Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

STUTTGART/St. Michael: GEMEINSAM FÜR DEN FRIEDEN – SWR Vokalensemble

20.12.2015 | Konzert/Liederabende

 

GEMEINSAM FÜR DEN FRIEDEN

SWR Vokalensemble Stuttgart beim Live-Konzert der European Broadcasting Union in der katholischen Kirche Sankt Michael Sillenbuch am 20. Dezember/STUTTGART

5_SWR Vokalensemble Stutgart_Foto SWR_Christian Mader_cmyk
Copyright: Christian Mader

Die europäischen Rundfunkanstalten mit 74 Sendern in 56 Staaten Europas hatten sich zusammengetan und ein gemeinsames Radioprogramm gestaltet, bei dem internationale Rundfunkanstalten ihre Programme zusammenschalteten. Dabei war auch das SWR Vokalensemble mit von der Partie.

Unter der Leitung von Florian Helgath erklang zunächst mit romantischer Gefühlstiefe und ohne barocke Formstrenge „Frohlocket Ihr Völker auf Erden“ für gemischten Chor a cappella von Felix Mendelssohn Bartholdy, wobei die thematischen Zusammenhänge in reizvoller Weise hervorblitzten. Die schlichte Dreiklangsharmonik wurde vom Dirigenten Florian Helgath mit dem SWR Vokalensemble in wunderbarer gesanglicher Klarheit unterstrichen.

Nicht weniger eindringlich erklangen dann die beiden Chorwerke „Ave Maria“ und „Os iusti“ von Anton Bruckner mit feinen dynamischen Steigerungen, wobei sich das SWR Vokalensemble in besonderer Weise profilieren konnte. Rhythmisch und melodisch gelang die Wiedergabe wie aus einem Guss, die flüssige Bewegung der Klangräume mit ihrer gotischen Architektur kam in wirklich ergreifender Weise zum Vorschein, wozu die blendende Akustik in der katholischen Kirche Sankt Michael deutlich beitrug. Nach etlichen Steigerungen ergab sich dabei eine fast orchestrale Wirkungskraft. Polyphonie und Metrik waren auch bei Bruckners später Motette „Os iusti“ stark ausgeprägt, denn das SWR Vokalensemble ließ die hymnisch-enthusiastischen Aufschwünge dieser Musik äusserst lebendig werden.

Drei Motetten für Männerstimmen mit den Titeln „Canite tuba“, „Natus est nobis“ und „Ante luciferum genitus“ von Jacobus Gallus entführten das Publikum daraufhin in die Welt von Dur- und Moll-Harmonien – gewürzt von polyphonen Passagen und modalen Kirchentonarten. Das alles wirkte ungewöhnlich zukunftsweisend und modern.

„Es sungen drei Engel“ von Gustav Mahler (bearbeitet für achtstimmigen Chor a cappella von Clytus Gottwald) zeigte nochmals die außergewöhnlichen Qualitäten des SWR Vokalensembles unter der einfühlsamen Leitung von Florian Helgath. Tonfall, Rhythmus und Wortwahl des alten Volksliedes blitzten hell und leuchtkräftig hervor. Clytus Gottwalds nuancenreiche Bearbeitung unterstrich das modernde Bewusstsein. Häufige Taktwechsel, jähe Stimmungskontraste, das irreguläre Metrum des Volksliedes und seltsame Traumbilder beherrschten diese Wiedergabe.

Die Motette „O Heiland, reiß die Himmel auf“ op. 74 Nr. 2 für gemischten Chor a cappella von Johannes Brahms gefiel hier mit ihrem betont melancholischen Charakter und ihrer trotzdem federnden Schwungkraft. Wie bei einer Orgelpartita ist hierbei jede Strophe eine neue Variation des Chorals. Die Choralstimme wanderte im Verlauf der vier Strophen durch die einzelnen Stimmen, was vom SWR Vokalensemble besonders reizvoll interpretiert wurde. Die romantische Klangwelt mit intensiver Linie und Zeichnung wurde vom SWR Vokalensemble unter der Leitung von Florian Helgath sehr gut betont.

Zuletzt faszinierte noch die betont dezente Wiedergabe von Arnold Schönbergs „Friede auf Erden“ für Chor a cappella. Zwischen Tonalität und Atonalität und verschiedenen Rhythmen bewegten sich dabei die Klangflächen. Getragene halbe Noten wurden von rascheren Achteln aufgeschreckt, wenn von Waffen, Mord und Blut die Rede war. Grundlage ist hier ein Gedicht des Schweizers Conrad Ferdinand Meyer aus dem Jahre 1886. Intervallsprünge erinnerten an ein entferntes Glockenläuten. Wie geschickt die Linien der Melodien von tonalen Bindungen frei ineinander gleiten, machte das SWR Vokalensemble unter Florian Helgath einmal mehr deutlich. Akkordbildungen mit rein intuitivem Ursprung wurden ebenfalls mit ausgezeichneter Präzision betont. Ferner spürte man bei diesem Frühwerk Pathos und Sehnsuchts-Chromatik Wagners, Brahms‘ lineare Formstrenge und Debussys Sensibilität. Auch das Übereinandertürmen verschiedener Stimmen verdeutliche das SWR Vokalensemble exzellent, obwohl es hier nicht so ausgeprägt ist wie bei den Spätwerken.

Als Zugaben waren noch „Stille Nacht“ und mit wunderbarer Schlichtheit „Ich steh‘ an deiner Krippen hier“ aus Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“ zu hören. Dieses Konzert unter dem Motto „Friede auf Erden!“ sollte eine besondere Botschaft in die Welt hinaussenden.  

Alexander Walther

 

Diese Seite drucken