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STUTTGART/ Stuttgarter Ballett: „FÜNF FÜR HANS“ 24.5. (Premiere) – Ehrung eines Großmeisters

26.05.2025 | Ballett/Performance

Stuttgarter Ballett: „FÜNF FÜR HANS“ 24.5.2025 (Premiere) – Ehrung eines Großmeisters

Es war höchste Zeit, dass sich das Stuttgarter Ballett wieder auf das Oeuvre von Hans van Manen besonnen hat. Laut Statistik führt es außerhalb der Niederlande die meisten Werke in seinem Repertoire, doch gepflegt wurde es nach dem Abtritt von Marcia Haydée, die den Choreographen seit 1981 u.a. auch mit drei Uraufführungen regelmäßig nach Stuttgart geholt hatte, nur noch sporadisch.

Doch jetzt ein ganzer Abend ausschließlich dem Meister gewidmet, der dann passend noch mit der Verleihung des Live Achievement Award durch die Zeitschrift „Tanz“ für sein Lebenswerk gekrönt wurde. Deren Vertreterin Dorion Weickmann würdigte ihn in ihrer Laudatio als einen überragenden Tanzschöpfer der Europäischen Aufklärung und der Ehrlichkeit, worauf der für seine 92 Jahre noch bemerkenswert fit erscheinende van Manen in einer klar formuliert vorgetragenen Dankesrede die Unterstützung durch die deutsche Tanzkritik würdigte, aber auch vor drastischen Einsparungen im Kulturbereich warnte. Geschlossen stehende Ovationen und ein kleiner Blumenregen waren die würdig überschwänglichen Zeichen der Dankbarkeit und Begeisterung für den über die Maskenbildnerei zum Tanz gekommenen und mit den höchsten Auszeichnungen bedachten Choreographen.

Davor gab es Tankunsst vom Allerfeinsten am Beispiel von fünf Stücken aus seinem ca. 150 Werke umfassenden Schaffen. Sicher wäre es naheliegend gewesen, auch eine der drei für Stuttgart kreierten Arbeiten wieder zu beleben, doch umspannen diese ausgewählten Piecen einen Schaffenszeitraum von 1973 bis 2005. Dabei wurde das Entscheidende seiner Handschrift sichtbar – van Manen ist sich bei aller Entwicklung und verschiedenen musikalischen Ausrichtungen treu geblieben. Eine aus dem Geist des musikalischen Rhythmus entstehende Atmosphäre, Konzentration auf Wesentliches, klare Linien und transparente Struktur, Gleichberechtigung der Geschlechter sowie ein fruchtbares Zusammenwirken aus neoklassischem (Spitzen-)tanz, modernem Vokabular und bei aller Abstraktion bedeutungsvoller Kommunikation zwischen den Tänzern bestimmen seine ausschließlich handlungslosen, meist recht kurz gehaltenen und dadurch nicht der Gefahr des Überbordens ausgelieferten Schöpfungen.

Seiner frühen Liebe zu Beethoven huldigte van Manen u.a. im gut 50 Jahre alten „ADAGIO HAMMERKLAVIER“ und lässt darin drei Paare einen nie durchhängenden Bogen über die von Olga Khoziainova in aller Langsamkeit zelebrierte Klaviersonate gleichen Namens spannen. Vor einem wehenden Vorhang absolvieren die sechs TänzerInnen in weißen Hosen bzw. Kleidern mal unisono, dann in wechselnden kurzen Duos ein stilles Mit- und Nebeneinander in geometrischer Reinheit mit schwerelos eingebundenen Hebungen, auch mal nach unten gekippten und dann wieder aufgerichteten Spitzen, gespreizten Händen und leise angedeuteten Beziehungen. Dazu kommen noch verschiedene charakterliche Ausprägungen wie Elisa Badenes sprühend gelöst (mit Jason Reilly), Anna Osacenko ganz nach innen gerichtet (mit David Moore) und Miriam Kacerova selbstbewusst aufblitzend (mit Fabio Adorisio).

