Das berühmte Terzett vl. n. r.: Francesco Ellero D’Artegna, Gustavo Porta, Iano Tamar. Copyright: Heinrich Schramm-Schiessl
AMICI DEL BELCANTO: „I LOMBARDI“-Konzertante Aufführung in Ternitz/18.11.2017
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Die „Amici del Belcanto“ luden wieder einmal zu einer ihrer konzertanten Opernaufführungen in die Stadthalle von Ternitz. Wie es gute Tradition ist, stand wieder ein Werk abseits des Mainstreams der Opernszene auf dem Programm, diesmal Giuseppe Versdis „I Lombardi alla prima crociata“. Es ist Verdis vierte Oper und mit ihr wollte er an den Sensationserfolg des „Nabucco“ anschließen. So gibt es z.B. auch in diesem Werk einen grossen patriotischen Chor. Trotz des grossen Erfolges bei der Uraufführiung konnte sich das Werk – zumindest ausserhalb Italiens – keinen wirklich fixen Platz in den Spielplänen erobern, zumal man heute eher auf die spätere Umarbeitung unter dem Titel „Jerusalem“ zurückgreift. Wirklich bekannt aus dem Werk ist neben dem oben erwähnten Chor nur die Tenorarie „La mia letizia“ und das grosse Terzett im Finale des 3. Aktes. Letzeres verdankt seinen Bekanntheitsgrad vor allen Dingen der bislang unerreichten Aufnahme von 1930 mit Elisabeth Rethberg, Benjamino Gigli und Ezio Pinza. Warum das Werk nicht populärer ist, ist eigentlich unverständlich. Neben den bereits genannten Stücken hat es eine ungemein feurige Musik, wunderbare Chöre, schöne Arien und effektvolle Ensembles, wobei das zuvor erwähnte Terzett bereits ganz grosser Verdi ist.
Inhalt des Werkes ist ein Familiendrama und eine tragische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der Kreuzzüge gegen Ende des 11. Jahrhunderts.
Nunmehr nahmen sich die „Amici“ dieses Werkes an und es wurde wieder ein vom Publikum bejubelter Abend. Man hat immer das Gefühl, dass die Sänger, die ja bekanntlich ohne Gage auftreten – es werden lediglich die Spesen (An- und Abreise sowie der Aufenthalt) ersetzt – mit besonderer Begeisterung bei der Sache sind. Zudem ist es den „Amici“ gelungen, in den letzten Jahren so etwas wie ein kleines Ensemble aufzubauen. Die Krone des Abends gebührt eindeutig Iano Tamar in der ungemein fordernden Rolle der Griselda. Natürlich, Tamar gehört zur internationalen Klasse – warum sie in den letzten vier Jahren nicht mehr an der Staatsoper gesungen hat, weiss nur der Direktor – aber an diesem Abend wuchs sie über sich hinaus. Die dramatischen Passagen sang sie mit einer unglaublichen Verve und vermochte auch die lyrischen Stellen ungemein empfindsam zu gestalten. Die Finalis des 2. und 4. Aktes sowie das von ihr grossartig geführte Terzett waren die Höhepunkte des Abends. Ihr am nächsten kam Francesco Ellero D’Artegna als Pagano. Die Stimme klingt zwar stellenweise etwas rauh, aber auch er versteht es seine Rolle ungemein differenziert zu gestalten. Er setzt, wo es nötig ist, effektvoll die Spitzentöne und lässt sonst die Stimme wunderbar strömen. Eines der Hauptprobleme des Werkes ist sicher der Umstand, dass man eigentlich zwei gleichwertige Tenöre benötigt, und das ist auch hier nicht ganz gelungen. Gustavo Porta (Oronte) verfügt über eine gut tragende Stimme mit toller Höhe und einem ansprechenden Timbre. Es gelang ihm durchaus auf Linie zu singen und das Schluchzen, dass ich bei seinem Enzo kritisch angemerkt habe, war diesmal nicht zu hören. Nicht wirklich glücklich wurde ich mit Ignacio Encinas als Arvino. Natürlich, er hat immer noch eine tolle Höhe, aber besonders in den lyrischen Passagen merkt man, dass die Zeit nicht spurlos an seiner Stimme vorbei gegangen ist. Susanna Matinniemi (Viclinda), Maria Lapteva (Sofia) und Stefan Tanzer (Pirro) waren zufriedenstellend. Als Comprimari hörte man Alexander Gallee (Prior von Mailand) und Gerhard Motsch (Acciano).
Schlussapplaus. Copyright: Heinrich Schramm-Schiessl
Am Pult stand wie immer Marian Vach. Er betreut die konzertanten Opernaufführungen seit der ersten Vorstellung (1992/Il trovatore), also seit 25 Jahren. Er hat das Orchester der Staatsoper von Banska Bystrica wie immer sorgfältig einstudiert und war ein umsichtiger Leiter. Das Zwischenspiel im 3. Akt klang sehr schön, wobei das Violinsolo nicht vom Konzertmeister, sondern von einem im Programmheft leider namentlich nicht genannten Solisten gespielt wurde. Sehr gut der Chor der Staatsoper von Banska Bystrica (Einstudierung: Jan Prochazka), dem in diesem Werk ja eine bedeutende Rolle zukommt.
Am Ende, wie schon angemerkt, viel Jubel, besonders für Iano Tamar und Francesco Ellero D’Artegna.
Heinrich Schramm-Schiessl