Stuttgart Wilhelma Theater: „COSI FAN TUTTE“ 14.6.2024 (Pr.8.6.) – überwiegend bestandene Prüfungen
Copyright: Wilhelma-Theater
Das Stück behandelt nicht nur gemäß dem Untertitel „die Schule der Liebenden“, es ist (wie Mozart generell) auch eine maßgebliche Schule der Gesangstechnik. Insofern war die Auswahl der diesjährigen Semester-Abschluss-Produktion ideal, um den Nachwuchs auf weitere Tauglichkeit in der Bühnen-/Konzertpraxis zu überprüfen. Dabei bietet Mozarts letzte der drei mit Lorenzo da Ponte geschaffenen Opern auch die seltene Gelegenheit ausschließlich großer Partien, weshalb alle Beteiligten vollumfänglich bewertet werden können.
Von den beiden, z.T. auch vermischten Besetzungen waren an diesem Abend zu erleben:
Tamuna Melanashvili als Fiordiligi – ein Sopran mit dem erforderlichen Registerumfang, einem individuellen, reizvoll leicht herben Timbre, weich im Ansatz und nur gegen Ende etwas unsteter und enger werdender Höhe; Lana Maletic als Dorabella – ein Mezzo mit angenehm runder Stimmfarbe, ausgeglichenen Lagen, lyrisch grundiert und doch bereits Ansätze zu schwereren Aufgaben hörbar machend; Alejandro Aparicio als Ferrando – ein Tenor mit nur teilweise beachteter Nuancierung in den Lyrismen (Arie), aber auch mit häufig unnötig viel Druck auf seine mit einiger Kraft und dadurch manchmal grell werdende Stimme; Hannes Nedele als Guglielmo – ein Bariton hellerer Couleurs, noch etwas unergiebig in der Tiefe und Klangfarbenmischung, aber voll und gleichmäßig durchgebildeter Mittellage und Höhe sowie flexibler Tempo-Einstellung; Seoho Park als Despina – ein ganz leicht perlender Sopran, dessen lieblicher Klang sich auch zum schelmisch spitzen Charakter wandelt, ein Spieltalent mit nur noch nicht immer durchsetzungsfähiger Stimme in den Ensembles; Shunya Goto als Don Alfonso – ein Bassbariton mit der reifsten Stimme in diesem Sextett, gut sitzend und leicht strömend, mit Fülle, aber auch Differenzierung und bereits gesetzter Ausdruckskraft.
Dazu hatten die Sechs in der teils viel Reaktionsschnelligkeit verlangenden Inszenierung von Guillermo Amaya eine ideale Gelegenheit in diesem intriganten Verwirrspiel um die Treueprüfung zweier Frauen ihre schauspielerischen Fähigkeiten zu beweisen. Nicht nur hinsichtlich Beweglichkeit, reichhaltiger Gestik, mimischer Überzeugungskraft, sondern auch im Zusammenspiel des Ensembles, das ja bei Mozart trotz vieler solistischer Momente bekanntlich von wesentlicher Bedeutung ist.
Den optischen Rahmen bildete die mit orangefarbenen Schnürvorhängen seitlich begrenzte und nach hinten offene Bühne, auf der die wenigen verschieden farbigen Möbelstücke (ein sich schnell zum Bett umklappen lassendes Sofa, ein Tisch, ein Sessel und ein Stuhl) und die ebenso bunten Kostüme (beides: Jörg Zysik) auf die vom Regisseur angeführte Bilderwelt des Filmemachers Pedro Almodóvar im Zuge der gewonnenen Freizügigkeit nach dem Ende des Franco-Regimes im Spanien der 1980er Jahre verweisen. Die Zeitlosigkeit des Sujets rechtfertigt diese Einordung in eine Zeit neu erstandener Demokratie und damit verbunden gesellschaftlicher Neuorientierung in verschiedensten Belangen, zumal Amaya nichts Äußerliches, vielmehr die Interaktion der Sänger mit genauer Beobachtung und einigem Witz in den Mittelpunkt stellt. Die Verwandlung der Liebhaber von uniformierten Soldaten zu quietschbunten Albanern (laut Libretto) bleibt ebenso nachvollziehbar und glaubhaft wie die Lösung der doch immer Fragen hinterlassenden finalen Szene, in der hier die Möbelstücke auf einen Haufen getürmt werden und die Akteure mal vor an die Rampe tretend, dann wieder zurück laufend zunächst mal in ihrem Gefühlschaos verbleiben. Und dann?
Nur die Bebilderung der Ouvertüre mit Hin- und Hertragen der Möbel wirkte wie eine unnötige Beschäftigung, da hätten sich die MusikerInnen im Graben, die agilen Streicher des Stuttgarter Kammerorchesters, ergänzt durch Bläser und einen Paukisten der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst für die fünf einstimmenden Minuten die volle Aufmerksamkeit des Publikums verdient. Unter der Leitung von Bernhard Epstein entfaltete sich Mozarts farbreich erlesene Partitur mit beherztem klassischem Zugriff, mal elastisch mit federndem Schwung, mal straff, und mit delikaten solistischen Einwürfen sowie einigen aufhorchen lassenden rhythmischen Akzenten. Der Vollständigkeit halber gehört erwähnt, dass auf die beiden Chorpassagen sowie auf die jeweils zweiten Arien der Dorabella und des Ferrando verzichtet wurde.
Für diese kurzweilige Aufführung durften alle Beteiligten angemessen differenzierten Jubel einstecken.
Udo Klebes