TARA ERRAUGHT
„Ich habe keine Eile!“
Sie ist klein (trägt darum grundsätzlich hohe Stöckel) und äußerst quirlig, spricht mit charmantem irischem Akzent, sie ist pudeljung (25), natürlich und herzlich, sie ist auf der Erfolgsspur und weiß es, sie freut sich darüber und steht dennoch mit beiden Beinen auf dem Boden. Mein Zusammentreffen mit Tara Erraught in der Garderobe der Staatsoper ist schmählich kurz, weil freundliche, aber im Zeitplan unerbittliche Damen sie nach 20 Minuten zur Kostümprobe abkommandieren – etwas im Stil der fünfziger Jahre wird es sein, was sie nach den Entwürfen von Barbara Glittenberg in der Neuinszenierung von Rossinis „La Cenerentola“ in der Wiener Staatsoper tragen wird. Renate Wagner
Tara, wie kommt es, dass Sie mit Ihren 25 Jahren eine Premiere an der Wiener Staatsoper singen, und nicht irgendeine Nebenrolle, sondern die Haupt- und Titelrolle in Rossinis „La Cenerentola“, die offenbar auch noch eine Lieblingsrolle von Ihnen ist?
Ich habe Dominique Meyer noch in Paris vorgesungen, als er gerade auf dem Weg nach Wien war, und das Ergebnis war damals, vor vier Jahren, das Engagement für die Rosina im „Barbiere“, die ich letzten Herbst dann hier gesungen habe. Ein paar Monate später kam die Aufforderung, nach Wien zu kommen und auf der Bühne der Staatsoper selbst vorzusingen – und das Ergebnis war das Engagement für die „Cenerentola“-Premiere.
Das klingt ziemlich riskant aus der Sicht eines Direktors, vier Jahre voraus zu programmieren mit einer Sängerin Anfang 20, bei der man ja gar nicht weiß, wie sie sich entwickelt?
Also, ich habe durchaus den Eindruck, dass Dominique Meyer etwas von Stimmen versteht, und vor allem dürfte es ihm ganz wichtig zu sein, mit jungen Sängern zu arbeiten. Die Atmosphäre an der Staatsoper ist sehr gut, und es scheint mir, als hätte er mit allen Künstlern hier ein besonders gutes Verhältnis, er hegt und pflegt sie geradezu.
Fest im Ensemble sind Sie aber in München an der Staatsoper bei Klaus Bachler.
Ja, und mein Vertrag schließt noch die nächste Spielzeit ein. Ob es dann sinnvoll ist, in einem Ensemble zu bleiben, wird sich zeigen. Aber ich lebe sehr gerne in München, und die Staatsoper war ein absoluter Glücksfall für mich, schon als ich im Herbst 2008 in das Opernstudio kam. Es kann einem jungen Sänger nichts Besseres passieren, als dort arbeiten zu dürfen – man lernt alles, man bekommt Unterricht, man darf bei allen Proben und Aufführungen dabei sein, man kann großen Kollegen zusehen. Das sollte man unbedingt machen, was für einen Handwerker die „Lehre“ ist, ist das für einen Sänger. Und dann bekommt man auch seine Chancen. Als erstes Auftreten durfte ich gleich als Cherubino auf der Bühne stehen, und dann kam nach kleinen Rollen im Repertoire die Premiere von „L’Enfant et les sortileges“. Und dann, im März 2011, bin ich in der Premiere von „I Capuleti e i Montecchi“ für die erkrankte Vesselina Kasarova eingesprungen. Ich habe den Romeo in ganz kurzer Zeit gelernt, und weil Eri Nakamura und ich so ein junges Paar waren, haben wir dem Publikum und wohl auch der Presse sehr gut gefallen.
Dieser Erfolg hat ja hohe Wellen geschlagen.
Ja, seither gibt es viele Angebote, und ich bin froh, dass ich einen so wunderbaren Agenten wie Jack Mastroianni habe, der so viele Stars vertritt und doch immer Zeit für mich hat. Er lässt es für mich ganz langsam angehen, und er sagt mir auch, wo ich nein sagen muss – nach dem Romeo kamen sofort Angebote für die großen Mezzo-Rollen bei Bellini und Donizetti, die ich sicher einmal singen will, aber vielleicht nach 30, wenn die Stimme breiter ist. Im Moment fühle ich mich bei Rossini und Mozart am wohlsten, bei der heiteren Rosina und der etwas melancholischeren Cenerentola, und die Italienerin in Algier möchte ich unbedingt auch singen, ich sehe mir hier an der Staatsoper natürlich Agnes Baltsa in dieser Rolle an. Der dramatische Rossini wird sicher auch kommen, aber jetzt fühle ich mich mit den „leichten“ Rollen am wohlsten. Und Mozart ist das Wunderbarste für meine Stimme, da denke ich nicht nur an Dorabella, sondern auch an Zerlina und Elvira, die manchmal von Mezzos gesungen werden, jedenfalls auch an den Idamante oder den Sesto. Bei den letzten Opernfestspielen habe ich in „Mitridate“ die Rolle des Sifare gesungen, sechs große Arien, das war herrlich, und eine so interessante Regie von David Bösch, den Sie ja auch in Wien kennen. Mozart ist einfach für meine Stimme – und ich kann ihn spielen! Das ist für mich immer so wichtig, dass ich meine Spielfreude ausleben kann.