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Two Pieces for Het: Mackenzie Brown und Marti Paixa. Copyright: Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

In „TWO PIECES FOR HET“ zu trocken vorantreibend oder meditativen Klängen von Erkki-Sven Tüür und Arvo Pärt liefert sich ein Paar in schwarzen Slips und Netzlook einen regelrechten Geschlechterkampf, in dem sie sich zuerst messend umkreisen und dann gegenseitig erotisch und herausfordernd anstacheln. Hier kommen vor allem auch van Manens eingestreute Alltagsgesten ins Spiel, ein kurzes Stehenbleiben, vielsagende Blicke. Mackenzie Brown und Marti Paixa lassen da in einer hinreißenden Mischung aus Lockerheit, Konzentration und Ausstrahlung die Muskeln spielen.

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Trois Gnossiennes: Elisa Badenes und Friedemann Vogel.Copyright: Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

Auch „TROIS GNOSSIENNES“ zu den gleichnamigen Klavier-Miniaturen von Eric Satie beleuchtet die Beziehung eines Paares. Hier unternimmt der Mann mehrere Versuche die etwas orientierungslos Schritte setzende Frau in Schwingungen und über Kopfhebungen gefügig zu machen, bis sie körperlich zueinander finden und in kreisenden und spiegelnden Bewegungen mehr und mehr synchron miteinander tanzen. Elisa Badenes universeller spielerischer Instinkt und Friedemann Vogels partnerschaftliche wie interpretatorische Reife sind eine starke Kombination, der das Klavier, von Chie Kobayashi locker bedient, auf einem Podium von drei männlichen Eleven in derselben blau glänzenden Hose wie der Solist, über die Bühne nachgeschoben wird.

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Humoriges Trio in „Solo“: Fabio Adorisio, Henrik Erikson und Matteo Miccini (v.l.). Copyright: Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

„SOLO“ war die Jahre über am meisten zu sehen und ist auch jetzt wieder ein erheiternd ausgleichendes Juwel in diesem mehrheitlich reflektierenden, kühl eleganten, aber auch mal frechen Rahmen. Bachs rasante erste Violin-Solo-Partita in h-moll wäre ob ihres Tempos kaum von einem Tänzer zu stemmen. Und so hat van Manen diesen nahtlos ineinander fließenden Schlagabtausch drei Männern überlassen, die nichts an Beweglichkeit und guter Laune zu wünschen übrig lassen. Der strahlende Matteo Miccini, der bezaubernd fröhliche Henrik Erikson und der etwas neckische Fabio Adorisio bilden das ideale Trio in weiten Shirts mit rot, orange und gelb hervor stechenden Unterteilen.

In den abschließenden „FRANK BRIDGE VARIATIONS“ zur gleichnamigen Streichorchester-Suite, die Benjamin Britten seinem Lehrer gewidmet hatte, vereinigen sich alle Ausrichtungen der vorigen Stücke zu einem abwechslungsreichen Ineinander von zwei Paaren und drei Gruppen-Duos in dunkel-grün/rotem Look, in dem auch mal langsam geschritten und mehr unterschwellig Blicke untereinander zugeworfen werden. Im Profil nicht ganz so markant wie die vorher gegangenen Stücke, aber in der kühlen Eleganz und wiederum musikalischen Feinfühligkeit bietet es lohnende Aufgaben, die an vorderer Front von Rocio Aleman und Marti Paixa bzw. Agnes Su und Adhonay Soares Da Silva technisch sauber und mitteilsamer Präsenz bewerkstelligt werden. Die nachstehenden Paare sind mit Mizuki Amemiya und Christopher Kunzelmann, Vittoria Girelli und Martino Semenzato sowie Alicia Torronteras und Satchel Tanner ziemlich ausgewogen besetzt.

Wolfgang Heinz leitete das Staatsorchester Stuttgart in kleiner Formation stringent und stimmungsbildend.

In der neuen Saison taucht dieses Programm leider nicht wieder auf – es werden hoffentlich nicht wieder Jahre vergehen bis van Manen ins Repertoire zurück kehrt!

Udo Klebes

 

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