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STUTTGART/ Studiotheater: „DIE OPFERUNG VON GORGE MASTROMAS“ von Dennis Kelly

Menschliche Abgründe

09.03.2019 | Theater

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Copyright: Theater Stuttgart

„Die Opferung von Gorge Mastromas“ von Dennis Kelly am 8. März 2019 im Studiotheater/STUTTGART

MENSCHLICHE ABGRÜNDE 

Die Geschichte von Gorge, einem Durchschnittsmenschen im Neoliberalismus, wird hier als Krimi über Selbstlüge und Skrupellosigkeit erzählt. Der britische Autor Dennis Kelly lässt das Leben seines von Folkert Dücker sehr vielschichtig gemimten Protagonisten in kurzen Abschnitten Revue passieren: Zeugung, Geburt und Schule werden als unnötig abgetan. Auch die sexuellen Erfahrungen werden in ihrer Begrenztheit infrage gestellt. Das Leben dieses perspektivlosen Moralisten verläuft deswegen mehr als eintönig. Auch Julianna Herzberg als Erzählerin bringt die Sache in knappen Sätzen auf den Punkt. Der Mensch lebt nur noch aufgrund zufälliger Entscheidungen. Demütigungen und Selbstzweifel nehmen zu. Davon sind auch die anderen Darsteller betroffen – allen voran Stefan Maaß als Erzähler, Sol und Martin sowie Caroline Sessler als Erzählerin und Christian Streit als Erzähler, Pete und Hotelportier.

Hildegard Starlinger schildert diese Geschichte in ihrer Inszenierung in flimmernden Bildern, mit Lichtreflexen und Schattenspielen. Der enttäuschte Loser möchte jetzt plötzlich aufsteigen, wird aber umso mehr zum Opfer des Turbokapitalismus: „Bist du noch mein Freund?“ Zur Musik von Johann Sebastian Bach entfaltet sich hier ein überaus seltsames und nicht immer nur plausibles Seelenpanorama, wo Gorge auch über seine missglückten Beziehungen sinniert. Die Geschäftsbesprechungen eskalieren zu absurden Leistungskursen, die die Menschen hoffnungslos überfordern. Sie sind psychisch am Ende. Es gilt, immer wieder neue Entscheidungen zu treffen. Geld, Macht, Ansehen und Liebesabenteuer werden einfach in einen Topf geworfen. So wird das Tor zu einer elitären Geheimgesellschaft plötzlich geöffnet: „Willst du mein Haus?“ Der Bruder macht Gorge aber auch heftige Vorwürfe: „Ich will, dass du leidest! Ich will, dass du für deine Taten bezahlst!“ Sexueller Missbrauch durch den Vater wird hier nicht verschwiegen. Da platzen alte Wunden auf. Zugleich beginnt der neue Lebensabschnitt, in dem alles zu gelingen scheint. Gorge möchte auf jeden Fall auf Erfolgskurs bleiben. Doch die große Angst vor dem totalen Absturz bleibt. Mit Lügen muss man die Vergangenheit ausradieren, glaubt Gorge. Er schreibt seine Lebensbiografie, über die sich der Bruder empört. Habsucht siegt zuletzt über Mitmenschlichkeit. Die unfruchtbaren Frauen werden weggeschickt. Als alter und enttäuschter Mann bleibt Gorge vereinsamt zurück: „Sind Sie schon abgestoßen?“ Das Publikum wird fast aufgefordert, sich angewidert abzuwenden.

Trotzdem gibt das Stück zwischen viereckigen Pappkartons in der schlichten Ausstattung von Alois Ellmauer zu wenig Antworten auf die drängenden Fragen des Lebens. Daran ändert auch die durchaus abwechslungsreiche Regie nichts.

 

Alexander Walther

 

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