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STUTTGART/ Staatsoper: TOSCA – gut funktionierender Alltag

30.09.2017 | Oper

Stuttgart: „TOSCA“ 29.9.2017 –  gut funktionierender Alltag

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Svetlana Aksenova (Floria Tosca), Arnold Rutkowski (Mario Cavaradossi). Copyright: Martin Sigmund

Auch ohne Glanzlichter bietet Puccinis Opernkrimi soviel gegebenes Potenzial um mehr oder weniger  fesselnde Aufmerksamkeit und aufwühlende Emotionen zu gewährleisten. Erst im Juli lockte ein neu aufeinander getroffenes Protagonisten-Terzett, zu Beginn der neuen Saison gab es mit einer veränderten Kombination wieder guten Grund, Willy Deckers aufs Wesentliche konzentrierte Inszenierung in der schlichten Ausstattung und den historisch verorteten Kostümen von Wolfgang Gussmann in ihrer mittlerweile 108. Aufführung als ideale Repertoire-Basis wohlwollend zu registrieren.

Da ist zunächst einmal der derzeit international aufstrebende venezolanische Dirigent Domingo Hindoyan, der mit einer in der Mitte zwischen auf Schönklang und das Moderne betonend ausgerichteten Interpretation für eine klar strukturierte Wiedergabe seitens des tadellos folgenden Staatsorchesters Stuttgart sorgte und sowohl hinsichtlich der Tempi als auch der Dynamik auf extreme Akzente verzichtete. Den Sängern kam es zugute, zumal er ihnen auch gebührenden Freiraum in den ariosen Schlagern gewährte. Außerdem setzte er nach den beiden Arien Cavaradossis ab, um ihm Szenenapplaus zu ermöglichen, der in Stuttgart beim direkten Weiterspielen in der Regel ausbleibt. Allerdings hätte es diesbezüglich in der Vergangenheit andere Interpreten des politisch inflammierten Malers gegeben, die durch außerordentliche Leistungen eine Zwischendurch-Akklamation verdient hätten. Der Cavaradossi dieses Abends, der Pole Arnold  Rutkowski besitzt zweifellos einen aufhorchen lassenden dunkel gelagerten Tenor mit auffallend weit vorne sitzender Tongebung, technisch gut eingebundener zuverlässiger Höhe und einer in diesem Stimmfach überdurchschnittlich ausgeprägten klangreichen unteren Mittellage und Tiefe (weshalb er in den Passagen nach dem Kräfte raubenden „Vittoria“-Ausbruch erfreulich präsent und ausdrucksvoll zu vernehmen ist), doch alle diese Vorzüge durch dynamische Eindimensionalität empfindlich relativiert. Wie viel farbenreicher und von innen erfühlter und erfüllter könnten seine Betrachtungen und Liebesbeweise bei Beherzigung der ganzen Lautstärke-Skala klingen! Das lautstark hinaus geschrieene „Tanto la vita“ am Ende seiner Sternen-Arie kann immerhin als Interpretation totaler Verzweiflung verstanden werden. Und das Spiel bzw. die Gewandtheit seiner Bewegungen – sein Fall nach der von einer ganzen Gewehr-Brigade erfolgenden Erschießung  ist filmreif  – wiegen ebenso wie seine erfreuliche Optik den erwähnten vokalen Mangel wieder etwas auf.

Über die Tosca von Svetlana Aksenova gibt es nicht so viel Spezielles zu sagen, was aber nicht heißen soll, dass sie mit ihrem etwas metallischen, über ausreichend attackierte Kraft und tonliche Stabilität verfügenden Sopran weniger zu dieser Vorstellung beigetragen hätte. Das Timbre ist nicht speziell ausgeprägt, der Vortrag setzt keine besonders hervor zu hebenden Akzente (das „Vissi d’arte“ geht sie recht geradlinig, ohne Phrasierungs-Raffinesse an), und dennoch zeichnet die hübsche schlanke Russin aus St. Petersburg eine vollgültige Tosca, wobei die Liebende über die Künstlerin dominiert. Auffallend ist das Lachen, in das sie nach einem verächtlich hingeworfenen „Davanti lui tremava tutta Roma“ am Ende des zweiten Aktes ausbricht.

Ideal in der Kehle bzw. in den Stimmbändern liegt Albert Dohmen die dominante Macht des Stückes. Sein Scarpia offenbart den fiesen Charakter weniger durch sein eher etwas gemächliches Auftreten und eine nicht sonderlich auffallende Bühnenpräsenz als mit der kernigen und wortpräzisen Deklamation des mehr in die Höhe als in die Tiefe ausgerichteten Bass-Baritons. So kann er im TeDeum mühelos mithalten und der Partie nichts an expressiver Dringlichkeit schuldig bleiben.

Ausser Ashley David Prewett als glaubwürdig gehetztem und dabei stimmpotentem Angelotti blieben die Chargen-Rollen unverändert rollendeckend besetzt.

Eine sichere Bank bildete wie immer der Staatsopern- und Kinderchor im 1. Akt. Zudem darf Fanny Kampmann als sicher intonierender Hirt und Stimmungsgeber am Beginn der Engelsburg-Szene verdientermaßen namentlich erwähnt werden.

 Udo Klebes

 

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