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STUTTGART/ Stuttgarter Ballett: SCHWANENSEE – mit viel Seele

11.05.2018 | Ballett/Performance


David Moore, Anna Osadcenko. Copyright: Stuttgarter Ballett

Stuttgarter Ballett

„SCHWANENSEE“ 10.5.2018nm – mit viel Seele

Wenn Prinz Siegfried während seiner Feier vor der Volljährigkeit die auf vier verstaubt wirkenden Gemälden präsentierten Prinzessinnen als künftige Gemahlinnen allesamt ablehnt und sich lieber den Vergnügungen mit den reell anwesenden, wenn auch nicht standesgemäßen, jedoch äußerst reizvollen Bürgerinnen widmet – darunter die nach einer Pause zurück gekehrte, in einem Solo debutierende und dabei sowohl Feinheit als auch Wärme vermittelnde Agnes Su – ist dies vollkommen nachfühlbar. Vielleicht hätte es über alle Hierarchieschranken hinweg tatsächlich mit einer solchen Hochzeit geendet, wenn der Prinz nicht den Spuren eines Schwarms von Schwänen gefolgt und auf die verzauberte Prinzessin Odette gestoßen wäre, die wie ihre Gefährtinnen dazu verdammt ist, nur nachts ihre menschliche Gestalt anzunehmen.

Die ob ihrer Doppelfunktion wie auch in den technisch komplexen Ansprüchen äußerst  fordernde Partie war in dieser Nachmittagsvorstellung erstmals nach der Babypause wieder Anna Osadcenko anvertraut worden. Der russischen Ersten Solistin darf in jeglicher Hinsicht eine ausgereifte Leistung attestiert werden, die sich in einer ganzumfänglich  ausgewogenen, in sich ruhenden und überlegenen Interpretation niederschlägt. Beherrscht und würdevoll bringt sie ihr Leid in schön und ausdrucksvoll phrasierten Arabesquen seelenvoll zum Schwingen, kontrastiert von einer ohne Verführungs-Extravaganzen auskommenden und in allen Details virtuos hingezirkelten und ohne jegliche Schwäche bestechend saubere Fouettes drehenden schwarzen Doppelgängerin Odile.

Von ihrer Sicherheit profitierte auch der anfangs noch etwas vorsichtig und zurückhaltende David Moore, der sich im weiteren Verlauf, gerade auch in seiner verinnerlichten Anteilnahme wie auch seinem Bedacht auf Präzision als prinzlicher Partner auf Augenhöhe mit ihr präsentierte. Das Solo im dritten Akt gelang aus einem Guß, der Schmerz über seinen verräterischen Irrtum kommt ehrlich, ohne Pathos zum Tragen, und wie schon bei seinem Debut im Dezember kämpft er wie kaum ein anderer glaubwürdig mit den durch sturmbewegte Stoffbahnen imaginierten Wellen des übergehenden Flusses.


Alexander Mc Gowan, Anna Osadcenko. Copyright: Stuttgarter Ballett

In Kraft gesetzt wurde dieses Naturereignis nun erstmals von Alexander Mc Gowan als Zauberer Rotbart, der ob seiner Größe eine Macht demonstrierte, die er aber trotz Furcht erregendem schwarzem Umhang körpersprachlich noch nicht so ganz zur Geltung brachte.

Sinéad Brodd und Veronika Verterich sind die neuen großen Schwäne und hatten trotz ihrer respektablen Körpergröße in der Publikumsgunst wieder einmal keine Chancen gegen das flink stakkatierende Quartett der kleinen Schwäne. Im Corps de ballet bereits mehrfach aufgefallen, konnte sich Timoor Afshar nun auch solistisch mit guter Dreh- und Standhaftigkeit gleich zweifach präsentieren: zunächst als prinzlicher Freund Benno und dann als im Mittelpunkt stehender Begleiter der neapolitanischen Prinzessin. Es wäre fair, wenn nicht nur er, auch alle Herren, die im Finalakt nicht mehr dabei sind, nach der Szene im Schloss einen Solo-Vorhang gewährt bekommen. Das ließe sich doch bestimmt ohne Probleme in den Ablauf integrieren.


Copyright: Stuttgarter Ballett

Das Schwanen-Corps hatte schon bei der WA im Dezember geschlossen hohes Niveau und wiederholte diese Ensemble-Leistung nun erneut. Um die musikalische Seite war es dagegen nicht so gut bestellt. James Tuggle  erzielte mit dem Staatsorchester Stuttgart wohl die jeweils passende Stimmung, doch wurde der instrumentale Genuss von vielen Unsauberkeiten und gar falschen Tönen seitens der Holzbläser mehrfach getrübt. Trotzdem wurden die Musiker in den Jubel für die Tänzer miteinbezogen.

  Udo Klebes

 

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