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STUTTGART/Staatsoper: PARSIFAL. Wiederaufnahme

22.04.2025 | Oper international

Stuttgart: Parsifal 28.3. 2025 Wiederaufnahme

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Heinz Göhrig, Rosie Aldridge (Kundry), Catriona Smith. Foto: Martin Sigmund

 
Im Stuttgarter Opernhaus wurde Wagners Bühnenwegespiel PARSIFAL in der Inszenierung von Calixto Bieito von 2010 wieder aufgenommen. Sie wurde damals als fast skandalös empfunden, Darstellung eines zusammengewürfelten Menschenhaufens in einer katastrophal geendendeten Dystopie. Nun erlebt sie in ihrer 26.Vorstellung eine Wiederaufnahme, die von Sophia Binder szenisch geleitet wird. Die musikalische Leitung liegt bei dem scheidenden GMD Cornelius Meister.
 
In der Truppe der Überlebenden (Ritter und Knappen), befindet sich auch eine nackte schwangere Frau, die zwischen den toten kahlen aber hohen Baumstruenken herumirrt. Alle erscheinen jederzeit gewaltbereit mit Messer und Pistole und können von dem einzigen vorerst noch zivilisierten Gurnemanz nur mit Mühe auseinander gehalten werden. Kundry ist eine struppig Frau, während Parsifal als vielleicht ehemaliger Freischaerler in noch anständigen Uniformklamotten auftritt. Der Schwan wird hier durch zwei engelhafte Kinder repräsentiert, das eine wird von Gurnemanz seines weißen Gewandes entledigt  und mit einem Stretchgürtel geschlagen. In der Gralszusammenkunft zeigt sich eine eher heterogene Masse wie vielleicht bei Ostermaerschen mit Plakaten, Amfortas trägt seine alte kaputte Badewanne selbst mit sich, aber bei makellosem nacktem Oberkörper.
 
Wenn man nun erwartet, was im 2.Akt die Blumenmädchen zu „bieten“ haben, verbleibt man aber eher enttäuscht. C.Bieito wollte sicher erotisch konnotierte Nacktheit inszenieren und provozieren, dies gelang bei dieser Wiederaufnahme aber gar nicht, indem die Mädchen, bei Bieito nur in durchsichtiges Zellophan eingewickelt, hier ihre Brüste und Vaginas mit dicken Klebestreifen zugeklebt waren. Als Alibi musste sich eine völlig nackte Statistin durch die Reihen verdruecken. Alle Blumenmaedchen sangen aber auffallend schön und brillant. Dazu Parsifal und Klingsor,die wie zwei Spindoktoren mit kleinen Werkzeugen an den Schamteilen der Frauen herumdoktern. Das erscheint nun  sinnentleert und erniedrigend.
 
Das Staatsorchester spielt  immer sehr klangreich bis opulent. Aber gerade der kürzere Mittelakt braucht nicht durchgepeitscht zu werden nach dem Motto, wir müssen schneller spielen, dass sich für die Zuhörer keine zu lange Bühnenweihe ergibt. Szenisch hat Parsifal als Speer plötzlich ein banales Rohr, das er aber Klingsor gar nicht abzuluchsen braucht, da sie hier zusammen,wie schon bei den Blumenmaedchen, ‚Tabula rasa‘ machen.
 
Musikalisch hat Cornelius Meister nach einem sehr schön ausgesponnenen Vorspiel ab dem 1. Akt eine relativ schnelle Gangart angeschlagen, was hier noch sinnig erschien, da dadurch die langen Erzählungen aufgelockert werden analog zur szenischen Action. Im Mittelakt entwich, siehe oben, aber beim grossen Dialog Kundry-Parsifal die musikalische Spannung und wurde damit nahezu verschenkt, da er eher unakzentuiert und ohne sinnige Agogik durchgespielt  wurde.
 
Zurück im Gralsgebiet wird Parsifal wie ein Papst auf einem Einkaufswagen herausstaffiert. Kundry kann ihm hier mit den wieder kurzen Haaren ( in der Verführungsszene lange Perücke) natürlich nicht die Füße waschen. Die drei begießen sich kräftig mit Wasser. Keine Kundry-Schreie: Rosie Aldridge geht in der Tiefe öfter in die Sprechstimme über, man wollte hier offensichtlich auch keine Belcanto-Stimme haben. Gurnemanz singt zwar sehr ordentlich, der Bassbariton von David Steffens wirkt aber im Timbre manchmal etwas begrenzt. Pavel Konik als Amfortas bringt als einziger seine Rolle ohne Blut, aber glutvoll herüber, auch Shigeo Ishino/Klingsor steht auf der Habenseite der Besetzung. Samuel Sakker in der Titelrolle wartet mit einem etwas umwoelkten aber dabei fast exzentrischem Timbre auf. Musikalisch kann der 3. Aufzug eindeutig wieder punkten, und C. Meister spielt nun mit den im  ersten Gral exponierten Klangmassen und formt sie souverän.
 
Friedeon Rosen

 

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