Amici del Belcanto/ Stadthalle Ternitz: Verdis „I DUE FOSCARI“ – 10.9.2022
Evviva opera in concerto!
Vittorio Vitelli, Iano Tamar, Mickael Spadaccini, Dirigent Marian Vach, Stefan Tanzer, Sarah Mair. Foto: „Amici del Belcanto“
Ein aus Belgien gebürtiger Tenor, ein italienischer Bariton, eine georgische Sopranistin, eine Münchner Mezzosopranistin und vier aus Wien und Niederösterreich gebürtige Sänger sowie ein slowakischer Dirigent mit einem slowakischen Chor und Orchester – man erlebte ebenso perfekten wie begeisternden Verdi in der ausverkauften Ternitzer Stadthalle, etwa eine Stunde südlich von Wien.
Ja, man kann in einer Oper leben, dies- und jenseits der Rampe, wenn das richtige Team zusammenkommt. Und das ist bei Giuseppe Verdis 6. Oper, die lange Zeit umstritten war wegen ihrer zu eingleisigen Handlung, keine Selbstverständlichkeit. Wir haben sie hier zuletzt 2014 im Theater an der Wien zu hören und zu sehen bekommen, immerhin mit Plácido Domingo, schon in seiner Baritonzeit, als Francesco Foscari, Doge von Venedig (in einer Coproduktion mit Los Angeles, Valencia und London.) Umso erstaunlicher, dass der Inhalt des Musikdramas um nichts weniger im Konzertsaal beeindruckte. Perfekter Gesang in Wort und Ton und eine liebevolle Orchesterbegleitung bewirkten Publikumsjubel nach jeder Musiknummer.
Der persönliche Hass eines einzigen Menschen zerstört eine ganze Familie und Regentschaft – das ist leider in der Menschheitsgeschichte kein Einzelfall. Wenn doch mehr Menschen in aller Welt sich solche Operngeschehnisse zu Gemüte führen würden…
Die zahlreichen Botschafter aus vielen Ländern der Welt mit dem Amici-Chef Michael Tanzer. Foto: „Amici del Belcanto“
Nachdem „Amici“-Präsident Michael Tanzler die übliche Begrüßung vieler Ehrengäste, vor allem Gesandte diverser Länder aus vielen Teilen der Welt und führende Vertreter der Stadt Ternitz begrüßt hatte, musste er auch eine Besetzungsänderung ankündigen – ausgerechnet der führende Tenor musste ersetzt werden: Statt des verhinderten Luciano Ganci, der immerhin an der Staatsoper schon als Cavaradossi reussiert hatte, konnte in kurzer Zeit Mickael Spadaccini (geb. 1986 und schon weltweit in den unterschiedlichsten Rollen erfolgreich), der die Rolle noch nie zuvor gesungen hatte, als Einspringer gewonnen werden und – vom ersten Ton an begeistern! Mit klarer, kräftiger Stimme, auf natürlicher Mittellagebasis kann der Sänger sich in unterschiedliche tenorale Höhen steigern und die vokale Leuchtkraft mit der vom Komponisten geforderten Eindringlichkeit bieten. Und gerade diese Rolle bedarf ja der hochemotionalen Ausdruckskraft eines Unglücklichen, der seine Familie liebt und sich gegen bösartige Anschuldigungen vergeblich zu wehren versucht.
Die Jacopo Foscaris menschlich ebenbürtige Ehegattin Lucrezia Contarini verkörpert Iano Tamar ganz großartig. Die georgische Sopranistin, weltweit in unzähligen stücktragenden Rollen erfolgreich, vermochte auch die menschlich ungemein berührende Rolle von Jacopos liebender Gattin, die ihn, auch Vater ihrer Kinder, zu retten versucht, mit ihrem topsicheren, in allen Lagen sattelfesten, leuchtenden Sopran eindringlich zu verkörpern.
Wenn auch Jacopos Vater nicht unbedingt älter aussah als sein Sohn, so konnte Vittorio Vitelli den Dogen von Venedig, Francesco Foscari, mit würdiger Haltung und schönem, festem ebenso wie flexiblem Bariton eindringlich gestalten. Bewundernswert auch sein Gesichtsausdruck, ganz besonders am Ende der Oper, nachdem er seinen Tod mit erhobenem Haupt himmelwärts blickend Gott-ergeben akzeptiert hat.
Stefan Tanzer (den wir älteren Merker noch als Stehplatzler und ein paar Jahre dann als Mitarbeiter in Erinnerung haben), neben diversen anderen Auftritten an der Wiener Volksoper als Chorsänger auch mit vielen kleineren Rollen bedacht, konnte mit seinem vollen dunklen Bass dem rachedürstigen Jacopo Loredano Glaubwürdigkeit schenken.
Alexander Gallee, im Hauptberuf Arzt, aber immer wieder bei diversen musikalischen Veranstaltungen Österreich-weit im Einsatz, ließ als Senator Barbarigo wieder einmal seinen schönen Tenor vernehmen. Sarah Mair ließ als Pisana, Freundin und Vertraute, ihren hübschen Mezzo hören. Alexander Gallee (Doppelrolle) war ein guter Diener des Rates der Zehn und Gerhard Motsch ein pflichtbewusster Diener des Dogen.
Genauso wie bei allen diesen Solisten galt es, den Chor aus Banska Bystrica ob seines wortprägnanten und stimmschönen Einsatzes in allen großen Szenen zu bewundern, für dessen Einstudierung Daniel Simandl großes Lob gebührt. Und nicht zuletzt konnte Marian Vach wieder einmal sein dirigentisches Vermögen unter Beweis stellen. Ohne große Gestik vermag er zugleich prägnant und aussagekräftig die jeweilige Musik Klang werden zu lassen und die einzelnen Musiker lassen ihre Freude darob erkennen.
Wenn bloß die Menschheit aus solchem auf historischer Basis beruhendem tragischen Bühnengeschehen lernen würde! Viel zu wenige kennen es.
Das anwesende Publikum muss jedenfalls aus lauter Wissenden und Liebenden bestanden haben, denn ab der ersten Musiknummer wurde es nicht müde, jede der voll gelungenen Solo- und Gruppenzenen mit kräftigem Beifall und Bravorufen zu bedanken.
Sarah Mair, Mickael Spadaccini, Iano Tamar, Vittorio Vitelli, Stefan Tanzer, Gerhard Motsch und Alexander Gallee. Foto: „Amici del Belcanto“
Soviel fürs erste. Details und Fotos folgen im Oktoberheft des „Neuen Merkers“.
Sieglinde Pfabigan