Starttermin: 15. September 2016
THE PURGE: ELECTION YEAR
USA / 2016
Drehbuch und Regie: James DeMonaco
Mit: Elizabeth Mitchell, Frank Grillo, Mykelti Williamson u.a.
In welcher Welt leben wir, wo ein Horror-Film wirkt, als erzählte er eine wirkliche Geschichte von Hier und Heute? Haben wir den Balkan-Krieg vergessen, als reiche Herrschaften zu Shooting-Parties anreisten, wo sie für ein entsprechendes Entgelt ganz straflos echt auf echte Menschen schießen und sie killen durften? Die Filmreihe „The Purge“ („Säuberung“), die nun bei ihrem dritten Teil angelangt ist, erzählt Ähnliches: Von einer Gesellschaft, die einmal im Jahr eine Nacht lang alles tun darf, was sie will – auch morden. Ja, und der „Murder Tourism“, den unsere „Echtwelt“ längst erfunden hat, kommt hier auch auf die Leinwand (aus Europa angereist, um sich das Blutbad anzusehen und mitzumachen) – das ist keinesfalls Sci-Fi, Erfindung, Zukunftsschmonzes…
Dass dieser Teil der „Purge“-Reihe „Election Year“ heißt und wirklich im US-Wahljahr herauskommt, wo so viel Aggression freigesetzt wird – es mag Zufall sein, und es wirkt doch gruselig. Wie viele Trump-Wähler hätten nicht schlecht Lust, wenn man sie nur ließe, ihre Waffen auszupacken und mit Farbigen, Einwanderern, Schwulen, „Sozialschmarotzern“ aufzuräumen? „Säuberung“, die sie sich noch schönreden. Da wird – derzeit nur im Film! – mit schauriger Gewalt und johlendem Rassismus über die Mitmenschen hinweggewalzt…
Es ist ein rabenschwarzer, böser, düsterer Film, in dem Regisseur James DeMonaco nichts auslässt, der allerdings auch von Widerstand erzählt: Senatorin Charlie Roan beispielsweise (Elizabeth Mitchell) arbeitet daran, die Purge-Nacht abzuschaffen, was ihr, wie man sich vorstellen kann, nicht gut bekommt, denn damit attackiert sie die regierende Partei und deren stolz-harte Linie gegenüber den Armen. Zu viele Leute haben Interesse daran, hier ihre privaten Süppchen im allgemeinen Gewaltchaos zu kochen. Immerhin hat die Senatorin in Leo Barnes (Frank Grillo) einen Sicherheits-Mann an ihrer Seite, der versucht, sie unbeschädigt durch diese Nacht der Nächte zu bekommen – nicht einfach, wie man sich vorstellen kann. Denn ihre Feinde machen auf die Präsidentschaftskandidatin (Ziel: nie wieder Purge) Jagd…
Man möchte gar nicht schildern, was in dieser Nacht alles an Grässlichem geschieht – man hat nur das dumpfe Gefühl, dass es keinesfalls Erfindung ist. Was anderes hat im Dritten Reich aus Menschen Bestien gemacht als das Gefühl, dass sie straflos gegen „Untermenschen“ vorgehen konnten, wie immer es ihnen gefiel? Dieser schauerlichen Droge (über die man mehr nachdenken sollte) erliegen hier auch Teenager ebenso wie diejenigen, die längst wissen, was sie vor haben. Dass sich auch die Kirche darauf einlässt, mit den verbrecherischen Mächtigen zu gehen – nichts an diesem Film wirkt falsch, so grauenvoll er ist…(Nur nebenbei bemerkt: Dass alles auch musikalisch schön schaurig klingt, dafür sorgt der deutsche Komponist Hans Zimmer.)
In einer wirren Handlung ragen letztlich einige Figuren heraus (die nicht der „herrschenden Klasse“ angehören), denen man sein Interesse und Mitgefühl zuwendet. Denn wenn ein Horror-Action-Film wie dieser auch überraschenderweise vor allem zur Reflexion einlädt, „Kino“ braucht doch auch das menschliche Element. Amerikanische Kritiker nannten den Film „an ugly provocation“ – ist es wirklich nur das? So, wie die Handlung am Ende offen bleibt, kann es einen weiteren Film dieser Serie geben.
Renate Wagner