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STUTTGART/ Staatsoper: OTELLO – immerhin musikalisch gesteigert.

20.11.2025 | Oper international

Staatsoper Stuttgart: „OTELLO“ 19.11.2025 – immerhin musikalisch gesteigert

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Olga Busuioc als Desdemona. Foto: Martin Sigmund

 Zwei neu besetzte Hauptpartien und ein anderer Dirigent lockten doch noch einmal zu einem Besuch der im Mai zur Premiere gekommenen Neuinszenierung von Verdis genialem Alterswerk durch seine Landsmännin Silvia Costa. Bei dieser Gelegenheit konnte auch deren Arbeit noch einmal überprüft werden. Die Regisseurin und Raumausstatterin hat sich – so auch der zweite Eindruck – zu viele Gedanken über symbolische Assoziationen zu dem Stück gemacht anstatt es als äußerst bühnenwirksame Tragödie mit viel Leidenschaft und Kontrastreichtum zu begreifen. Wozu sie den ghanaischen Filmemacher John Akomfrah als Partner benötigte, dessen Video-Schau mit Bildern eines dunkelhäutigen Mannes im Kreislauf von Naturerscheinungen vor den einzelnen Akten die Aufführung ohne erkennbaren Mehrwert verlängert, bleibt weiterhin ein Rätsel. Genauso als Beispiel der Tod des Paares im Stehen mit einem selbst über den Kopf gelegten Tuch. Alles nur Phantasie, Scheinrealität?

Der kahle, nur manchmal geometrisch veränderte Bühnenraum mit diversen Durchgängen und die ganz in Schwarz und Weiß gehaltenen Kostüme von Gesine Völlm verorten die durchaus zeitlose Handlung von zwei venezianischen Requisiten-Amleihen abgesehen – im Nirgendwo einer künstlichen Welt. Die Bezugnahme zu den vier Grundelementen des Lebens als Chiffren gerade herrschender  Zustände und Emotionen sowie die schwarzen Schattenwesen von Otello und Desdemona (der reale Otello ist in Zeiten politischer Korrektheit natürlich weiß!!) können die meist sparsame, manchmal an eine konzertante Aufstellung erinnernde Personenregie nicht ersetzen. Dieses Manko betrifft besonders die Titelrolle, die mehrfach wie unmotiviert da steht, obwohl die Musik vor Unruhe vibriert. Da bedürfte es eines als Persönlichkeit stärkeren und schauspielerisch ambitionierteren Interpreten wie jetzt Alfred Kim, doch schafft dieser es mit projektionsreichem, im Timbre gelegentlich etwas penetrant greinendem Tenor der Partie das erforderliche musikalische Gewicht zu geben, indem er neben mühelos gehaltenen längeren Forte-Einsätzen auch die Fähigkeit zur Verinnerlichung und Differenzierung beweist.

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Olga Busuioc (Desdemona) und Alfred Kim (Otello). Foto: Martin Sigmund

Eine erfreuliche Aufwertung ist die Desdemona von Olga Busuioc, die sich am Haus bereits mehrmals im italienischen Fach bewährt hat. Anfangs setzte sie ihren strahlenden Sopran noch etwas zu üppig, fast eine Spur divenhaft ein, verschlankte die Einsätze dann aber zunehmend auf einen spannenden Wechsel zwischen lyrischen Zartheiten (schwebend klar im 4.Akt) und impulsiven Ausbrüchen. Damit konnte sie auch berühren und bewegen, was das Geschehen in dieser Inszenierung sonst vermissen lässt. Daniel Miroslaw wiederholte seine rundum geschlossene Premierenleistung als finsterer Intrigant Jago durch seinen passend spröden und kernig beweglichen, nur in den Farbnuancen etwas an Abmischung vermissen lassendem Bariton.

Joseph Tancredis heller Tenor erweist sich für den Nebenbuhler Cassio als etwas zu schmal, doch kann der aus dem Opernstudio hervor gegangene Amerikaner in diesem Ambiente immerhin etwas Spielfreude zeigen. Mit markant würdevollem Baß gelingt David Steffens der Auftritt des Gesandten Lodovico immerhin situationsgerecht. Stimmfachkollege Aleksander Myrling überragt ihn als Duell-Opfer Montano größenmäßig, Sam Harris komplettiert als Desdemonas abgelehnter Anwärter Rodrigo mit noch unauffällig kleinem Tenor. Sebastian Bollacher (Chormitglied)  hatte da in seinem Kurzauftritt als Herold mehr Material zu bieten.

Der hier spielerisch eher unterforderte Staatsopern- und Kinderchor (Einstudierung: Manuel Pujol  und Bernhard Moncado) macht seinem vokalen Standard indes alle Ehre und erfüllte seine drei großen Einsätze mit stets genau dosierter Tongebung und Balance.

Dem schon wiederholt als Dirigent eingesetzten Haus-Korrepetitor Vlad Iftinca hätte die Produktion von Anfang an übertragen werden können, so ideal austariert zwischen instrumentalen und vokalen Bedürfnissen gelang es ihm mit dem immer wieder im Detail aufhorchen lassenden Staatsorchester Stuttgart Verdis bis ins Feinste ausdifferenzierte Tonsprache in all ihrer Kühnheit, aber auch Schönheit wie von spontanem Erfühlen durchdrungen und wie aus einem Guss zu entfalten. In diesem Zusammenhang wurden die Mängel der Szene besonders bewusst. Verdient galt ihm und Desdemona die größte Begeisterung.                                             

Udo Klebes

 

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