SUITES & FANTASIES – Kammermusikalische Raritäten von de Falla, Britten, Schnittke, Milhaud und Frolov – RUBICON CD
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Es ist nicht nur die Debüt CD der in Korea geborenen britischen Geigerin Joo Yeon Sir, wie uns dies das Marketing des Verlags glauben machen will. Das Album „Suites & Fantasies“ bietet ein klug arrangiertes Bouquet von reizvollen Stücken für Violine und Klavier. Zu Gehör kommen einen fünfsätzige „Suite in Old Style“ von Alfred Scxhnittke, die „Suite popular española“ von Manuel de Falla, die Suite für Violine und Klavier, Op. 6 des jungen Benjamin Britten, die Cinéma Fantasie „Le Boeuf sur le toit“ von Darius Milhaud sowie die Concert Fantasy über Themen aus Porgy und Bess von Igor Alexandrovich Frolov. Dabei hat das Klavier überwiegend einen ebenbürtigen Stellenwert eben nicht bloß als Begleitung der Geige, sondern als wettbewerbend konzertierendes Instrument. Daher ist es aus musikalischer Sicht mehr als fragwürdig, warum die Pianistin Irina Andrievsky nur in kleiner schwarzer Schrift am unteren Cover aufscheint, während die Geigerin mit Porträtfoto in roter Titelschrift alleine das PR Rennen machen darf?
Künstlerisch ist das Album überwiegend von allererster Güte. Geht die nötige tänzerische Geschmeidigkeit in der neobarocken Suite des russischen Komponisten Schnittke noch ziemlich hölzern vom Leder, so sind bereits die sieben populären Lieder de Fallas (ich empfehle sich die exquisite Aufnahme mit Montserrat Caballé/Zanetti anzuhören) in der Bearbeitung für Violine und Klavier eine Offenbarung. Nicht nur das folkloristisch-brachiale und melodisch-meditative Element dieser so typisch spanischen Musik kommt vorzüglich zur Geltung, sondern Joo Yeon Sir vermag ihrer Violine Töne abzuringen, die eher Assoziationen zur Flöte oder Glasharmonika wachrufen. Die hochbegabte Geigerin ist weniger Virtuosin – zumindest trumpft sie nicht mit polierter Kunstfertigkeit auf – als Klangmagierin. Stimmungen kann sie je nach Temperament, Bravour oder Emotionsgehalt der Vorlage rein mittels nuancierter Abschattierungen, Einsatz verschiedener Strich- oder Bogentechniken vermitteln. Grandios. Vielleicht ist das avantgardistische Britten-Stück das am besten gelungenste der CD, der Hörer darf aber ruhigen Gewissens auch die unterhaltsamen, dem Ballett und der Oper zugehörigen Fantasien von Milhaud und Frolov genießen. Beim melodienseligen „Porgy und Bess“ Medley zeigt Irina Andrievsky am Klavier, wie sehr sie mit jazzigen Duftmarken, elegantem Swing und atmosphärischer Dichte punkten kann.
Dr. Ingobert Waltenberger