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STUTTGART/ Staatsoper: RIGOLETTO – Wiederaufnahme

mit herausragendem Gilda-Debut

20.10.2018 | Oper


Höhepunkt Quartett: Pavel Valuzhin (Herzog), Stine Marie Fischer (Maddalena), Dalibor Jenis (Rigoletto), Beate Ritter (Gilda)- Copyright: Martin Sigmund

 

Stuttgart: „RIGOLETTO“ 19.10.2018 (Wiederaufnahme) – mit herausragendem Gilda-Debut

Mit Verdis Victor Hugo-Vertonung aus dem Jahr 1851 haben Jossi Wieler und Sergio Morabito eine ihrer besseren, weil nicht mit zu vielen Nebengedanken überfrachteten Inszenierungen geschaffen, die der direktoriale Nachfolger Viktor Schoner verständlicherweise in sein Repertoire übernommen hat. So kam es jetzt zu einer Neueinstudierung des Werkes mit komplett neuen Protagonisten.

Basis der Regie ist das für heutige Verhältnisse sehr realistische, auf der Drehbühne für die Szenen in Rigolettos Haus und Sparafuciles Spelunke schnell verwandelbare Bühnenbild (Bert Neumann), während die Teile im Herzogspalast mit lediglich einer Reihe von Stühlen und darstellerischem Einsatz direkt an der Rampe umgesetzt sind. Auch die Kostüme von Nina von Mechow  tragen in der Verbindung von Tradition und Gegenwart zum zeitlosen Eindruck des Geschehens bei. Die ungewohntesten Aspekte betreffen die Rolle der Gilda, die hier als Revolutionärin im Verbund mit der mehr als Freundin denn Haushälterin zu betrachtenden Giovanna (Maria Theresa Ullrich mit beherztem Mezzo) zunächst in Jungenkleidung mit Kappe in Erscheinung tritt und sich bei aller naiven Verliebtheit in den incognito werbenden Herzog von Mantua gegen die väterliche Einengung auflehnt. Beate Ritter, von der Wiener Volksoper neu ins Ensemble gekommen, hat bei ihrem Haus- und Rollendebut mit viel Spielleidenschaft zwischen Liebender und Rebellin und einer ausgeglichen erstklassigen vokalen Leistung auf Anhieb viele Herzen erreicht und den größten Publikumszuspruch der Aufführung erzielt. Nach nur ganz kurzer Belegtheit beim ersten Einsatz entfaltete sich ihr mädchenhaft saftiger und blühender, mühelos über die Gewitterwogen im letzten Akt tragender Sopran gleichermaßen in langen lyrischen Bögen, in den Koloraturgirlanden des „Gualtier Maldé“ und der dramatischen Offensive des Aufbegehrens. Auf einer recht stabilen Mittellage grundiert das explizit ausgebildete Höhenregister, mit dem sie hier hörbar nie an Grenzen stößt, vielmehr erahnen lässt, mit welchen wesentlich höher notierten Partien sie in Zukunft noch brillieren könnte, so denn die Bereitschaft eines Hauses besteht das Repertoire nach einer solchen Gesangsperle auszurichten. Die Stuttgarter Staatsoper wäre bezüglich der Größendimension genau der richtige Ort für solche Projekte, die von der Direktion auch jenseits der bereits geplanten Partien Zerbinetta und Olympia zu erhoffen sind.


Starke Sänger-Darsteller: Beate Ritter (Gilda) und Dalibor Jenis (Rigoletto). Copyright: Martin Sigmund)

Hinter dem glanzvollen Einstand der jungen Oberösterreicherin mussten alle anderen etwas zurück stehen, obwohl der international im Verdi-Fach gefragte und in der Titelrolle spürbar erfahrene Dalibor Jenis ganz gewiss nicht zu den unscheinbaren und eher blassen vokalen Künstlern gehört. Den gespaltenen Charakter des Hofnarren zwischen Zynismus und übersteigerter Vaterliebe verkörpert er mit expressiver Wort-Ton-Gestaltung, wobei er vor allem mit fülligem Obertonbereich und kernig männlicher Höhe beeindruckt, während die Tiefe etwas unterbelichtet, fast flüchtig und tonlos wirkt.

Vom Bolshoi-Theater Moskau engagiert wurde Pavel Valuzhin als Herzog mit auffallend guter italienischer Gesangstechnik. Der helle, nicht ausgeprägt individuell timbrierte Tenor zeigt sich leicht und gewandt in der Stimmführung, weich in den Übergängen, wobei sich seine auffallend dynamische Phrasierung bei Zurücknahme der Stimme manchmal im Raum verliert. Obwohl die Höhe einen generell sicheren Eindruck erweckt, bleiben die Spitzentöne nicht immer frei von leichten Eintrübungen. In der Emphase seines Vortrags und seiner jugendlichen Unbeschwertheit überzeugt der Weißrusse letztlich in der Gesamtheit seines Könnens.

Adam Palka ist als Sparafucile wie in allen seinen Rollen ein Gewinn. Mit wandlungsfähigem Ausdrucksvermögen und der geforderten Mischung aus finsterer Grundierung des Tones bei gleichzeitig runder Kantabilität seines sämigen Basses fasziniert er als Auftragsmörder bis zu einem finster spöttischen „Buona notte“. Da kann Stine Marie Fischer trotz ihrer überragenden Körpergröße, aber auch aufgrund eines nicht sonderlich sinnlichen Mezzos als etwas unterkühlte Bühnenschwester Maddalena nicht mithalten.

In der Schlüsselrolle des Flüche ausstoßenden Grafen Monterone imponiert David Steffens bei seinem Rollen-Einstand mit raumfüllend hoher und artikulatorisch trefflicher Bass-Potenz bei vielleicht nervositätsbedingt noch etwas zu viel Überdruck. Das lässt sich beheben.

Die hier sehr vergnügungsgeil in Szene gesetzten Höflinge, von Herren des Staatsopernchors (Einstudierung: Manuel Pujol) mit Lust und stimmlicher Inbrunst lebhaft gestaltet, werden von dem quirligen und tenoral gefestigten Borsa von Kai Kluge und dem etwas eleganteren Marullo von Pawel Konik angeführt. Als Grafenpaar Ceprano erfüllen Carina Schmieger und Jasper Leever ihre Funktion auffallender als gewöhnlich.

Zur fixen Größe fürs italienische Fach am Haus ist in den letzten Jahren Giuliano Carella geworden. Und so leitet er dieses Übergangs-Werk sowohl mit dem Gespür für die Begleitung eines erfüllten Belcanto als auch für das sich im Orchester bereits deutlich bahnbrechende Drama des wahrhaftigen Ausdrucks. Mit dem vibrierend leicht und wo gefordert zupackenden Staatsorchester Stuttgart hat er vor allem auch die vielen charakteristischen Details in den Streichern, sei es bei Rigolettos Erregung und Flehen, sei es bei der Auffächerung des genial strukturierten Quartetts, deutlich heraus gearbeitet. So entstand eine spannende Wiedergabe weitab von bloßer Repertoire-Routine.

  Udo Klebes

 

 

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