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Theater an der Wien DIE RING-TRILOGIE: SIEGFRIED

19.12.2017 | Oper

 

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Liene Kinča (Sieglinde), Daniel Johansson (Siegmund). Copyright: Herwig Prammer

Theater an der Wien DIE RING-TRILOGIE: SIEGFRIED 18.12.2017 (Premiere am 2.12.)

Die Vorstellung wird erneut mit der von Statisten vorgeführten Ermordung Siegfrieds stumm eingeleitet. Danach folgte ein kurzer Ausflug in Mimes Schmiede, der zunächst noch mit einem Klebeband gefesselt auf einem Stuhl sitzt. Nach einer kurzen Einweisung Siegfrieds in dessen Abstammungslehre führt er den wissbegierigen Knaben gleich an den Schauplatz des ersten Aufzuges der Walküre. Frau Hunding versucht den eindringenden Fremden zunächst mit einem ihrer Nylonstrümpfe zu strangulieren. Danach labt sie ihn aber als brave Hausfrau gleich mit der Schnapsflasche ihres Gemahls und verdünnt den nunmehr fehlenden Inhalt mit Wasser, was Hunding natürlich später sofort bemerkt. Dass ein waffenloser Gast auch im Hause seines Erzfeindes heilig ist und sohin Anspruch auf Schutz hat, weiß auch Hunding, und so lässt er diesem durch seine Frau eine Mahlzeit, bestehend aus Suppe und Brot, reichen, denn schließlich soll der Fremde ja noch vor dem Kampf mit dem Hausherrn aufgepäppelt werden. Während der gemeinsamen Mahlzeit aber bemerken die Hundings verwundert, dass der ungehobelte Fremde mit den Fingern isst, während der feinere Herr Hunding natürlich einen Löffel zum Ausschlürfen seiner Suppe benützt. Woher aber nimmt man nun das so dringend benötigte Schwert? Frau Hunding weiß es, denn sie hat es einst heimlich an sich genommen und stößt es nun in die Lehne des Fauteuils. Nachdem der Fremde sich des für ihn bestimmten Schwertes Nothung bemächtigt hat, schenkt ihm Frau Hunding einen neuen Namen: Siegmund. Und bei dieser Gelegenheit gibt sie sich auch als seine verloren geglaubte Zwillingsschwester zu erkennen und nennt sich von nun an Sieglinde. Beide entfläuchen in den sonnigen Lenz, der sich ihnen im Hintergrund der Bühne eröffnet. Kurzer Wechsel zum Ende des zweiten Aktes der Walküre, wo es zum finalen Kampf der beiden befehdeten Männer kommt. Das Ende ist sattsam bekannt. Wieder zurück in Mimes Schmiede, wo sich der ungeschickte Knabe gerade anstellt, die Trümmer Nothungs, sprich eines Brotmessers, neu zu schmieden, indem er diese behelfsmäßig mit einem Klebeband fixiert. Bei so viel Ungeschicklichkeit ist schon väterliche Hilfe erforderlich und diese wird dem Knaben in Gestalt von Siegmunds Geist auch zu Teil. Mit einem neuen Küchenmesser bewaffnet bricht Siegfried in Begleitung Mimes zur Neidhöhle, einer Art Mülldeponie, auf. Der besoffene Wurm Fafner erscheint gleich in seiner ursprünglichen Gestalt als Riese mit Wikingerhelm und es entbrennt ein eindrucksvoller Ringkampf, neugierig beäugt vom Waldvogel, der den im Kampf überlegenen Siegfried schließlich zum Walkürenfelsen geleitet. Dort angekommen trifft er auf Großpapi Wotan, der als Wandersmann mit tief ins Gesicht gezogenem Schlapphut verkleidet vor den Nachstellungen seiner keifenden Gattin Fricka offenbar das Weite gesucht hat. Dieser enthüllt ein Modell des Walkürenfelsen und Siegfried entzündet dieses. Aber keine Angst! Es handelt sich vermutlich um ein bei Theaterpraktikern beliebter Trick des sogenannten „kalten Feuers“, wo es natürlich keiner Brandschutzbrigaden zu beiden Seiten der Bühne bedarf. Wie anders könnten denn im Film sonst Schauspieler durch 600° Grad heißes Feuer ohne größere Blessuren laufen? Wer etwa das Musical „Rebecca“ im Raimundtheater gesehen hat, der wird begreifen, dass da am Ende die Haushälterin Mrs. Danvers nicht wirklich als brennende Fackel durch das Haus gelaufen sein kann… Und Opa Wanderer lässt nun den Knaben nicht darüber in Zweifel, dass er ihn noch kräftig am Handgelenk packen und festhalten kann. Aber auch seine Kräfte schwinden und mit zerspelltem Speer fläucht er von dannen. Nun ist es aber höchste Zeit Brünnhilde zu erwecken, die sich in einer Höhle aufrecht stehend in einem halbkomatösen tranceartigen Zustand befindet und ständig um die eigene Achse dreht. Ein einfacher Mantel dient ihr als Brünne und eine modische Brille als bewährter Helm. Auf die Wissenswette und Wotans Begegnung mit Erda wird in dieser Fassung großzügig verzichtet. Und nach dem sich steigernden Wettgesang zwischen Siegfried und seiner Tante Brünnhilde kommt es dann endlich zum Happy End, für das Siegfrieds Eltern den beiden noch eilig das Hochzeitslager bereiten.

