„Die Politiker“ von Wolfram Lotz als Produktion der Schauspielschule am 4. Oktober 2025 im Wilhelmatheater/STUTTGART
Verwirrendes Sprachkonzert
Foto: Christoph Kalscheuer
Dieses Stück ist eigentlich ein einsames Gedicht, das hier als Produktion der Schauspielschule und des Instituts Jazz & Pop der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart in der subtilen Regie von Jozef Houben gezeigt wird. Der dreifaltige Gesang kann sich jedenfalls wirkungsvoll entfalten, denn die Darsteller Eva Habenicht, Lotte Henning, Richard Kipp, Mika Pavle Kuruc, Vittoria Mensah, Philip Süs, Nico Voigtmann und Annalisa Weyel lassen die Sprachspielereien zur Musik von Johanna Ehlers (Kontrabass), Jakob Hafner (Schlagzeug) und Georg Alban List (Klavier) geradezu aufblühen: „Wer sind die Politiker?“ Hinzu kommt die Deutsche Gebärdensprache von Jasmin Cuber, Tanja Lilienblum und Angela Tuscher. Das alles geschieht als Form des Unmöglichen Theaters: „Wenn wir schreiben, fordern wir eine Autonomie von der Welt!“ Bühne und Kostüme von Kersten Paulsen lassen die Szenerie höchst lebendig werden – und auch die Bewegungsarbeit von Björn Leese passt gut ins Bild. Da entstehen dann Politiker als bizarre Figuren, die partysüchtig sind und immer nur an Sex denken. Die Gesellschaft wird hier geradezu seziert und gnadenlos bloßgestellt. Der Text ist stringent rhythmisch und zum Teil auch gereimt. Hier ist es allerdings eher kein melodischer Gesang.
Foto: Christoph Kalscheuer
„Die Politiker“ sind trotzdem auch ein Gedichtband mit einem einzigen langen Gedicht, das bei dieser temporeichen Aufführung in durchaus witziger Weise aufbereitet wird. Absurde Handungssplitter verdichten sich: „Die Politiker die Politiker die Politiker die Politiker…Die Politiker gehen die verschneiten Hänge hinab ich sehe sie aus Entfernung. Was haben sie vor?“ Die Handlung zeigt immer wieder eine Art von Raserei oder Blödelei, denn der Regisseur Jozef Houben fühlt sich auch als Clown und Schauspieler, was man seiner Inszenierung deutlich anmerkt. „Die Politiker schlafen auf dem Bauch und da schlafe ich auch“, heißt es dann vielsagend weiter. „Rauch! Rauch! Rauch! Die Politiker sind Rauch! und wir, wir – Gartenschlauch!“ Man denkt manchmal an Kinderreime und spürt neben allen Wutausbrüchen auch eine Spur Unbekümmertheit. Einmal ist sogar von „Wolfram“ die Rede – und von dessen Mutter: „Die Politiker fragen: Wolfram wie oft rufst du deine Mutter an?“ Man spürt auf der Bühne, wie geschickt sich die Politiker in das Privatwesen der Bürger schleichen. Dieser eminent politische Text verfehlt auch in Stuttgart seine Wirkung nicht. Manchmal wird es regelrecht dramatisch: „Alles geht wann fort alles geht wann fort. Und trotzdem nicht an einen anderen Ort und trotzdem nicht an einen anderen“. Zuletzt werden „Die Politiker“ hier zur geheimnisvollen Zaubershow, denn die Utensilien auf der Bühne machen sich selbstständig und scheinen sich zu bewegen. Diese suggestive Bühnenshow wird einmal sogar um ein Puppenspiel angereichert, wo ein Hund auf einen Islamkritiker losgeht! „Die Politiker kochen Kartoffeln…“ heißt es weiter. Und dann wird es ganz drastisch deutlich: „Bratkartoffeln nennt man das, ihr Idioten!“ Unter der impulsiven muskalischen Leitung von Rainer Tempel finden Musik und Sprache hier gut zusammen.
Viel Applaus und „Bravo“-Rufe!
Alexander Walther