TELFS/ VOLKSSCHAUSPIELE: DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG und DIE WEBERISCHEN
am 20. und 21.8.2016
„Der Widerspenstigen Zähmung“ ist ein schwieriges, um nicht zu sagen: widerspenstiges Stück, das sich in Zeiten des Binnen-Is, der politischen Korrektheit und der Söhne/Töchter- Debatten nahezu niemand aufzuführen traut.
Markus Völlenklee hat es für die Tiroler Volksschauspiele in Telfs gewagt und die Handlung in ein Zirkuszelt(Zähmung !) verlegt. Keine wahnsinnige originelle Idee (hat ja auch schon der Schotti einstens vor der Votivkirche gemacht), die sich aber dennoch gut ausgeht, weil Völlenklee in seiner Inszenierung (im Gegensatz zu den Prä-Produktionsphotos) die Domptur-Metapher nicht überstrapaziert.
Sein Ensemble ist mit Feuereifer bei der Sache: allen voran Ines Schiller (Katharina), Felix Defèr(Petrucchio), der sämtliche Kostüme blitzartig durchschwitzt, Lisa-Maria Sexl (Bianca), die auch akrobatische Aktionen vollführen muss, der heftig tirolernde Johannes Grabl (als Grumio), aber auch alle anderen…
„Der Widerspenstigen Zähmung“: Mann gegen Frau. Copyright: Bernd Schranz
Manchmal hätte man sich sogar etwas wenig Feuereifer gewünscht, denn es wird durchgehend aufs Tempo gedrückt und auch nicht gerade sparsam karikiert und grimassiert.
Bleibt das Grundproblem des Stücks: die sogenannte Zähmung, die ja in Wirklichkeit eine Brechung, eine Gehirnwäsche, eine Abrichtung, eine Folter ist: denn wie anders sollte man Petrucchios Methoden( öffentliche Demütigungen, Schlammaktionen, Essensentzug, Schlafentzug etc.) anders bezeichnen als ein zwischenmenschliches Guantanamo und ihn selbst als elisabthanischen Vorläufer von Wolfgang Priklopil, der ja auch seine Natascha Kampusch eine Zeitlang „gezähmt“ hatte.
Der Widerspenstigen Zähmung“: Seltsame Hochzeit. Copyright: Bernd Schranz
Otto Schenk hat das Dilemma vor Urzeiten einmal so zu lösen versucht, indem er zeigen wollte, dass sich die beiden eigentlich von Anfang an herzinniglich lieben, und Völlenklee entscheidet sich für die Variante, dass Katherina ab einem gewissen Zeitpunkt das Spiel durchschaut und augenzwinkernd mitmacht, um sich schließlich zur Herrin des Spiels aufzuschwingen. Nice try, aber letztlich irgendwie unbefriedigend. Denn das massive Unbehagen an dem seelischen und körperlichen „Waterboarding“, dem man da zuschauen muss, bleibt unvermindert bestehen.
Der Widerspenstigen Zähmung“: Bianca schwebt. Copyright: Bernd Schranz
Ich behaupte ja, dass die Crux des Stücks darin besteht, dass nahezu alle Regisseure nahezu immer die Shakespeare’sche Rahmenhandlung, den Prolog und den Epilog weglassen. Im Original wird die ganze Geschichte nämlich von einer Wandertheatertruppe vor einem betrunkenen Sandler gespielt, den ein reicher Lord auf sein Schloss gebracht hat, um sich einen Spaß mit ihm zu erlauben und ihn glauben zu machen, e r wäre der Lord. Nach Ende der Vorstellung wird der mittlerweile eingeschlafene Bsuff wieder in den Straßengraben zurückverfrachtet. Also als theatralischer Traum (Calderon!) eines gefoppten, unter der Fuchtel seiner Frau stehenden Alkoholikers geht sich dieser fünfaktige gespielte Männerwitz vielleicht auch, aber sonst…
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Ein einsatzfreudiges Ensemble war auch bei der zweiten Produktion der Telfser Volksschauspiele, den „Weberischen“ von Felix Mitterer zu erleben. Das Stück erlebte seine Uraufführung als Auftragswerk der Vereinigten Bühnen Wien zum Mozartjahr 2006 – und verdankte seinen Erfolg in erster Linie den genialen Songs der unvergleichlichen Tiger Lillies.
Die Weberischen“. Copyright: Bernd Schranz
Diese fehlen schmerzlich in der Telfser Aufführung. Zwar hat die Neuvertonung von Christian Wegscheider durchaus auch ihre Meriten, aber letztlich werden durch das tigerlillieslose Nach-spielen des Textes die Schwächen des Stücks erbarmungslos bloßgelegt: eine seltsame Mischung aus angelesenem Mozart-Bio-Wissen, papierraschelnden Schulffunksentenzen, aufgewärmten Legenden(Salieri, der Vergifter ! Der schwarze Bote mit Schlapphut, der das Requiem in Auftrag gab,etc.) und Boulevardkomödien-Dialoge für Anfänger…
„Die Weberischen“. Copyright: Bernd Schranz
Vor allem versteht man auch nicht, was uns der Dichter damit sagen will: dass alle Weiber zänkische, ränkeschmiedende, stutenbissige, intrigante und rachsüchtige Zicken und Luder sind, oder was ?
Genaugenommen ist das Ganze also eigentlich eine Pein…wäre da nicht…wäre da nicht Klaus Rohrmoser als dominante „Muttersau“ (Eigendefintion) Cäcilia Weber. Mühelos beherrscht er den ganzen Abend lang die Szene, ohne auch nur einen Augenblick lang Anleihen an käfigvollernarrenhafte Tuntigkeit zu nehmen. Eine absolut großartige Leistung, die – wenn es mit rechten Dingen zuginge – mit einem großen österreichischen Hauptdarstellerpreis belohnt werden müsste.
Robert Quitta, Telfs