Aber überall liest man bereits von Ihrem Octavian in Glyndebourne, der wird ja wohl eine erste Trendwende bedeuten.
Das kommt im Sommer 2014. Ich war ja schon in Glyndebourne, damals nur in der Nebenrolle des Sandmännchens in „Hänsel und Gretel“, aber ich habe mich sehr wohl gefühlt. Man hat dort durch die Situation der Festspiele und Neuproduktionen viel mehr Zeit, etwas zu erarbeiten, als in dem doch sehr ‚engen’ System der europäischen Opernhäuser, wo man das Repertoire mit relativ wenigen Proben auf die Bühne schickt. In Glyndebourne gibt es interessante Veränderungen, 2014 übernimmt Robin Ticciati die musikalische Leitung des Festivals, der gar nicht viel älter ist als ich. Er dirigiert dann den „Rosenkavalier“, über die weitere Besetzung weiß ich noch gar nichts (Lars Woldt wird der Ochs sein, Anm.), aber ich denke mir, als Eröffnung für den neuen Mann hat die Produktion sicher besonderen Stellenwert. Für mich ist es die erste ganz große Rolle in deutscher Sprache, ich lerne schon seit drei Jahren daran, aber es kommt jetzt mehr und mehr auf Deutsch auf mich zu: Zu Silvester habe ich in München meinen ersten Orlofsky gesungen, und sobald die „Cenerentola“-Serie in Wien zu Ende ist, gehe ich nach München, wo am 24. März 2013 die Premiere von „Hänsel und Gretel“ in der Inszenierung von Richard Jones auf mich wartet. Ich singe dann noch Repertoire bis in den Sommer, darunter den Nicklausse in „Hoffmanns Erzählungen“ (den Hoffmann übernimmt Giuseppe Filianoti, die drei Damen werden dann von drei Sängerinnen verkörpert, darunter Genia Kühmeier als Antonia, Anm.). Und im Herbst bin ich wieder in Wien – für eine Uraufführung.
Wie kam es dazu?
Ich habe im Theater an der Wien vorgesungen, und sie haben mich sofort zu Iain Bell geschickt, der für das Haus ja eine Opernuraufführung schreibt. „A Harlot’s Progress“ bezieht sich auf Stiche von Hogarth, sechs davon werden in Bilder auf der Bühne umgesetzt. Diana Damrau singt die „Hure“, ich bin Kate, ihre „Assistentin“, beide bekommen wir tolle Koloraturen. Ich habe schon einiges von der Partitur gesehen, und ich weiß, dass Bell sich sehr gut singen lässt, er hat ja auch für Diana Damrau sehr schöne Lieder geschrieben! Für mich ist wichtig, dass ich Melodiöses singe, ich kann mir im Moment mich und meine Stimme nicht bei Berg oder den Modernen vorstellen, weit eher in der Barockmusik, der ich mich intensiv widmen will. Auch bei Liedern kann man weiter gehen – ich möchte überhaupt künftig auch sehr intensiv für den Konzertsaal arbeiten.
Sie haben Ihren Weg von Wettbewerben, von denen Edita Gruberova beispielsweise nichts hält, in die großen Opernhäuser gemacht – und das in unglaublich jungen Jahren. Hatten Sie viel Glück?
Ich hatte und habe vor allem eine wunderbare Lehrerin, Veronica Dunne, die mich schon seit meinen Anfängen in Dublin betreut. Leider ist sie schon über 80, aber wir arbeiten unaufhörlich miteinander, wir fliegen beide hin und her für den Unterricht. Sie war es auch, die immer gesagt hat, dass wir – was von Irland her nahe gelegen wäre – nicht den Blick nach London richten, sondern nach Mitteleuropa, dort sind wichtige Opernhäuser. Was Wettbewerbe betrifft, so habe ich zwar noch keinen wirklich mit dem ersten Platz gewonnen, aber ich habe einige absolviert – darunter den Belvedere-Wettbewerb – und sie waren sehr wichtig für mich: Es sind doch Leute dort, die einen wahrnehmen, weit mehr, als bei einem Vorsingen, das einem jungen Sänger auch nicht diese Möglichkeiten gibt. Ich habe dann trotzdem immer wieder vorgesungen – und auch auf diese Art viele Engagements bekommen. Ich bin bereit, viel zu arbeiten, und ich liebe diesen Beruf. Ich werde sicher nichts überstürzen, ich habe ja wirklich keine Eile. Ich weiß, dass man als Sänger neben Wien noch in der Scala, an der Met und in Covent Garden gesungen haben ‚muss‘, um den „Grand Slam“ der großen Opernhäuser zu vollenden, aber ich sage offen: Es ist mir wichtiger, was ich singe, als wo ich es singe – auch wenn ich natürlich hoffe, jetzt das Wiener Opernpublikum zu erobern. Wann ich nach der „Cenerentola“ wieder komme, weiß ich noch nicht, aber ich hoffe, es wird noch Gespräche geben?