Starttermin: 14. Oktober 2016
SWISS ARMY MAN
USA / 2016
Regie: Daniel Kwan, Daniel Scheinert
Mit: Paul Dano, Daniel Radcliffe u.a.
Normalerweise passiert einem das (immer öfter) im Theater. Dass man sich als Zuseher zurücklehnt und denkt: „Wollt Ihr mich total blöd machen? Oder haltet Ihr mich für blöd? Das soll ich Euch abkaufen?“ Im Kino passiert so etwas eigentlich kaum. Oder doch, wie „Swiss Army Man“ zeigt, der vom Sundance Film Festival ausgehend, viel mehr Beachtung erhalten hat, als er verdient.
Es gibt schon schräge Filme, aber dieser toppt das Genre noch. Ein Mann und eine Leiche und eine wunderbare Freundschaft – nun, Paul Dano hat immer schon verrückte Rollen gespielt. Und Daniel Radcliffe (zuletzt böser Bube in „Die Unfassbaren 2“, demnächst in „Imperium“ als FBI-Agent, der die Neonazi-Szene infiltriert und Gefahr läuft, Sympathisant zu werden) tut alles, um seinen Harry Potter vergessen zu machen. Als furzende Leiche geht das ganz gut…
Auf diesen Film muss man sich einlassen, denn die Gefahr ist groß, mit einem wütenden „Bleibt mit Eurem Blödsinn alleine“ aus dem Kino zu gehen. Ist schon passiert. Die Leistung des Zuschauers ist auch eine große, sich hier durchzubeißen und am Ende (wenn man will!) hinter all der gebotenen Skurrilität eine Parabel der menschlichen Einsamkeit zu entdecken – beziehungsweise die Erkenntnis zu finden, dass der Mensch nichts dringender braucht als einen anderen Menschen… nicht neu, aber immer wahr.
Zwei Jungregisseure, Daniel Kwan and Daniel Scheinert, lassen also Hank (der immer seltsame Paul Dano) auf einer einsamen Insel landen (nicht fragen, wann, warum, wieso und dergleichen). Das heißt, als man ihn kennen lernt, will er sich gerade umbringen. Doch dann wird er in seinem Unternehmen unterbrochen, als etwas angeschwemmt wird.
Es stellt sich als männliche Leiche heraus, ein junger Mann, Daniel Radcliffe kurz gesagt, dem nun eine der seltsamsten Aufgaben zukommt, die man einem Schauspieler wohl stellen kann. Einerseits ein herumschlackerndes Stück lebloses Menschenfleisch, das da zwischen Wasser und Land die seltsamsten Furztöne von sich gibt. Andererseits für Hank Spielgefährte, Partner, Freund, ein Mensch eben – und im Grunde beantwortet der Film die Frage nicht: Wenn die Leiche scheinbar Zeichen von Leben gibt… ist es nur das Wunschdenken von Hank? Oder was spielt sich da ab?
Ja, was spielt sich ab? Erstaunlich wenig für einen normal langen Spielfilm von knapp 100 Minuten. Aber die Intensität, mit der Hank diesem Körper, den er Manny tauft, Leben einzuhauchen sucht – das ist eigentlich der Film. Der Titel? Nun, was ist ein Schweizermesser? Etwas für alle Gelegenheiten und Notwendigkeiten, so, wie sich Hank Manny zurechtbiegt… für einfach alles, was er benötigt, um mit einem Kameraden „Leben zu spielen“.
Furze können sogar als Düsenantrieb dienen – wenn’s nicht gar zu dumm ist. Die Einfälle des Drehbuchs sind schlechtweg haarsträubend (vor allem, wenn sie dann die Region des Sex betreten), so sehr, dass man sich immer wieder doch fragt, ob die beiden Regie-Daniels einen nicht schlicht und einfach veräppeln.
Also, die Sache ist schräg, fast pervers, wühlt lustvoll in Geschmacklosigkeiten. Im Grunde ist alles gänzlich irreal (sie könnte sich ja auch nur im Kopf eines jungen Mannes abspielen, der in der Einsamkeit verrückt geworden ist), aber irgendwie führt die Geschichte dann doch zu Menschen zurück. Dass man sie deshalb erklären könnte – das ist von den Kritikern (die in ehrenwerten Interpretationsversuchen auch auf einen Variation des „Doppelgängermotivs“ gekommen sind) so wenig zu verlangen wie von deb Zuschauern. Am besten und ehrlichsten – man kapituliert gleich. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.
Ein Festival-Film. Nur dass sich halt keine Harry Potter-Fans da hinein verirren! Die bekommen den Schock ihres Lebens und sind vielleicht fürs Kino für immer verloren…
Renate Wagner