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STUTTGART/Schauspielhaus: 6. LIEDKONZERT Simone Schneider & Matthias Klink – erstaunliche Nähe zur Avantgarde

24.06.2016 | Konzert/Liederabende
  1. Liedkonzert im Schauspielhaus Stuttgart

ERSTAUNLICHE NÄHE ZUR AVANTGARDE

6. Liedkonzert mit Simone Schneider und Matthias Klink am 23. Juni 2016 im Schauspielhaus/STUTTGART


Matthias Klink. Copyright: Martin Sigmund

„Wien zwischen Operette und Avantgarde“ – so lautete das vielsagende Motto des 6. Liedkonzerts der Staatsoper. Die Zeit der silbernen Operette wurde heraufbeschworen. Und die Welt eines Expressionisten und Zwölftonkünstlers wie Alban Berg berührt sich überraschend mit frühen Kunstliedern von Franz Lehar und Emmerich Kalman. Matthias Klink (Tenor) eröffnete gesanglich sehr geschmeidig und stimmungsvoll diesen Reigen mit Emmerich Kalmans „Ewiger Rausch“, wo mitreissender rhythmischer Elan vorherrschte. Er wurde von Frederic Sommer am Flügel schwungvoll begleitet. Heiter beschwingt und leidenschaftlich interpretierte Matthias Klink auch Franz Lehars „Vorüber“. Einen reizvollen Kontrast boten dann die beiden Nummern „Am Abend“ und „Frau, du Süße“ von Alban Berg, wo die feinsten Schattierungen des Gefühls facettenreich hervorstachen.


Simone Schneider. Copyright: Martin Sigmund

Simone Schneider hatte bereits bei Emmerich Kalmans „Blumenlied“ einen großen Auftritt, wo sich ihre voluminöse Gesangsstimme bestens entfalten konnte. Die Intensität der Melodik paarte sich dabei mit elektrisierend-fetziger ungarischer Volksmusik. Weiche Legato-Bögen und dynamische Fülle beherrschten dann Simone Schneiders konzentrierte Wiedergabe von Alban Bergs „Die Nachtigall“ und „Sommertage“, wo die sphärenhaft-geheimnisvollen Momente überzeugend zu Gehör kamen. Aufbau und Thematik gefielen hier aufgrund feinster stimmlicher Gestaltungskraft und Intelligenz. Frederic Sommer interpretierte dann das Klavierstück Nr. 10 in c-Moll von Alban Berg mit vielen durchdachten Nuancen, hier triumphierte aber auch die von allen traditionellen Bindungen befreite Metrik und Rhythmik. Themen und Motive wurden in ihrer kunstvollen kontrapunktischen Bearbeitung überzeugend herausgestellt. Matthias Klink gestaltete Alban Bergs Lied „So regnet es sich langsam ein“ mit künstlerischer Reife und emotionaler Tonsprache. Dazu bot Emmerich Kalmans „Am Herbststrand“ einen reizvollen Kontrast in einer fast draufgängerischen Szene zwischen Licht und Schatten, die Matthias Klink einfühlsam beschwor. Simone Schneiders Interpretation von Alban Bergs und Franz Lehars „Die Näherin“ machte die Gemeinsamkeiten und Gegensätze von beiden Kompositionen in eindringlicher Weise deutlich. Die technische Verfeinerung dieser Lieder gestaltete Simone Schneider immer wieder mit der notwendigen Sensibilität und Nonchalance. So konnte man die Empfindungserlebnisse menschlicher Geschehnisse in großer Intensität nachvollziehen. Die gewaltigen gesanglichen Legato-Bögen verstärkten diesen Eindruck noch. Franz Lehars „Aus längst vergang’ner Zeit“ korrespondierte in der Wiedergabe von Matthias Klink sehr feinsinnig mit Alban Bergs „Leukon“, wobei leuchtkräftige Farbigkeit bei beiden Liedern triumphierte. Nach der Pause überzeugte Simone Schneider aufgrund ihrer gesanglich feurigen Darstellung von „Warum hast du mich wachgeküsst“ aus der Operette „Friederike“ von Franz Lehar, wo auch Goethe als Sänger auftritt. Mit erfrischender Präzision machte Simone Schneider viele Akzente dieser Partie deutlich. Matthias Klink gefiel ferner bei der berühmten Arie „Gern hab ich die Frau’n geküsst“ aus der Operette „Paganini“ von Franz Lehar, wobei die spielopernhaften Momente auch vom begleitenden Pianisten Frederic Sommer nicht verleugnet wurden. Eine Meisterleistung vollbrachte Simone Schneider bei der bekannten Arie „Meine Lippen, sie küssen so heiss“ aus Lehars Operette „Giuditta“. Da war sie ganz in ihrem Element. Und auch die triolen- und synkopenreiche Melodik behauptete sich. Anklänge an den Impressionismus und Puccini traf Simone Schneider genau. „Lieber Freund, man greift nicht nach den Sternen“ aus Lehars „Graf von Luxemburg“ besaß in der Wiedergabe von Simone Schneider und Matthias Klink starken Esprit und Grandezza. Frederic Sommer interpretierte höchst einfühlsam die pianistisch anspruchsvollen Fantasien über Gedichte von Richard Dehmel op. 9 „Waldseligkeit“ und „Liebe“ von Alexander von Zemlinsky, wo die vorantreibende Kraft der Themen in hervorragender Weise getroffen wurde. Expressive Steigerungen und die Erweiterung der Tonalität beeindruckten das Publikum dabei ungemein, zumal das Licht auf der Bühne weitgehend ausgeschaltet wurde. Ein Nachtstück. Matthias Klink interpretierte „Schatz, ich bitt‘ dich, komm‘ heut‘ Nacht“ aus „Frasquita“ von Franz Lehar mit untrüglichem Gespür für das blaue Himmelbett und spanisches Kolorit. Matthias Klink und Simone Schneider brillierten dann nochmals gemeinsam bei „Es lockt die Nacht“ aus Carl Millöckers Operette „Die Dubarry“ mit harmonischen und tanzrhythmischen Modernisierungen. Simone Schneider gestaltete „Hör ich Cymbalklänge“ aus Franz Lehars „Zigeunerliebe“ mit genauem Gefühl für Csardasrhythmen und romantische Stimmungen. Matthias Klink imponierte ferner mit einem dynamisch differenzierten Vortrag von „Komm Zigany“ aus „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kalman, wo Pfeffer im Rhythmus lag. Matthias Klink und Simone Schneider führten „Komm mit nach Varasdin“ aus Franz Lehars „Gräfin Mariza“ zu einem rauschend-ekstatischen Abschluss zwischen blauem und rotem Bühnenhintergrund und eines dezent im Hintergrund stehenden Konversationstisches nebst geschmackvollem Blumenstrauß. Den gab’s denn auch für das Ensemble. Als launige Zugabe wurde übrigens noch die durch Max Hansen im Jahre 1934 berühmt gewordene „Mehlspeis“ von Ralph Benatzky von diesem wunderbaren Gesangsduett dargeboten, die eine kulinarische Liebeserklärung an Wien ist.

Das Konzert fand in Zusammenarbeit mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie in Stuttgart statt.

Alexander Walther

 

 

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