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STUTTGART/ Wilhelma-Theater: „ROMEO AND JULIET“ mit dem TNT Theatre Britain und der American Drama Group

Hinter der Maskerade steckt die Tragödie

15.10.2018 | Theater

William Shakespeares „Romeo and Juliet“ mit dem TNT Theatre Britain und der American Drama Group am 15. Oktober 2018 im Wilhelma-Theater/STUTTGART

HINTER DER MASKERADE STECKT DIE TRAGÖDIE

Viel Maskerade und Commedia dell’arte-Momente beherrschen diese Produktion von Paul Stebbings und Dan Wilder. Diese Truppe spielt Shakespeare nun wirklich ganz anders als ein deutsches Theater – sehr viel authentischer. Manchmal hat man sogar den Eindruck, dass die Zeit hier irgendwie stehen geblieben ist. Das Stück beschreibt die tragische Liebesbeziehung von Romeo Montague und Juliet Capulet, die verfeindeten Familien angehören. Sie heiraten heimlich, was zu Spannungen führt, weil Juliet einen anderen Mann, nämlich Paris, heiraten soll. Um der Eheschließung mit dem ungeliebten Mann zu entgehen, nimmt Juliet ein Mittel, das sie für bestimmte Zeit tot erscheinen lässt. Romeo meint nun, dass Juliet tot sei und vergiftet sich an ihrem Grab. Juliet erwacht, sieht den Leichnam des Geliebten und nimmt sich ebenfalls das Leben. Am Grab der Kinder bereuen die verfeindeten Familien ihren Hass und versöhnen sich.

Dieses Ende tritt bei der Inszenierung von Paul Stebbings und Dan Wilder aber eher in den Hintergrund. Harry Owens als Romeo und Charis King als Juliet gelingt es ganz ausgezeichnet, sich in den zentralen Mittelpunkt dieser erschütternden Liebesgeschichte zu stellen, die an Aktualität nichts verloren hat. Auch die Musik von John Kenny und Clara Hyder mit ihren starken Reminiszenzen an John Dowland passt sich gut dem Handlungsgeschehen an. Gestalten der griechischen Antike scheinen die einzelnen Figuren immer wieder in geheimnisvoller Weise zu leiten und zu führen. So wirken sie stellenweise wie Marionetten. Das Spiel der Protagonisten wird von der heißen Liebesleidenschaft der Hauptfiguren geradezu inspiriert. Allen voran Basienka Blake als hervorragende Nurse vermag das Handlungsgeschehen mit schauspielerischer Präsenz unaufhörlich voranzutreiben und anzuheizen. Die Seelen der jungen Liebenden sprechen hier deutlich zum Publikum, auch der betont lyrische Gehalt des Werkes kommt nicht zu kurz. Dies zeigen neben Lawrence Jackson Pentland als Tybalt/Friar auch David Chittenden als cholerisch aufbrausender Lord Capulet und Michael Skellern als Mercutio. Sie alle geben dieser heißblütigen Tragödie den letzten Schliff.

Zuweilen wird auch im Chor gesungen, was von starker Wirkungskraft ist. Shakespeares Sprache blüht bei dieser gelungenen Inszenierung förmlich auf, Sonett und Blankvers zeigen ihren großen und unbeschreiblichen Zauber. Wie virtuos Shakespeare dabei mit Wörtern spielt, machen die Schauspieler ebenso plastisch deutlich. Auch die altertümlichen Endungen hört man zuweilen deutlich heraus, so wird der Zuschauer ins elisabethanische Zeitalter zurückversetzt. Die Macht des Petrarca-Sonetts setzt sich durch – auch kommt es zu einer Zeitreise durch verschiedene Stilepochen. Juliets Vater erscheint beispielsweise in einer Rokoko-Perücke. Ungereimte jambische Pentameter unerstreichen den revolutionären lyrischen Charakter. Bei ihrer ersten Begegnung sprechen Romeo und Juliet ein volles Sonett, was Harry Owens und Charis King wunderbar betonen. Wortspiele und sogar sexuelle Anspielungen stechen bei dieser Aufführung in ironischer Weise hervor. Komödie und Tragödie liegen so ganz dicht beieinander. Die Nachtmetaphorik spielt ebenfalls zwischen „Tod/Trauer/Kummer“ eine zentrale Rolle – auch bei den unheimlichen Gewitterszenen. Ansonsten werden die Kulissen oft hin- und hergeschoben, was aber nicht sonderlich stört. Das Motiv von Sein und Schein wird bei dieser Inszenierung immer wieder deutlich herausgestellt. Riesenapplaus eines vorwiegend jugendlichen Publikums. Shakespeare hat auch in unserer Zeit nichts von seiner Bedeutung verloren. Das Stück wird in englischer Sprache gespielt.

 

Alexander Walther

 

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