In der subtilen Regie von Werner Schretzmeier sowie dem fast schon rustikalen Bühnenbild und den Kostümen von Gudrun Schretzmeier konnten sich die beiden Akteure Gitte Haenning und Egon Madsen bestens entfalten. Der Tänzer und die Sängerin finden hier auf seltsame Art zusammen. Die beiden Bühnenhälften sind voneinander getrennt, die Darsteller begegnen sich nicht. Es geht in diesem Stück „Love Letters“ von A.R. Gurney um das Liebespaar Andrew und Melissa, die sich zwar jahrzehntelang Briefe schreiben, aber nie recht zusammenkommen können. Dennoch lautet das Motto immer wieder „Ich liebe dich!“ Beide sitzen am mehr oder weniger aufgeräumten Schreibtisch und haben einen riesigen Papierstapel vor sich. Die Reise durch Zeiten und Gefühle führt hier wiederholt zu einem Mitfiebern – und die beiden Protagonisten nähern sich einander an, um sich dann immer wieder voneinander zu trennen.
Die Geschichte beginnt im Jahre 1938, Melissa berichtet von ihren Erlebnissen in der Tanzschule. Man lernt sie schon in ihrer Schulzeit kennen, wenn sie gegenseitig wegen anderen Partnern aufeinander eifersüchtig sind. „Andy“ mokiert sich sogar darüber, dass Melissa mit anderen Jungs „knutscht“ und sich von diesen an den Busen fassen lässt. Das wird ironisch und nicht ohne satirischen Zuschnitt beschrieben, doch die Briefschlachten nehmen im Laufe des Abends an Heftigkeit und erotischer Intensität immer mehr zu: „Willst du am Valentinstag meine Braut sein?“ Andrew und Melissa heiraten zwar jeweils andere Partner, kommen jedoch nicht voneinander los. Melissa geht zu einem Psychiater, was ihr aber nicht viel nützt. Es wird dort nur über Sex geredet. Andrew promoviert schließlich und macht sogar eine Karriere als Jurist und Senator in Amerika. „Eltern und Erzieher sind hoffungslose Spießer“, lautet seine Devise. Er beschäftigt sich mit Miltons „Verlorenem Paradies“, Melissa will aber lieber etwas über seine Gefühle wissen. „Ich bin sauer auf dich“, faucht Melissa, als Andrew sich in einer japanische Bardame verliebt. Doch auch diese Beziehung zerbricht und er kehrt reumütig zu seiner frustrierten Brieffreundin zurück. Dann treffen sich die beiden Briefpartner ganz real, schlafen miteinander, wobei sich Andrew eher als „Versager“ fühlt, der seiner Rolle als Liebhaber nicht gerecht wird. Bei einem späteren Treffen klappt es beim Sex jedoch bestens. Melissa landet schließlich in der „Klapsmühle“, wo man sie ruhig stellt. In der Zwischenzeit will Andrew Melissa wegen seiner politischen Karriere eine Zeitlang nicht sehen. Andrew kann ihr in dieser Situation wenig helfen. Zwar merkt man Gitte Haenning und Egon Madsen an, dass sie keine wirklichen Schauspieler sind, doch es gelingt den beiden, dieses seltsame Liebespaar lebendig werden zu lassen. Man spürt, dass es elektrisierende Momente zwischen Melissa und Andrew gibt, sie haben sich auch nach vielen Jahren noch etwas zu sagen. Ein berührender Moment ergibt sich, als Melissa schließlich nicht mehr lebt. Da bekommt Andrew seine Einsamkeit besonders hart zu spüren – und auf der Bühne geht auf der linken Seite das Licht aus und Gitte Haenning alias Melissa verschwindet einfach im Hintergrund. Diese Sequenz ist dramaturgisch am besten gelungen. Zuletzt steht für „Andy“ fest, dass er nie einen Menschen mehr geliebt hat als Melissa.