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STUTTGART/ Staatsoper: RIGOLETTO – Wiederaufnahme. stürmische Animation aus dem Graben

23.03.2024 | Oper international

Staatsoper Stuttgart: „RIGOLETTO“ 21.3. 2024 (WA) – stürmische Animation aus dem Graben

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Pavel Valuzhin (Duca) und Beate Ritter (Gilda) im 3.Akt. Foto: Martin Sigmund

Die größte Spannung bei dieser Neueinstudierung lag auf dem Debut von Kai Kluge als Duca di Mantova. Der aus dem Opernstudio ins Ensemble hinein gewachsene Künstler aus der Region hatte sich innerhalb kurzer Zeit zu einem Tenor entwickelt, der reiches Material, profunde Technik und spontane Emotionalität ideal miteinander verbindet. Nach seinem alle Erwartungen übertroffen habenden Nemorino in der letzten Saison bedeutet der herzogliche Frauenheld eine weitere Stufe hin zum schon etwas schwereren Zwischenfach. Doch leider schlug ihm eine Erkrankung jetzt ein Schnippchen. Hoffen wir, dass er seinen Einstand in dieser Partie bald nachholen kann.

Statt ihm wurde jetzt die erstmals am Haus in Erscheinung getretene türkisch-italienische Dirigentin Nil Venditti zur Überraschung einer Aufführung, die seitens der musikalischen Leitung so viel Temperament entfachte, dass nicht nur Verdis zahlreiche Gassenhauer zündeten, auch die sich durch Graf Monterones Verwünschungen energisch steigernde erste Szene oder das vom Gewitter überwölbte Terzett im dritten Akt in Bann schlugen. Doch die sehr kleine und wie sich beim Schluss-Applaus zeigte wuselige und auch da noch wie unter Strom stehende Taktgeberin bewies dazwischen auch Gespür für feine Begleitfiguren und die behutsame Führung der Sänger durch getragenere Kantilenen. Dass sie an ein paar Stellen auch mal etwas über Details und markante Nummernabschlüsse hinweg huschte, konnte diese Wiedergabe nicht wirklich einschränken. Das Staatsorchester Stuttgart ließ jedenfalls so viel Italianità hören wie es von einem deutschen Ensemble so nicht unbedingt im Alltag zu erwarten ist.

Beginnen wir auf der vokalen Seite fairerweise mit dem Einspringer, der allerdings kein Unbekannter und mit der Szene seit seiner kurzen Ensemble-Zugehörigkeit 2018-20 noch gut Vertrauter ist. Der Weißrusse Pavel Valuzhin weiß mit seinem hellen recht beweglichen Tenor differenziert zu phrasieren und sich leicht und unangestrengt im oberen und Spitzenregister zu bewegen. Auf der anderen Seite verliert die Stimme nach unten an Tragkraft, Endsilben werden öfter verschluckt oder sind gar nicht hörbar, der Vortrag wirkt bei aller Kunstfertigkeit eher geziert als elegant. Auch in der Erscheinung und als Typ fehlt eine gewisse Nonchalance und Selbstherrlichkeit für den rücksichtslos leidenschaftlichen Herzog.

Nach anfangs noch etwas trocken klanglosen Tönen erwies sich der neu in die Produktion eingestiegene Devid Cecconi als idealer Titelrollenträger mit eindringlich egozentrischer und doch Mitleid erregender Verkörperung des Hofnarren sowie gleichmäßig zentriert geführtem, Belcanto-Tugenden und vokale Gestaltungs-Intensität vereinendem Bariton. Zum regelrecht mitreißenden Höhepunkt gelangte das feurige Rachegedanken beschwörende Duett am Ende des zweiten Aktes, nach dessen Verklingen Rigoletto noch einige Zeit in totaler Ergriffenheit verharrt, ehe er langsam abgeht. An diesem noch in die Musik hinein Ovationen auslösenden Kulminationspunkt der Handlung hatte auch Beate Ritter entsprechenden Anteil. Mit der Gilda beging sie vor einigen Jahren ihr Stuttgarter Debut und ließ auch jetzt wieder, nach etwas flachem Beginn, mit klar fokussiertem, je höher je präsenterem Sopran aufhorchen. Die schwärmerischen Gedanken an den Geliebten Gualtier Maldé bringt sie in ihrer Arie durch schwerelos ausgekostete Koloraturen und lyrisches Feingefühl hingebungsvoll zum Leuchten.

Goran Juric ist ein imposant gestandener Sparafucile mit ebensolcher vokaler Stamina bis in die Tiefen, Itzeli Jauregui aus dem Opernstudio eine typgemäß verführerische und mit sämig weichem Mezzosopran nicht nur den Herzog betörende Maddalena, Aleksander Myrling (ebenfalls Opernstudio) ein in väterlichem Jähzorn beinahe berstender Graf Monterone, dessen Verfluchung mit üppigem und bereits sehr fortgeschritten geschliffenem Bass aus der Mittelloge ideal in den ganzen Zuschauerraum projiziert wirkt.

Durch die Bank präsente und stimmschöne Beiträge lieferten Joseph Tancredi (Borsa), Jacobo Ochoa (Marullo), Junah Lee (Graf Ceprano), Marion Germain (Gräfin Ceprano) und Rosario Chávez (Giovanna).

Mit enormem Spieltrieb und eindringlicher Klangkultur erfüllten die Herren des Staatsopernchors Stuttgart (Einstudierung: Bernhard Moncado) ihre Einsätze, wobei die etwas zu drastisch geratenen Orgien der ersten Szene der einzige wesentliche Kritikpunkt an der Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito ist. Schwer nachvollziehbar bleibt noch die räumliche Distanz zwischen Rigoletto und der im Sack liegenden Gilda, weil hier die Musik doch eine andere Sprache spricht. Oder kann der Opfer seiner Verfluchung Gewordene mit der schockierenden Situation nicht umgehen, dass er sich von seiner geliebten Tochter fast angstvoll zurück zieht anstatt beim Abschied Körpernähe zu suchen?

Im Übrigen liefert die mittels Drehbühne werkdienlich zur Geltung kommende Ausstattung von Bert Neumann mit den Rollen entsprechenden Kostümen von Nina von Mechow einen durchaus sehenswerten Beitrag, was leider nicht mehr Alltag auf den Opernbühnen ist.

Das mit einigen Schulklassen aufgefüllte Publikum reagierte mit reichlich Begeisterung.

 

  Udo Klebes

 

 

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