bücher über andere große Sänger.
Renate Wagner