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SURSEE/ Schweiz/Stadttheater: DER ZIGEUNERBARON

21.01.2023 | Operette/Musical

Johann Strauss Sohn: Der Zigeunerbaron • Stadttheater Sursee • Vorstellung: 20.01.2023

 (2.Vorstellung • Premiere am 14.01.2023)

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Laienbühne 2.0

Nach einer abgebrochenen Saison (2020, «Frau Luna») und zwei ausgefallenen Spielzeiten (2021 und 2022) nimmt die Musik- und Theatergesellschaft Sursee neu aufgestellt den Spielbetrieb wieder auf. Zum ersten Mal kommt Strauss «Der Zigeunerbaron» auf die Bretter des Stadttheater Sursee.

In der coronabedingten Spielpause hat die Theatergesellschaft Sursee Änderungen eingeführt, die nun erstmals zum Tragen kommen. Das Orchester wurde professionalisiert, der Chor mit einer professionellen Kerngruppe aus Stimmführern versehen und ein Kinderchor neu gegründet. Zudem sind verschiedene Positionen im Leitungsteam neu besetzt. Der Grossteil des Chores und des Balletts sind noch «Laien», so dass letztlich auf und hinter der Bühne immer noch über 150 Ehrenamtliche beteiligt sind. Diese Änderungen und das Vertrauen der lokalen Bevölkerung führen dazu, dass bereits vor der Premiere fast 10’000 Karten verkauft sind. Und das Vertrauen wird, wie zu sehen sein wird, völlig gerechtfertigt.

Strauss Zigeunerbaron ist eine anspruchsvolle Operette. Immer schon musikalisch und in den letzten Jahren auch gesellschaftlich. Hier in Sursee wird aber weder mit Gänsefüsschen noch regietheatralen Montagen operiert, sondern ganz einfach im Vorwort des Programmhefts darauf hingewiesen, dass «einige Themen, Darstellungen oder Bezeichnungen von Damals in keinster Weise mehr dem heutigen Zeitgeist entsprechen». Dem ist nichts hinzuzufügen. Wer sich nun auf ein Zigeunerschnitzel im Theaterrestaurant freut, wird leider enttäuscht: dazu ist das Gericht in der Schweiz zu wenig bekannt.

«Der Zigeunerbaron» war aber auch schon bei seiner Uraufführung (24. Oktober 1885 im Theater an der Wien) etwas aus der Zeit gefallen. Nach dem tollkühnen Beginn der Gattung Operette mit den «Offenbachiaden», die die überkommene Ordnung auf den Kopf stellen und die Zwänge, unter denen alle zu leiden haben, unterlaufen, macht der Zigeunerbaron im Grossen und Ganzen ein bis zwei Schritte zurück. Er huldigt der althergebrachten Ordnung, der privaten und gesellschaftlichen Herrschaftsformen. Die Kriege, die die Offenbachiaden und der Pazifist Offenbach («Les Fées du Rhin» oder «Barkouf») kritisiert haben sind geführt und der Nationalismus ist steil im Aufwind. Nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich von 1867 werden die unverbrüchliche Einheit der Donaumonarchie und die glorreiche Vergangenheit gefeiert. Damit steht der Zigeunerbaron am Beginn einer neuen Stilrichtung. Auch Johann Strauss wird nicht mehr zur Leichtigkeit früher Werke («Die Fledermaus») zurückfinden.

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Foto © Musik- und Theatergesellschaft Sursee

Regisseurin Ursula Lysser inszeniert eng am Libretto, so dass das Geschehen jederzeit verständlich bleibt. Den Conte Carnero setzt sie dabei als sehr angenehmen Conferencier ein. Lars Bolliger (Bühnenbild) hat ihr dazu ein wunderbar poetisches Bühnenbild geschaffen. Dominierend ist ein alter Baum mit frischem Grün und ein Brunnen. Das Schloss ist mit einem Mauerrest mit zwei Bögen und dem Rest einer gotischen Kanzel angedeutet. Das kulinarische Bühnenbild trägt wie die hoch ästhetischen Kostüme (Dietlind Ballmann) zum hervorragenden Eindruck der Produktion bei. Catherine Treyvaud Fix hat das Ballett des Stadttheaters Sursee choreographiert. Angesichts der grossartigen Leistung der Tänzerinnen ist man geneigt zu vergessen, dass man sich «nur» an einer Laienbühne befindet.

