Stuttgart/ Junge Oper: : BENJAMIN, Oper von Gion Antoni Derungs 14.11.2017
Die Junge Oper Stuttgart, eine Sparte der Württ.Staatstheater, bespielt das Kammertheater in der Neuen Staatsgalerie, dem Stirling-Bau von 1984. Gespielt wird eine Oper des rätoromanischen Komponisten G.A. Derungs, Benjamin, eine Oper für alle ab 14 Jahren. Es geht um die Geschichte von Joseph und Benjamin des Alten Testaments.
Benjamin ist als einziger Mitwirkender ein Tänzer. Mit seiner Geburt, an der Rahel, Jacobs Lieblingsfrau, um die er lange Jahre gedient hat, stirbt, setzt die Geschichte an, setzt sich über die Wanderschaft in Kanaan fort, thematisiert die zehn Brüder, die Joseph in die Grube werfen, behandelt Josephs Geschichte in Ägypten, die Ankunft der Brüder dort und schließlich seine Einladung, bei ihm während der siebenjährigen Hungersnot zu wohnen und ihren Vater Jacob nachzuholen, der dort friedlich verstirbt.
Das Besondre an dieser Oper ist, daß sie rein vocal komponiert ist und dargeboten wird, es gibt also nur die Sänger-Akteure, den stummen Tänzer Joseph sowie den Chor auf der Spielfläche. Davor sitzen die Zuschauer in ansteigenden Reihen und ganz oben mittig der Dirigent. Es wird hauptsächlich in Rätoromanisch gesungen, einer heute sehr seltenen Sprache in Graubünden, die starke italienische Einschläge aufweist. Derungs hat einige Volkslieder seiner Heimat in die Komposition eingebaut und erhält daraus eine ganz eigenartige, aber immer gut ins Ohr gehende Tonsprache. (Die Oper ist im letzten Drittel des 20.Jahrhunderts entstanden, Derungs ist vor einigen Jahren gestorben.) Besonders beim Bruderstreit kommt es auch zu dramatischen Zuspitzungen. Die Szene arbeitet mit einfachen Mitteln. An der Hinterwand steht wohl die Jacobsleiter, die Benjamin am Ende erklimmt, ein nur durch Stangen angedeutetes Gehäuse symbolisiert die Nichtseßhaftigkeit des Jacobsstamms. Öfter wird es an vier mit schweren Gewichten versehenen Seilen von Ruben, Dan und Naphtali an je einem Seil, von Rahel und Jacobs beiden Nebenfrauen am vierten Seil weitergezogen. Die Grube ist nur ein Deckel zur Unterbühne, wo nach Joseph auch seine Brüder in Ägypten zuerst hineingeworfen werden. Die ägyptische Aristokratie trägt kubusförmige hohe Kopfbedeckungen, während sich die Juden durch ihre sehr langen Haare und weißen Kleider hervorheben. Einzig Benjamin trägt ein wertvolles Gewand von Goldfäden, es ist der ausdruckstarke Tänzer Ibrahima Biaye.
Im professionell singenden und agierenden Projektchor der Jungen Oper, einstudiert von Benjamin Hartmann, tragen die Frauen schwarz-weiß gebatikte Kleider, die Männer ganz weiße. Den Joseph gestaltet und singt eindrücklich Philipp Nicklaus. Jacob und Pharao werden vom tiefstimmig agierenden Thomas Herberich übernommen. Den Ruben gestaltet Konstantin Krimmel, den Juda und einen Professor vom Hof des Pharao Marc-Eric Schmidt. Dan und Potiphar wird von Daniel Keating-Roberts gegeben. In den exponierter erscheinenden Frauenrollen reussiert Minyoung Catharina Häger mit sicher geführten schönklingendem Alt als Potifera und Nebenfrau Jacobs, Myriam Mayer als Asenat, Geliebte und Frau Josephs, mit balsamisch timbriertem und gestaltendem Mezzo und Lena Sutor Wernich als Rahel und blonde Ägypterin mit glattem gleißendem Sopran.
Die Gesamtleitung hat Jan Croonenbroeck inne und formt ein Spektakel aus einem Guß. Zu keiner Sekunde vermisst man einen zusätzlichen Instrumentalsound oder begleitenden ‚Cantus firmus‘ !
Friedeon Rosen