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STUTTGART/ Staatsoper: OTELLO von Giuseppe Verdi. Leidenschaftlich und ergreifend

16.11.2025 | Oper international

„Otello“ von Giuseppe Verdi am 15.11.2025 in der Staatsoper/STUTTGART

Leidenschaftlich und ergreifend

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Foto: Martin Sigmund

Die vier Elemente Wasser, Erde, Feuer und Luft spielen in Silvia Costas Inszenierung von Verdis „Otello“ eine große Rolle. Shakespeares „Otello“ wird hier im Libretto von Arrigo Boito ins Wesentliche umgewandelt. Als Kriegsheimkehrer feiert man den Feldherrn Otello für seine Erfolge, der als Schwarzer aber ein Außenseiter bleibt. Jago repräsentiert hier eine Gesellschaft, die ihm feindlich gesonnen ist. Verdi und sein Librettist entlarven dabei das Böse, das sich wie Gift in die Herzen einschleicht. Silvia Costa erkundet in ihrer Inszenierung Ausgrenzung und Eifersucht ebenso wie die sinnlichen Momente. Sie hat auch ein opulentes Bühnenbild mit großen schwarzen Kreuzen und einem schwarz-weißen Ambiente geschaffen. Hinzu kommt die einfühlsam Videokunst von John Akomfrah, wo man Otello als einsame Figur in einer weiten Meereslandschaft sieht (Co-Regie: Rosabel Huguet Duenas; Co-Bühnenbildner: Michele Taborelli). Die Kostüme von Gesine Völlm passen sich farblich dem Bühnengeschehen an. Im Perspektivwechsel wird die trügerische Illusion einer einzigen Wahrheit ad absurdum geführt. Jago beschuldigt Cassio in Gegenwart Otellos, mit Desdemona ein Verhältnis zu haben. Otello wittert Verrat, demütigt Desdemona öffentlich, zumal sie sich immer wieder bei ihrem Mann für Cassio einsetzt. Der intrigante Jago stachelt Rodrigo schließlich zum Mord an Cassio und Otello zur tödlichen Rache an Desdemona auf. Desdemona wird zuletzt von Otello aus Eifersucht ermordet.

Im Hintergrund sieht man immer wieder schwarze Figuren, die das Geschehen in geheimnisvoller Weise untermauern. Emilia stürzt herein und berichtet, Cassio habe Rodrigo getötet. Der geblendete Otello beharrt verzweifelt auf seinem Recht. Dies tritt bei der packenden Inszenierung grell zutage. Erst als Jago und Lodovico hinzukommen, kann Emilia die Intrige ihres Mannes aufdecken. Otello begreift seinen Irrtum und folgt Desdemona in den Tod. Die grüne Schlafzimmer-Attrappe im letzten Bild mit seinen unterschiedlichen Licht-Schattierungen unterstreicht das Trügerische und eigentlich Undurchschaubare dieser Handlung. Schwarz und Weiß dominieren bei dieser Inszenierung gleichsam als Konstrukte von Hautfarbe. Otello erscheint bei Silvia Costa sowohl sehr real als auch als eine Art Erscheinung, als Geist. Er hat den brennenden Wunsch, in einer Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Die Video-Interventionen von John Akomfrah fungieren hier als Parallelstrang, der ein Reflexionsangebot bietet.

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Foto: Martin Sigmund

Im ersten Akt platzt Otello in eine bestehende Situation geradezu hinein. Er wird mit einer Figur des venezianischen Mohren direkt konfrontiert. Und das später erscheinende Rad besitzt hier etwas Zerstörerisches und Männliches, was Macht ausstrahlt. Zu Beginn gibt es in dieser Inszenierung zwei Kulturen, die miteinander kommunizieren können. Im Laufe des Stückes wird dies unmöglich gemacht. Silvia Costa möchte als Regisseurin nicht, dass Jago ganz gewinnt. Gleichzeitig sind die Gegenstände auf der Bühne dazu da, die Körper der Sänger zu skulpturieren. Die Reflexion über Schwarz und Weiß erfolgt auch über die suggestive Farb- und Lichtregie. Es ist ein Verhältnis von Licht und Schatten, von Heiligkeit und Dunkelheit. Abstrakte Chorsilhouetten unterstreichen bei dieser Aufführung die doppelte szenische Ebene. Der szenische Fluss könnte zuweilen noch nahtloser ineinander übergehen. Musikalisch ist sie sehr überzeugend. Dies liegt insbesondere an der konzentrierten Leitung des Dirigenten Vlad Iftinca, der die dramatischen Steigerungen dieser glutvollen Musik gleich zu Beginn mit dem Staatsorchester Stuttgart eindrucksvoll betont. Die sich verschmelzenden Elemente von Deklamation und Arioso gewinnen immer mehr an Farbe und Leuchtkraft. Tiefe Bläser unterstreichen markant Jagos und Otellos charakterliche Abgründe. Das Liebesmotiv im Schlussduett des ersten Aktes blüht hier geradezu verschwenderisch auf. Seine Wiederkehr gestaltet sich dabei immer aufwühlender und dramatischer – und gipfelt schließlich in Otellos bewegendem Liebestod, den der überragende Tenor Alfred Kim in berührender Weise gestaltet. Besonders deutlich wird dies beim berühmten Liebesduett mit Desdemona. Über einem Orgelpunkt erklingen geheimnisvolle Akkordketten, zuletzt bleibt ein Solocello in ausgeprägter Melodik zurück. Der Nachthimmel Cyperns wird lebendig, das Cello breitet mit den übrigen Celli eine sanfte Weise aus. Alfred Kim als Otello übernimmt diese Stimme aus tiefster Seele. Und Olga Busuioc als Desdemona besitzt eine ebenso große Innigkeit, wobei die Harfe zu den weichen Bläserakkorden einfühlsam hinzugefügt wird. Das schleichende Motiv tritt in Jagos Dialog mit Cassio grell hervor. Joseph Tancredi als Cassio und Daniel Miroslaw als Jago besitzen hier bewegenden Charakterisierungsreichtum. Dämonisch gestaltet Daniel Miroslaw als Jago das „Credo“, dieses „Glaubensbekenntnis“ des Nichtgläubigen. Im Fortissimo des vollen Orchesters blitzen die Klarinettentriller geradezu infernalisch auf!  Ein starker Moment ergibt sich auch in der Schluss-Szene, wo Otello den Entschluss fasst, Desdemona zu töten. Bedrohliche Figuren in den tiefen Streichern, lange verhallende Noten in den Hörnern, Trompeten und Posaunen lassen die Gesangsstimmen nach und nach in den Mittelpunkt treten. Die große Liebesmelodie wächst aus dem Streichertremolo berührend heraus – die melancholische e-Moll-Einleitung trägt Alfred Kims Stimme hier fast sphärenhaft nach E-Dur. In weiteren Rollen fesseln Olivia Johnson als vom Schmerz überwältigte Emilia, Kyung Won Yu als Herold, David Steffens als Lodovico, Daniel Noyola als Montano und Sam Harris als Rodrigo. Der Staatsopernchor Stuttgart und der Kinderchor der Staatsoper Stuttgart  imponieren in eindringlichen Szenen mit Intonationsreinheit.

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Foto: Martin Sigmund

Viele „Bravo“-Rufe. 

Alexander Walther              

 

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