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THE RIDER

11.09.2018 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 14. September 2018
THE RIDER
USA / 2017
Drehbuch und Regie: Chloé Zhao
Mit: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau u.a.

Sind nur die großen, lauten Persönlichkeiten für die Kinoleinwand interessant? Muss das Schicksal mit Karacho bekämpft werden, damit es uns interessiert, geht es nicht anders, als die Tragik vordergründig und anklagend aufs Butterbrot zu schmieren? Nun, im allgemeinen wohl schon – so, wie man heute Filme macht. Darum ist „The Rider“ der chinesisch-amerikanischen Regisseurin Chloé Zhao ein so besonderes Ereignis, weil sie eine ganz andere Geschichte ganz anders erzählt. Vielleicht, weil diese so echt ist. Der Hauptdarsteller selbst meint, es sei zu 85 Prozent sein eigenes Schicksal…

Selbst der Vorname stimmt, auch die Familienmitglieder: Brady Jandreau spielt Brady Blackburn, sein Vater ist sein Vater, seine mental leicht behindert Schwester ist auch dabei. Menschen, die im Pine Ridge Reservat in South Dakota leben, Nachfolger von Indianerstämmen, gesellschaftlich in den USA ganz tief angesiedelt. Aber es ist eine Welt, die einst – im Kino – der romantische „Wilde Westen“ war. Davon sind die Cowboys geblieben, die Rodeos – und vor allem die Pferde.

Es war die Geschichte des echten Brady Jandreau, der aus dem Stamm der Lakota kommt: ein Pferdeflüsterer, wenn es je einen gab, ein Mann, für die Pferde geboren, sie sind sein Lebensinhalt, er will nichts anderes tun, als mit ihnen zu leben und sie trainieren. Einzige größere Geldquelle in dieser Welt ist es, wenn man beim Rodeo einen Preis gewinnt. Aber Brady hatte Pech, ebenso wie sein Freund Lane Scott, der beim Bullenreiten so schwer verletzt wurde, dass er nun im Rollstuhl in einem Krankenhaus lebt, sich nur noch mit Zeichensprache verständigen kann. Vergleichsweise hatte Brady „Glück“, als er vom Pferd fiel und sich „nur“ eine Kopfwunde und steife Hände zuzog. Die sind es allerdings, die ihm das Reiten und die Rückkehr in sein altes Leben verbieten…

The Rider. Brady Jandreau as Brady Blackburn. Sony Pictures Classics

Mit ungeheurer Ruhe und Langsamkeit schildert die Regisseurin (nach eigenem Drehbuch) nun Bradys Alltag. Der Vater, der das Geld durchbringt, die Schwester, um die er sich rührend kümmert, die Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt mit allen möglichen Arbeiten im Supermarkt zu verdienen. Als sein Vater sein Pferd verkauft, muss Brady das hinnehmen (eine unvergessliche Szene, wie er „Gus“ in den Wagen führt, der ihn wegbringt, und das Pferd sich fragend zu ihm umsieht, als er weggeht: Was machst Du da?).

Da er sich ein Leben ohne Pferde nicht vorstellen kann, kauft er sich unter schwierigsten Bedingungen ein anderes – und verliert es, als es sich an einem Stacheldraht verletzt. Sein Vater muss es für ihn erschießen, er kann es nicht. Wenn er am Ende doch noch einmal an einem Rodeo teilnehmen will, obwohl jeder davon abrät – da kämpft er nicht den Drehbuch-Kampf mit dem Schicksal und siegt oder unterliegt, wie pathetisch man es haben will: Er erkennt, was nicht möglich ist, wünscht seinen Freunden viel Glück – und geht.

Welch vordergründige, aufgeblasene Tragödie hätte man aus dieser Geschichte machen können. Welch wunderbare Erzählung über einfache Menschen, die mit Pferden leben, ist es geworden. Ist es pathetisch, wenn Brady sagt: Gott gibt jedem Menschen einen Zweck im Leben, und für einen Cowboy bedeutet das, zu reiten… Nein, es ist die schlichte Erkenntnis, sie hier meisterlich ausgebreitet wird.

Die Nicht-Helden, wie Brady einen spielt, übertreffen alle Helden bei weitem. Sicher, er wird kein Star mit diesem Film werden, und es werden auch keine Hunderte von Millionen Dollar damit eingespielt. Aber wer ihn gesehen hat, wird ihn nicht vergessen.

Renate Wagner

 

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