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STUTTGART/Stuttgarter Ballett: „KRABAT“ (Wiederaufnahme) – „Gereift und doch wie neu“

14.01.2017 | Ballett/Performance

Stuttgarter Ballett

„KRABAT“ 13.1. 2017 (Wiederaufnahme) – „Gereift und doch wie neu“

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David Moore (Krabat) und Marti Fernandez Paixa (Tonda). Copyright: Stuttgarter Ballett

 Der riesige Erfolg dieser speziell auch für ein jugendliches Publikum erfolgten Auftrags-Choreographie aus dem Jahr 2013 verlangte nach einer baldigen Wiederaufnahme, und so kehrte dieses moderne Handlungsballett nach zweieinhalbjähriger Pause in den Spielplan zurück – mit unverändert großem Ansturm auf Karten!

Hauschoreograph Demis Volpi hat Otfried Preußlers Jugendroman in raffiniertem Umgang und Erweiterung klassischer Ballett-Technik als Tanzdrama entworfen und hält mit phantasievoller, dabei stets klarer erzählerischer Expressivität den Spannungsbogen über die drei geschickt gegliederten Akte (Dramaturgie: Vivien Arnold) aufrecht. Dafür sorgen auch die Kontraste zwischen der bedrohlichen Mühlenwelt, in der sich Krabat in die Fänge des Schwarze Magie-Meisters begibt und der frei atmenden Welt seiner Geliebten Kantorka, für die der aus dem Off eingespielte Mädchenchor mit der Volksweise „Die Gedanken sind frei“ steht. Die sonstige mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen ausgewählte musikalische Palette reicht von authentischem, in einer Mühle der Umgebung eingefangenem Geklapper über fein Kammermusikalisches, minimalistisch Vorantreibendes bis zu Gänsehaut verursachender kosmisch gesteigerter Sinfonik von Penderecki, Glass und vor allem Peteris Vasks. Von letzterem stammt auch die Befreiung Krabats und seiner Mitgesellen subtil hörbar machende Komposition namens „Message“. Aber auch das Bühnenbild (das komplette Bühnenrund bis zur Decke füllende Mehlsäcke) und die charaktergerechten Kostüme von Katharina Schlipf tragen zur Faszination dieses lückenlos funktionierenden Gesamtkunstwerks bei, zu dem auch einige Zaubertricks gehören.

Detailgenau und frisch wie bei der Premiere präsentiert sich diese Neueinstudierung und doch gereift durch die erfolgte Entwicklung der maßgeblichen Tänzer, die bereits die Uraufführung getanzt hatten. Vor allem David Moore in der Titelrolle hat seither einen enormen Persönlichkeitssprung gemacht. Aus dem damals noch etwas blässlichen und scheu wirkenden Jungen ist ein selbstbewusster Mann mit greifbarem Profil geworden. War der Waisenjunge seinerzeit die große Prüfung für den Aufstieg bis zum Ersten Solisten, so ist ihm die passend rührende Unschuld des Knaben verloren gegangen, auf der anderen Seite aber eine deutlich präzisierte körperliche Ausdruckskraft zugewachsen, die ganz besonders in Krabats um eine wesentliche Entscheidung ringendem Solo offenbar wird. Nach wie vor gestaltet Moore die Angst um Kantorka und seine zunächst kaum fassbare Befreiung durch die Besiegung und Vernichtung des Meisters mit tief bewegender Sensibilität.

Geblieben ist auch seine Partnerin Elisa Badenes, die die Kantorka mit der von ihr gewohnten Spitzenbeweglichkeit und geschmeidigstem Bewegungs-Duktus leicht hintupft und darob jede Figur mit natürlicher Ausstrahlung erfüllt. Auch der Meister von Roman Novitzky ist bereits erprobt, jetzt allerdings mit deutlich gewachsener Dringlichkeit im Auftreten und der musikalischen Detail-Genauigkeit. Das gewisse Geheimnisvolle Etwas geht zwar ab, doch blitzt immer wieder eine spitzbübische Freude in der Macht über Andere durch.

Ebenfalls zum Premierenpersonal gehört Alicia Amatriain als raffiniert in den Wahnsinn kippende Worschula, jetzt neu assistiert von Halbsolist Marti Fernandez Paixa als ältestem Gesellen Tonda mit sympathisch zuverlässigem Einsatz. Als Erste Solistin leider zu wenig entsprechend eingesetzt, kann Myriam Simon als magisch aus dem Dunkel aufleuchtender Gevatter Tod in roter Glitzerrobe mit Fischschwanz und Federhut immerhin ihre allemal für sich einnehmende Körper-Präsenz wirken lassen.

Der den Meister in allerlei Kampfformen in die Zange nehmende wandernde Zauberer Pumphutt war Angelina Zuccarini auf den Leib geschneidert. Leider fiel sie aus und konnte durch Ami Morita achtbar, aber ohne die entscheidende Attacke und Geschwindigkeit ersetzt werden. Unter den solistisch hervor tretenden Gesellen hatte Fabio Adorisio als die Zauberformel entdeckender und damit letztlich allen helfender Juro einen ebenso überzeugenden Auftritt wie Timoor Afshar als gedemütigter Merten. Die beiden Neuankömmlinge waren Ludovico Pace als sensibler Wytko und Alexander Mc Gowan als mutig frecher Lobosch.

Ein Gesamtlob den weiteren Gesellen und dem Mädchencorps, die etwas Aufhellung in die Düsternis der Mühle bringen.

Besonders viel Würdigung hatte auch das Staatsorchester Stuttgart unter James Tuggle mit viel zusätzlichem Instrumentarium verdient, das mit speziellen Klangwelten- und –effekten die szenische Seite perfekt ergänzte.

Das Publikum hatte auch jetzt wieder guten Grund zum Jubeln und reagierte stürmisch.

Udo Klebes

 

 

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