SYLVIE ROHRER
Wenn die Wiener Staatsoper ruft,
komme ich!
Sylvie Rohrer, jedem Wiener Theaterfreund aus dem Burgtheater bekannt, unternimmt immer wieder gerne Ausflüge in die Welt des Musiktheaters. Die Uraufführung von „Die Weiden“ ermöglicht es ihr, erstmals auf den Brettern der Wiener Staatsoper zu stehen – was sie, die Schweizerin, unendlich berührt und begeistert.
Das Gespräch führte Renate Wagner
Frau Rohrer, wenn man Sie im Internet googelt, kommt die Bezeichnung „Schauspielerin und Sängerin“ heraus, mit dem Hinweis, Sie seien in der Klassik firm… Haben wir da etwas versäumt?
Nein, ich bin Schauspielerin, ich war selbst völlig verblüfft, als ich diese Eintragung gelesen habe. Es kann sich eigentlich nur darauf beziehen, dass ich sehr gerne musikalische Sachen mache – immer wieder die „Jeanne d’Arc au bûcher“, immer wieder den „Pierrot Lunaire“, aber auch „Perséphone“ von Strawinsky, und ich habe auch Szenen mit Beat Furrer interpretiert. Und, weil ich mich nicht nur der Moderne verpflichte, bei den Salzburger Festspielen 2004 in der Produktion von Purcells „King Arthur“ von Flimm / Harnoncourt mitgewirkt. Bei musikalischen Projekten dabei zu sein, ist für mich immer ein wunderschönes Erlebnis. Etwas „anderes“ zu machen, ist für einen Schauspieler ja eine tolle Herausforderung. Aber ich verspreche, ich werde in den „Weiden“ keinen Ton singen!
Wie hat man Sie mit der Rolle der Fernsehreporterin reizen können?
Die Staatsoper hat vor zwei Jahren angefragt, da war das Stück und auch das Libretto noch nicht fertig, aber ich habe auf jeden Fall ja gesagt – wenn die Wiener Staatsoper ruft, komme ich doch! Wann passiert das einer Schauspielerin schon? Das erinnert mich daran, als ich als etwa 17jährige mit Freundinnen nach Wien kam, wir wollten „Cats“ sehen, haben aber auch Stehplatzkarten für die Staatsoper gekauft. Und ich erinnere mich genau, wie ich oben auf der Albertina stand und mit Bewunderung zur Staatsoper hinüber gesehen habe. Und als ich jetzt zu den Proben kam und in dieses Haus gehen durfte, war ich gerührt, dankbar, begeistert.
Die Fernsehreporterin ist eine Sprechrolle inmitten der Musik, nicht sehr groß, sie kommt mit Monologen am Anfang und am Ende vor, aber wichtig. Da die „Weiden“ ein durch und durch kritisches politisches Werk sind – ist Ihre Figur medienkritisch aufzufassen?
Also, ich würde in einer Welt, wo Journalisten allerorts ermordet werden, weil sie ihre Arbeit tun, nicht das kritische Bild einer Fernsehreporterin auf die Bühne stellen wollen. Sie kommentiert das Geschehen von außen, und interessant ist, dass sie in ihrem ersten Auftritt, quasi zeitversetzt, schon von dem Unglück spricht, das erst am Ende passieren wird. Im übrigen muss man sich natürlich konzentrieren, den Text genau zur Musik einzupassen, aber damit habe ich ja Erfahrung.
Wie steht es mit der Musik zu den „Weiden“, wie empfinden Sie sie?
Ich finde sie großartig! Es war einer der tollsten Momente, als wir nach all den Klavierproben dann mit dem Orchester zusammen kamen und endlich alles hören konnten, was Johannes Maria Staud komponiert hat. Die Musik hat so viele Farben, sie ist einmal schmissig, einmal lyrisch, die Vielfalt ist beim einmaligen Hören kaum zu erfassen . Man muss natürlich, wie bei moderner Musik immer, willig und unvoreingenommen hinhören – auf Anhieb wird man nicht alles verstehen. Aber das erinnert mich an ein Erlebnis meiner Jugend, als ich 1982 im Bewegungschor im Stadttheater Bern war und wir in Othmar Schoecks „Penthesilea“ mitwirkten. Die Musik kam uns anfangs total fremd und unverständlich vor. Aber die Direktion hat etwas sehr Kluges getan. Sie gaben jedem von uns eine MC mit der Musik und sagten: Hört Euch das immer wieder an. Das haben wir getan – und nach einiger Zeit war mir das Werk total vertraut und ich habe es geliebt. Damals habe ich erfahren: Auch Hören will gelernt sein.
Und wie geht es Ihnen mit dem Inhalt der „Weiden“?
Mich beeindruckt diese Geschichte einer Reise, in der die Vergangenheit eine Rolle spielt, verbunden mit dem Heute, mit der Natur – das ist tolles Musiktheater. Die beiden Paare und die erotischen Spannungen erinnern mich auch ein bisschen an den „Sommernachtstraum“, und ich glaube, wenn man sich auf das Werk einlässt, wird man grenzenlos beschenkt.
Frau Rohrer, Sie sind seit fast 20 Jahren am Burgtheater, wobei für mich Ihre Interpretation des Jelinek-Monologs „Über Tiere“ einfach unvergesslich ist. Sie scheinen es zu lieben, wenn man Ihnen komplizierte Aufgaben stellt?
Ich denke nicht daran, dass es schwierig ist, ich sehe nur wie unglaublich reich und intelligent solch ein Text ist, und das reizt mich daran. Auch geht es darum, immer etwas Neues zu probieren, darum habe ich auch zweimal inszeniert, am Seminar und auf der Rosenburg. Und zuletzt habe ich in der Schweiz einen interessanten Film gedreht, „Der Läufer“, der jetzt dort zu sehen ist. Aber das Schöne in meinem Künstlerleben ist – ich muss nichts, ich kann nebenbei machen, was sich ausgeht, aber das Theater ist mein Beruf, ich bin glücklich am Burgtheater.
Und wird das weiter so sein? Sie haben ja mit Martin Kusej, dem künftigen Direktor, schon einige Male erfolgreich zusammen gearbeitet?
Ja, ich bleibe am Burgtheater, und das ist ein Glück, weil ich ausnehmend gerne in Wien lebe. Für mich als Schweizerin ist es meine zweite Heimat geworden.
Dann vielen Dank für das Gespräch, viel Erfolg in der Oper und ad multos annos im Burgtheater!