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Regisseurin Tatjana Gürbaca kommt offensichtlich aus der Tradition des deutschen Regietheaters und ließ keine Gelegenheit aus, auf der Bühne Banales vorzuführen. Weshalb der Waldvogel schwarze Plastiksäcke mit sich schleppt, entzieht sich dabei jeglicher Interpretation. Ein besoffener Fafner, der auf einer Art Mülldeponie haust, ein Brotmesser an Stelle eines zu schmiedenden Schwertes, und mehrmals und völlig sinnentfremdet in die Luft geworfene goldene Papierschnipsel, das alles kann man – meiner bescheidenen Meinung nach – noch nicht als einen Geniestreich an inszenatorischen Möglichkeiten bezeichnen. Es erinnert schon viel mehr an Mainzer Karneval. Henrik Ahr entwarf für den Sandler Fafner eine dazu passende Mülldeponie, für Brünnhilde eine grottenartige Klause, für das Ehepaar Hunding einen kärglich eingerichteten Raum mit braunen Wänden und eine ebenso kläglich ausgestattete Nibelungenschmiede. Die Kostüme von Barbara Drosihn korrelierten mit der schäbigen Ausstattung.

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Constantin Trinks leitete das ORF Radio-Symphonieorchester Wien routiniert und so drangen viele schöne Passagen aus dem Graben an das Ohr des Publikums. Daniel Brenna als Siegfried sang über weite Strecken hinweg ziemlich schlampig, dabei fehlt es ihm sicherlich nicht an Material. Er trifft halt viele Töne einfach nicht exakt, was aber mit Hilfe eines guten Lehrers sicherlich auszumerzen wäre. Gestalterisch blieb er seinem Rollenbild als spätpubertärer dummer, aber dennoch sympathischer Kraftlackel nichts schuldig. Der schwedische Tenor Daniel Johansson bot für den Siegmund eine blendende Diktion und Stimmführung und zwei gewaltige Wälse-Rufe auf. Dem slowakischen Bass Stefan Kocan waren sowohl der Hunding als auch der Fafner anvertraut. Es war aber in erster Linie sein Hunding, den er mit vordergründig gespielter Verliebtheit, abgrundtief erschreckend gestaltete. Liene Kinča wirkte als Sieglinde nicht mehr so indisponiert wie am Vorabend als Gutrune und bewies, dass sie auch über eine stabile Höhe bei ausgewogener Stimmführung in den übrigen Registern verfügt. Der griechische Bariton Aris Argiris gefiel als Wanderer bei seiner Auseinandersetzung mit seinem Enkel Siegfried. Marcel Beekman gelang wiederum ein besonders wortverständlicher Mime mit erdigem Bariton. Mirella Hagen unterlegte ihren Müllsäcke schleppenden Waldvogel mit einem lieblich anzuhörenden hellen Sopran. Star des Abends bei den Damen war für mich aber Ingela Brimberg, die für die Brünnhilde das erforderliche gewaltige Stimmvolumen besitzt und dabei niemals auch nur ansatzweise forcieren musste. Ein zunächst noch höflich beginnender Applaus steigerte sich dann doch noch bis hin zu einigen Bravorufen für Brünnhilde, Mime, Hunding und den Dirigenten.

Harald Lacina

 

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