Das Orchester des Stadttheaters Sursee unter musikalischer Leitung von Harald Siegel spielt mit sattem, aber immer leichtem Klang und wunderbaren Farben auf. Die Spielfreude und Leidenschaft ist den gut 50 Musikern bei jedem Ton anzuhören. Besonders ohrenfällig ist die Umgestaltung des Chor des Stadttheaters Sursee (Chorleitung: Peter G. Meyer). Wann je hat man bei vergleichbaren Veranstaltungen einen Chor mit so kompaktem, satten Klang gehört? Mit dieser Begeisterung der Amateur-Sänger wird es kein Problem sein, die gewünschte kontinuierliche Qualität zu erreichen und zu halten. Die Spielfreude ist den Sängerinnen des Kinderchor des Stadttheaters Sursee in jedem Moment anzumerken.

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Foto © Musik- und Theatergesellschaft Sursee

Daniel Zihlmann gibt den Sándor Barinkay mit strahlend kräftigem Tenor und grosser Bühnenpräsenz (die Premiere sang der österr. Tenor Maximilian Lütgendorff). Valentina Russo als Sáffi ist ihm mit hellen, jugendlich-frischen und bestens geführtem Sopran eine ideale Partnerin. Die Mezzo-Sopranistin Jeanne-Pascale Künzli, Intendantin der Fricktaler Bühne (einer anderen «Laienbühne») ist als Czipra eine stets präsente Strippenzieherin. Martin Weidmann gibt ein stimmlich tadellosen Kálmán Zsupán, der szenisch ruhig noch etwas grossspuriger auftreten kann. Raphaela Felder ist eine Arsena, der man die Anspruchshaltung der Emporgekommenen sofort abnimmt. Ähnlich wie der Zsupán könnte auch der Graf Peter Homonay von Wolf H. Latzel etwas mehr szenische Präsenz vertragen. Christian Menzi gibt einen höchst angenehmen Conte Carnero. Als Hofbeamter ist er fast zu sympathisch. Niklaus Loosli als Ottokar, Raya Sarontino als Mirabella und Andreas Fitze als Pali.

So muss Operette sein!

Weitere Aufführungen:

Samstag, 21. Januar 2023, 19:30; Sonntag, 22. Januar 2023, 14:30; Freitag, 27. Januar 2023, 19:30;

 Samstag, 28. Januar 2023, 19:30; Sonntag, 29. Januar 2023, 14:30;

Freitag, 03. Februar 2023, 19:30; Samstag, 04. Februar 2023, 19:30; Sonntag, 05. Februar 2023, 14:30;

Samstag, 11. Februar 2023, 19:30; Sonntag, 12. Februar 2023, 14:30; Samstag, 25. Februar 2023, 19:30;

Sonntag, 26. Februar 2023, 14:30;

Freitag, 03. März 2023; 19:30; Samstag, 04. März 2023; 19:30; Sonntag, 05. März 2023; 14:30;

Freitag, 10. März 2023; 19:30; Samstag, 11. März 2023; 19:30; Sonntag, 12. März 2023; 14:30;

Samstag, 18. März 2023; 19:30; Sonntag, 19. März 2023; 14:30; Samstag, 25. März 2023; 19:30;

Sonntag, 26. März 2023; 14:30.

 

21.01.2023, Jan Krobot/Zürich


Die Premierenkritiken

https://www.luzernerzeitung.ch/kultur/zentralschweiz/standing-ovations-fur-start-in-neue-ara-ld.2400892

https://innerschweizonline.ch/wordpress/stadttheater-sursee-der-zigeunerbaron-premiere-14-januar-2023-besucht-von-leonard-wuest/

https://arttv.ch/buehne/die-operette-sursee-hat-den-zigeunerbaron-zu-gast/

 

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